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«Osterlachen»

Als die Osterpredigt zur Zoten-Drescherei verkam ...

Humor und Religion schliessen sich nicht aus, sagt der Theologe Pierre Bühler von der Universität Zürich. Bis ins 18. Jahrhundert war der Brauch des «Osterlachens» in Mitteleuropa verbreitet. Seit neuestem gibt es Bestrebungen, diese Tradition wieder aufleben zu lassen. 
Roland Gysin

Pierre Bühler, Sie sind Professor für Systematische Theologie an der Universität Zürich und befassen sich mit dem Thema «Religion und Humor». Weshalb wird in der Kirche kaum gelacht?

Pierre Bühler: Sie täuschen sich. Ostern steht vor der Tür. Christen feiern die Auferstehung von Jesus Christus, ein wunderbarer Grund, fröhlich zu sein.

Frohe Ostern: Seit dem Mittelalter gibt es den Brauch des «Osterlachens».

Humor und Religion haben die gleiche Einstellung. Sie erlauben uns, vom Alltag Abstand zu nehmen und das normale Leben kreativ aus einer anderen Perspektive zu betrachten. Daraus gehen wir gestärkt hervor.

Aus dem Mittelalter kennen wir den Brauch des «Osterlachens». Der Pfarrer brachte im Ostergottesdienst die Gemeinde zum Lachen, um auszudrücken, dass das Leben über den Tod und über den Satan gesiegt hatte.

In einigen Gegenden Mitteleuropas blieb dieser Brauch bis ins 18. Jahrhundert bestehen, geriet dann aber leider in Vergessenheit. Nicht zuletzt deshalb, weil Osterpredigten ausarteten und zu einer Zoten-Drescherei verkamen.

Seit neuestem jedoch gibt es, in Deutschland etwa, wieder Bestrebungen, das «Osterlachen» zum Leben zu erwecken. Ich hoffe, dass diese Botschaft auch in der Schweiz in die eine oder andere Osterpredigt einfliesst.

Religiöser Ernst und Humor stehen also nicht im Widerspruch zueinander?

Nein. Höchstens dann, wenn aus religiösem Ernst religiöser Fanatismus wird, und das kommt leider in jeder Religion vor.

Selbstverständlich gibt es im Christentum – wie auch in anderen Weltreligionen – ebenfalls eine Tendenz, die Humor und Lachen unter Strafe stellt und als Sünde brandmarkt.

Pierre Bühler: «Es gibt Ansätze, die darauf schliessen lassen, dass Jesus ein fröhlicher Mensch war.»

Wer Umberto Ecos Roman «Der Name der Rose» gelesen hat, weiss, was ich meine: Jorge von Burgos, der Bibliothekar in einer mittelalterlichen Benediktinerabtei irgendwo in Italien, ist überzeugt, dass das Lachen die Furcht tötet. Und weil es für Burgos ohne Furcht keinen Glauben geben kann, ist für ihn das Lachen des Teufels.

War Jesus ein fröhlicher Mensch?

Es gibt keine Bibelstelle, die eindeutig besagt, dass Jesus je gelacht hat. Aber es gibt Ansätze, die darauf schliessen lassen, dass er ein fröhlicher Mensch war.

In den Evangelien sitzt Jesus zusammen mit Zöllnern am selben Tisch. Sie essen und trinken Wein. Man kann sich gut vorstellen, dass es lustig zu und her ging. So sehr, dass gar geschrieben steht, Jesus sei «ein Fresser und Säufer» (Matthäus 11, 19).

Auch seine Predigt enthält viele Züge des Humors, etwa in seinen Gleichnissen.

Was tun, damit der Wunsch nach «frohen Ostern» nicht toter Buchstabe bleibt?

Warum nicht einen Ausflug nach Freiburg im Breisgau, nach Strassburg oder gar nach Paris in die Kathedrale Notre Dame machen und dort die unzähligen in Stein gehauenen grotesk-humoresken Umsetzungen biblischer Motive bestaunen?

Wer lieber zu einem Buch greift, lese das Kapitel über das «Osterlachen», in: «Lachen: Gottes und der Menschen Kunst» von Karl Josef Kuschel, einem katholischen Theologen aus Tübingen.

Und wer es deftig mag, schaue sich «Der Name der Rose» auf DVD an.

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