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«Unsere Meinung zählt»

Zehn Jahre Bologna – und was meinen die Studierenden dazu? Ein Gespräch mit Sylvie Fee Michel, der Präsidentin des Studierendenrates (StuRa), über Reform-Baustellen und studentische Einflussmöglichkeiten. 
David Werner

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Sylvie Fee Michel, Präsidentin des Studierendenrates (StuRa): «Im Bologna-System braucht es mehr Anreize für Studierende, sich hochschulpolitisch zu engagieren.»
Frau Michel, macht Ihnen Ihr Amt als StuRa-Präsidentin Freude?

Sylvie Fee Michel: Sehr sogar.

Ende Jahr treten Sie nach nur zwanzig Monaten bereits zurück, warum?

Sylvie Fee Michel: Ich muss mich mehr auf mein Studium konzentrieren, dazu brauche ich Zeit, die ich als StuRa-Präsidentin nicht habe. Aber der Abschied von der Studierendenpolitik fällt mir schwer.

In welche Richtung hat sich der StuRa in Ihrer Amtszeit bewegt?

Sylvie Fee Michel: Der StuRa war zeitweilig stark mit sich selbst beschäftigt. Jetzt haben wir den Blick wieder nach aussen gerichtet. Wir suchen vermehrt die Zusammenarbeit mit universitären Institutionen wie den Career Services, dem Rechtsdienst, der psychologischen Beratungsstelle.

Wie erfolgreich sind die Studierendenvertreterinnen und -vertreter darin, studentischen Anliegen Gehör zu verschaffen?

Sylvie Fee Michel: Wir haben in allen hochschulpolitisch relevanten Gremien ein Mitspracherecht, in diesem Punkt muss ich der UZH ein Kompliment machen. Zudem ist die Universitätsleitung an unserer Mitarbeit ausdrücklich interessiert. Unsere Meinung zählt.

Manche Studierende sagen, Mitarbeit in universitären Kommissionen lohne sich nicht, da man ohnehin überstimmt würde.

Sylvie Fee Michel: Klar kommt es vor, dass wir überstimmt werden. Kürzlich haben wir mit unserem Bestreben, die Modulbuchungsfristen zu verlängern, eine knappe Niederlage erlitten. Worauf es ankommt ist aber, dass wir in alle wichtigen Geschäfte und Kommissionen von Anfang an die Sichtweise der Studierenden mit einbringen. So können wir viel bewirken. Die Studierendenbefragungen zur Lehrqualität etwa, die seit diesem Semester regelmässig stattfinden, gehen auf einen Vorschlag der Studierenden selbst zurück. Ein anderes Beispiel: Ich habe in meiner Rede am letzten Dies academicus einige Kritik an der bisherigen Umsetzung der Bologna-Reform geübt. Als Reaktion darauf bekam ich wenige Tage später eine E-Mail des Bereichs Lehre, worin es hiess, dass die UZH als Diskussionsplattform zwischen Dozierenden und Studierenden einen «Tag der Lehre» organisieren will. Er wird demnächst, am 21. Oktober, stattfinden.

Ein Kennzeichen studentischer Hochschulpolitik sind die ständig wechselnden Gesichter. Leidet die Studierendenpolitik unter der hohen Fluktuation?

Sylvie Fee Michel: Man studiert eben nur eine begrenzte Zeit, daher die personellen Wechsel. In der Sache aber ist die Kontinuität gross. Ich tausche mich mit zweien meiner Vorgängerinnen regelmässig aus. Ich stelle fest, dass die Hauptthemen dieselben geblieben sind, etwa Chancengleichheit, breite Zugänglichkeit der Bildungsangebote, tiefe Studiengebühren.

In drei Sätzen: Welches ist Ihre Haltung zu Bologna?

Sylvie Fee Michel: Man soll das Rad nicht zurückdrehen. Die Reform ist eine Tatsache, aber die Umsetzung ist noch nicht befriedigend. Im Detail muss noch vieles verbessert werden, und dazu wollen wir konstruktive Beiträge leisten.

Welches sind für Sie die Hauptbaustellen der Studienreformen?

Sylvie Fee Michel: Erstens bestehen zwischen den Fakultäten noch zu grosse Unterschiede, was die geforderte Leistung pro Kreditpunkt anbelangt. Zweitens muss man wo immer möglich wegkommen von Multiple-Choice-Prüfungen. Und drittens halte ich das zeitliche Korsett der Modellstudienpläne für zu eng geschnürt. Um 30 Punkte im Semester zu schaffen, muss man rund 900 Stunden arbeiten, das entspricht fast einer Vollzeitstelle. Da bleibt zu wenig Zeit fürs Geldverdienen oder extracurriculare universitäre Engagements.

Studierende können die geforderten Leistungen auch über längere Zeiträume hinweg erbringen, sie brauchen nicht zwingend den Modellstudiengängen zu folgen.

Sylvie Fee Michel: Trotzdem orientieren sich viele Studierende daran. Sie wollen eben auf Nummer sicher gehen. Ich plädiere deshalb dafür, in den Wegleitungen auch alternative Modellstudiengänge mit 20 Punkten pro Semester aufzuführen, an die sich werktätige Studierende dann halten können.

Ist es im Bologna-System schwieriger geworden, Zeit für hochschulpolitisches Engagement zu erübrigen?

Sylvie Fee Michel: Eindeutig, allein schon der ständigen Prüfungen wegen. Deshalb müssen dringend Anreize dafür geschaffen werden, dass Studierende Mitverantwortung für die Universität übernehmen. Die Leistungen, die Studierende in Kommissionen, in Fachvereinen oder studentischen Medien erbringen, sollten mit ECTS-Punkten oder zumindest mit Einträgen im Transcript of Records belohnt werden. Es sollte anerkannt werden, dass man dabei wichtige überfachliche Kompetenzen erwirbt. Amerikanische Universitäten tun dies schon längst. Sie bringen damit auch eine Wertschätzung zivilgesellschaftlichen Engagements zum Ausdruck, die sich auf die gesamte Gesellschaft auswirkt. Wir haben mit Bologna ein angelsächsisch geprägtes Hochschulsystem übernommen, dabei aber genau dieses Element vergessen. Das sollten wir korrigieren.

Was halten Sie von der Idee, Social Credit  Points obligatorisch zu machen?

Sylvie Fee Michel: Die Universität Luzern hat dies eingeführt. Ich finde, damit schiesst man übers Ziel hinaus. Von Studierenden, die nur aus Pflicht und nicht aus Eigenmotivation Hochschulpolitik betreiben, ist kaum ein ernsthaftes Engagement zu erwarten.

Woher weiss der Studierendenrat, der ja alle Studierenden vertreten will, über die Anliegen jener Bescheid, die selbst nicht im StuRa oder in Fachvereinen aktiv sind?

Sylvie Fee Michel: Seit wir mit einem regelmässigen Newsletter-Versand begonnen haben, wissen viele Studierende, dass sie mit Fragen und Problemen an uns gelangen können. Es gab beispielsweise mehrere Fälle, in denen wegen Bologna bestimmte Haupt- und Nebenfachkombinationen nicht mehr möglich schienen. Oder wo ein Universitätswechsel zu scheitern drohte, weil Zeugnisse zu spät ausgestellt wurden. Bei solchen Problemen setzt sich das StuRa-Büro mit dem zuständigen Dekanat oder der Unileitung in Verbindung und sucht nach Lösungen.

Das klingt nach konkreter, pragmatisch ausgerichteter Sachpolitik. Welche Rolle spielen im StuRa noch die grossen bildungspolitischen Entwürfe?

Sylvie Fee Michel: Die konkrete, dienstleistungsorientierte Arbeit am Detail schliesst programmatische Konzepte nicht aus. Zum StuRa gehört nach wie vor eine bildungspolitische Kommission, die zu Themen wie Drittmittel, Wohnsituation oder Stipendienwesen Grundsatzpositionen erarbeitet.

Noch eine Frage zu Bologna: Vielfach wurde befürchtetet, Bologna bringe eine einseitige Ausrichtung des Studiums auf «Employability». Jetzt zeigen Umfragen, dass sich viele Bachelor-Studierende eine gezieltere Vorbereitung aufs Berufsleben wünschen. Was gilt denn nun?

Sylvie Fee Michel: Das Angst-Szenario einer Ökonomisierung des Studiums hat sich an der UZH zum Glück als unbegründet erwiesen. Die UZH ist weiterhin nicht einfach eine Ausbildungsstätte, sondern eine Forschungsuniversität. Bei Studienanfängerinnen und -anfängern beobachte ich, dass sie sich stark auf den Nutzwert des Studiums fixieren. Ihnen würde ich dringend raten, zunächst einmal getrost den eigenen Interessen zu folgen.

Weiterführende Informationen

Links

unijournal 5/09

Das Interview ist aus dem neuen unijournal übernommen worden. Thema der neuen uj-Ausgabe: «Hinaus in die Welt, Professur an einer ausländischen Universität.»