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Nightline Zürich

Am anderen Ende des heissen Drahts

Nightline Zürich ist ein unabhängiges Sorgentelefon von Studierenden für Studierende. Was motiviert die Telefonberaterinnen und -berater zu ihrem unentgeltlichen Engagement? Und was lernen sie dabei?
Claudia Porchet

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Studierende wählen die Nummer 044 633 77 77 der «Nightline Zürich» aus den verschiedensten Gründen: Manche benötigen Adressen von Wohnungsvermittlungen, andere wiederum erkundigen sich nach Partys und Prüfunsgsterminen oder wollen ganz schlicht eine Fahrplanauskunft. Um up to date zu sein, hat die Nightline Zürich, eine studentische Beratungs- und Informations-Hotline, eine Datenbank angelegt, die sie laufend mit Informationen sowie Namen von Kontaktnetzen, Anlauf- und Beratungsstellen speist und aktualisiert. An UZH und ETH gibt es Anlaufstellen für fast alle Belange – von Gleichstellungsfragen über Sicherheit auf dem Campus bis hin zu Bewerbungsschreiben. Die Nightline Zürich hat den Überblick.

Nightline-Mitorganisatorin Rebekka Geser.

Nightline Zürich ist aber auch für Studierende da, die gestresst oder überfordert sind und sich etwas von der Seele reden wollen. Die Gespräche werden anonym geführt. Erhält ein Nightliner einen Anruf, sieht er keine Nummer auf dem Display. Der Gesprächspartner kann also nicht geortet werden. Umgekehrt wissen aber auch die Anrufer nicht, wer am anderen Ende der Leitung sitzt. Sämtliche Gespräche werden vertraulich behandelt. Um unangenehme oder peinliche Situationen unter Kommilitonen zu vermeiden, geben sich Telefonisten und Telefonistinnen ausschliesslich untereinander zu erkennen.

Kurse bei der Dargebotenen Hand

Die meisten Anrufer nutzen den Infoservice der Nightline; die Nachfrage nach persönlichen Gesprächen ist dagegen deutlich kleiner. Akute Notsituationen sind sehr selten. Die Anzahl Anrufe insgesamt bewegt sich zwischen zwei und zehn pro Abend. Ohne Schulung werden keine Nightliner eingesetzt. Um auf Menschen in Not eingehen zu können, braucht es spezifische Kenntnisse in Gesprächsführung, welche die Dargebotene Hand jeweils zu Semesterbeginn vermittelt. Wer neu zum Nightline-Team stösst, hört vielleicht zum ersten Mal davon, wie man dem Anrufer vorurteilsfrei begegnen oder ihn als Partner akzeptieren kann. Wer schon länger mit dabei ist, übt ein weiteres Mal Rollenspiele. Ausgelernt habe man nie, auch wenn bekannte Themen zur Sprache kämen. «Jeder Anruf ist wieder anders. Auf unerwartete Gespräche kann man nicht genug vorbereitet sein», sagt eine Nightlinerin, die hier aus den erwähnten Gründen anonym bleiben muss.

Das Organisationsteam der Nightline sorgt dafür, dass regelmässig Supervisionen stattfinden. Die psychologische Beratungsstelle ist bei Bedarf zur Stelle. Supervisionen sind deshalb wichtig, weil Nightliner hier die Gelegenheit haben, mehr über das eigene Gesprächsverhalten zu lernen. Rebekka Geser, die zum Organisationsteam von Nightline gehört und nicht mehr beratend tätig ist – weshalb sie hier namentlich vorgestellt werden kann – , sagt: «Viele haben am Anfang das Gefühl, möglichst viel sprechen und gleich von Anfang an fertige Lösungen präsentieren zu müssen. Doch beim Simulieren von Gesprächssituationen lernt man, dass Pausen dem Anrufer Zeit und Raum geben, seine Anliegen zu formulieren. Und dass es wichtig ist, Lösungen gemeinsam zu entwickeln. Vorsichtiges Fragen nach dem Befinden kann Klarheit schaffen. Wenn es einem Anrufer sehr schlecht geht, versuchen wir Möglichkeiten zu finden, wie er den nächsten Tag angehen könnte.»

Gewissheit gibt es nie

Die Telefonberaterinnen und -berater können sich ausschliesslich akustisch orientieren, weshalb sie lernen, bereits aufgrund kleinster Signale – etwa einem Hüsteln oder Räuspern – zu reagieren. Eine weitere Schwierigkeit für die Nightliner besteht darin, dass sie stets im Ungewissen darüber bleiben, ob ihre Beratung ein Erfolg oder Misserfolg war. Mit der Zeit wachse jedoch das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten, sagt eine Nightlinerin dazu. «Ich weiss, dass ich Anrufern Sicherheit und ein Gefühl der Akzeptanz vermitteln und auch schwierige Themen auf eine gute Art ansprechen kann. Mit einer kleinen Restunsicherheit lernt man umzugehen.»

Engagement im Verborgenen

Rebekka Geser hat Medizin studiert. Ihre Erfahrungen, die sie als Nightlinerin gemacht hat, könne sie in einem Spital gut einbringen, sagt die 28-Jährige. Doch längst nicht alle Telefonistinnen und Telefonisten planen eine medizinische oder psychologische Laufbahn. Die rund vierzig Freiwilligen, die den Telefondienst untereinander aufteilen, stammen aus allen Fachrichtungen beider Hochschulen. Bei vielen steht das ehrenamtliche Engagement also in keinerlei Beziehung zu beruflichen Plänen.

Was motiviert Studierende, sich im Umgang mit Krisensituationen zu üben? Welchen Gewinn ziehen sie daraus, anderen zu helfen – wo sie doch für ihr Engagement weder Dank noch Anerkennung erhalten? «Zunächst einmal lernt man jedes Semester wieder nette Leute im Team kennen», sagt Rebekka Geser. «Wer sich engagiert, ist für gewöhnlich offen und interessiert sich für seine Kommilitonen. Die Stimmung ist dementsprechend gut.» Zudem steigere die Erfahrung, schwierige Gespräche bewältigen zu können, das Selbstvertrauen. Und auch die professionelle Distanz zum eigenen und fremden Gesprächsverhalten, die man sich bei Nightline aneigne, komme einem bei vielen Gelegenheiten wieder zugute.

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