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Scientifica

«Da ist mehr zwischen Himmel und Erde»

Die «Scientifica» bot Gelegenheit zu aussergewöhnlichen Begegnungen und Gesprächen. So diskutierte Finanzministerin Eveline Schlumpf-Widmer im «Science Talk» mit dem Astrophysiker Arnold Benz über die grossen Fragen des Universums und des Lebens. Die beiden teilen das Interesse an der Theologie und am Unerklärbaren - in Wissenschaft und Politik.
Adrian Ritter

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Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf hatte die Wahl, wen sie sich als Gesprächspartner wünscht.  Sie entschied sich für Professor Arnold Benz, Astrophysiker an der ETH Zürich und Ehrendoktor der Theologischen Fakultät der Universität Zürich. Benz ist emeritiert, forscht aber weiterhin und beschäftigt sich insbesondere mit der Entstehung von Sternen und mit der Erforschung der Sonne. Den Ehrendoktortitel erhielt er aufgrund seiner Verdienste um den Dialog zwischen Naturwissenschaften und Theologie.

Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf wünschte sich Astrophysiker Arnold Benz als Gesprächspartner für Fragen wie: «Woher kommen wir? Was kann man erklären, was nicht?»

Die grossen Fragen

«Ich habe mir gewünscht, mit einem Wissenschaftler zu diskutieren, der einen breiteren Horizont hat, als Politiker ihn normalerweise haben», so Widmer-Schlumpf. Schon seit der Kantonsschule beschäftigten sie grundlegende Fragen der Menschheit: Woher kommen wir? Warum sind wir hier? Was kann man erklären, was nicht? Gibt es ein Ende, so wie es einen Anfang gab?

Fragen, die auch Arnold Benz beschäftigen. Allerdings musste er die Erwartungen der Bundesrätin dämpfen. Es gebe zwar mathematische Modelle des Urknalls und mit den laufenden Versuchen am CERN hoffentlich bald auch neue Einsichten darüber, wie das frühe Universum ausgesehen habe. Eines sei nämlich im Gegensatz zu früher klar: «Das Universum ist nicht einfach da, sondern ist entstanden und hat eine Entwicklung durchlaufen.»

Was heisst «Gott»?

Was Zukunftsprognosen anbelange, stosse die Wissenschaft jedoch bereits bei den Wetterprognosen an Grenzen. Dasselbe gelte für die Astronomie, indem etwa die Sonnenaktivität nicht vorausgesagt werden könne. Was für diese konkreten Fragen gelte, gelte umso mehr für die grossen Fragen, so Benz: «Ich glaube nicht, dass wir je wissen werden, warum wir hier sind.»

Man könne ebenso sagen: Gott wollte es so und stehe wieder vor neuen Fragen: Was heisst «Gott»? «Antworten dürfen nicht zu einfach sein, sonst wird es schnell fromm und unrealistisch», so Benz. Gerade darum interessiere ihn der Dialog mit der Theologie: «Theologen haben interessante Ansichten, die Naturwissenschaft sollte diese aufnehmen.»

Mensch mit Sinnfragen

«Es gibt mehr zwischen Himmel und Erde, als wir uns vorstellen», ist Benz überzeugt. Er interessiere sich dafür, weil er mehr sei als ein Naturwissenschaftler – «ich bin ein Mensch mit Sinnfragen». Diesen Teil des Mensch-Seins lasse er sich nicht nehmen. Er gehöre dazu, auch wenn er seine Forschung an der ETH nicht beeinflussen dürfe. Darum habe er den Ehrendoktorteil ja von der Universität Zürich erhalten, fügte er schmunzelnd an.

Vom Niederdorf zum Völkerrecht

Widmer-Schlumpf legte persönliche Gründe für ihr Interesse an Sinnfragen offen, etwa das Erlebnis, dass sie in den 1980er Jahren kurz vor einem Autounfall ihrer Schwester diesen im Traum vorwegnahm.

Das Unerklärbare sei auch in der Politik verbreitet, so Widmer-Schlumpf. Im Zusammenhang mit der gegenwärtigen Wirtschaftskrise spiele ein grosser emotional-irrationaler Anteil mit. Wenn etwa eine Ratingagentur einen Staat herunterstufe und der ganze Finanzmarkt darauf reagiert, dann habe das mehr mit Irrationalität als mit Fakten zu tun.

Arnold Benz: «Theologen haben
interessante Ansichten, die Naturwissenschaft sollte diese aufnehmen.»

Mit Glück zur Professur

Nicht nur in der Politik, auch in Lebensläufen findet das Irrationale seinen Niederschlag. Der Entscheid, Astrophysiker zu werden, sei irrational gewesen, meinte Benz. Die Chance, in diesem Fachgebiet eine Professur zu erhalten, sei so gering wie diejenige, Bundesrat zu werden. Es brauche Glück.

Mit Blick auf ihren Werdegang hat Widmer-Schlumpf gute Erinnerungen an ihr Studium der Rechtswissenschaft an der Universität Zürich – «zumindest vom dritten Semester an». Sich selber organisieren und zurechtfinden zu müssen, habe sie in den ersten Semestern überfordert: «Da war ich mehr im Niederdorf als an der Universität anzutreffen.» Dann aber war die Begeisterung für Völkerrecht, Europarecht und Medienrecht stärker. Mit Steuerrecht hingegen mochte sie sich nur so weit beschäftigten, dass es für die Prüfungen reichte – und jetzt sei sie Finanzministerin!

Euro-Krise schlägt durch

In dieser Funktion trifft sie Entscheide, die für den Wissensplatz Schweiz von grosser Bedeutung sind. Das vom Bundesrat angekündigte und umstrittene 2 Milliarden Unterstützungspaket möchte Widmer-Schlumpf auch der Forschung und Entwicklung zugute kommen lassen.

Arnold Benz könnte einen Teil des Geldes gut gebrauchen. Die Verwerfungen auf den Finanzmärkten machen vor seiner Forschung nicht Halt. Für ein Projekt mit der Europäischen Raumfahrtagentur ESA hatte er vor einem Jahr Geld gesprochen erhalten – in Euro. Inzwischen ist dieser Betrag 30 Prozent weniger wert und hat das Budget des Projektes empfindlich geschmälert. Die Irrationalität der Finanzmärkte ist handfest im Leben angekommen.