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Er gehört in jedes Labor. Um Wasser zu destillieren, gebrauchen Chemiker den sogenannten Rotationsverdampfer, erfunden 1957 von der Firma Büchi im St. Gallischen Flawil. Der Apparat, Kostenpunkt rund 10'000 Franken, soll jedoch zunehmend auch bei Enthusiasten der molekularen Küche in Gebrauch sein und zudem lässt sich mit seiner Hilfe auch die «Bloody Mary Büchi» mixen.
750 Gramm Fleischtomaten waschen, allfällige Stiele entfernen und in einem Mixer sehr gut zu einer wässrigen Suspension verarbeiten. Mit einem Holzstampfer durch ein Sieb streichen, so dass Kerne und Hautanteile zurückbleiben. Dieser Rückstand wird verworfen. Der dünnflüssige Brei mit dem Fruchtfleisch kommt in einen 1-Liter-Rundhalskolben, der nur rund zur Hälfte gefüllt ist. Bei 30 Grad Celsius Heizbadtemperatur das Wasser am Rotationsverdampfer übertreiben, bis das Fruchtfleisch im Kolben eine schnittfeste Konsistenz erreicht hat. Selbst bei einem gutem Vakuum (entscheidend: < 10mbar!) sollten Sie dafür mindestens eine Stunde vorsehen.
Dann mit Hilfe eines Spatels das Tomatenmark aus dem Kolben entnehmen. Zu einem Esslöffel Mark geben wir einen Teelöffel klare Fleischbrühe und verrühren alles mit einem Esslöffel Wodka. Gut salzen, pfeffern und mit Worcester-Sauce abschmecken. In ein 25 Milliliter Becherglas (hohe Form) einen Teelöffel Eis vorlegen und mit der Mischung überschichten. «Bloody Mary Büchi» wird mit Mokkalöffeln aus den Bechergläsern genossen.
Als Alternative für Pressierte bietet sich die Variante «Schnelle Marie» an. Sie eignet sich auch gut dafür, das Warten am Rotationsverdampfer sinnvoll zu nutzen: Ein Esslöffel Tomatenketchup mit einem Esslöffel Eis und 2 Esslöffeln Wodka im Becherglas verrühren, kräftig salzen, fertig. Ergibt eine hervorragende Ausbeute, die selbst der Business Class vieler Airlines zu Ehre gereichte.
Für die Assistenten des Grundlagenpraktikums Chemie hat sich der schöne Brauch herausgebildet, einmal im Jahr mit Speis und Trank ihre Leistung zu würdigen. Dies ist das sogenannte «Assistentendankfest». Fester Bestandteil ist dabei die «Caiprinha Grundlagenpraktikum Chemie». Die üblichen Zutaten für eine Caipirinha sind Limetten, Chachaça, brauner Rohrzucker und Eis. Um die Säure der Limetten zu binden, sind grosse Mengen Rohrzucker nötig, die den Drink klebrig werden lassen. Er bleibt fast im Halse stecken und pappt an den Fingern. Also nichts für heisse Sommerabende.
Eleganter als mit Zucker ist die Variante mit flüssigem Süssstoff. Sie schmeckt genauso gut, hinterlässt aber nicht den klebrigen Nachgeschmack einer zu hohen Zuckerkonzentration. Eine ganze Limette halbieren und jede Hälfte nochmals vierteln. In einem 250 Milliliter Becherglas (niedere Form) mit einem Holzstampfer gründlich zerstampfen. Ein bis zwei Tropfen Caramel-Aroma zugeben und mit einem (bis anderthalb) Teelöffel Flüssigsüssstoff übergiessen. Vier Centiliter Chachaça dazugeben, gut umrühren und mit Crushed Ice auffüllen: Ergibt einen wunderbar erfrischenden und wohlschmeckenden Cocktail.
Beinahe eine Eintopfsynthese (wir müssen ein einziges Mal umfüllen) ist der «Laborschimmel», eine Abart des «White Russian Cocktails». Dazu benötigen wir einen gehäuften Teelöffel «Caotina blanc» (Achtung: das Pulver, und ja, es muss die Sorte «blanc» sein). Das Pulver zusammen mit 1 Deziliter Milch, 4 Centiliter feinem Gin (etwa «Bombay Sapphire») und 1 Esslöffel Eis im Shaker lange und kräftig schütteln.
Dann in ein Glas abseihen und eine Prise Muskatnuss darüber reiben. Unmittelbar vor dem Servieren einen kräftigen Schuss flüssigen Stickstoff unterrühren. Ergibt einen frischen Cocktail mit spektakulärem Auftritt, den man durch einen Strohhalm trinkt, sofern man das Glas in den Nebelschwaden findet. Statt Gin kann auch Wodka (wie im Original) eingesetzt werden. Der Autor empfindet den Geschmack dann aber eher fade.
Zu guter Letzt noch ein schönes Rezept für den Spätsommer, auch Semesteranfang genannt. Die Tage sind noch schön, aber bereits kürzer und es ist nicht mehr ganz so heiss. In ein Weissweinglas 2 grosse Eiswürfel geben, mit 2 Centiliter Crème de Cassis und 2 Centiliter Gin übergiessen. Mit 2 Deziliter trockenem, fruchtigen Weisswein (Fendant etwa passt hier ausgezeichnet) auffüllen. Einen Sprutz Zitronensaft und einen Apfelschnitz dazugeben. Erfrischt und schmeckt sehr gut und kommt leicht herber daher als ein Kir.
Doch nicht im Labor, sondern daheim auf der Terrasse oder auf der Bank am Bellevue am Seeufer, prosten Sie Ihrer Liebsten oder Ihrem Liebstem damit zu: Auf ein langes und gesundes Leben im Chemie-Labor!