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Über ihren Einsatz macht sich Romana Weber keine Illusionen: «Man muss realistisch sein, was wir bewirken können», sagt die 23-jährige Juristin in abgeklärtem Ton. Als Monitorin wird Weber während eines halben Jahres sämtliche Verfahren des Völkermordtribunals in Phnom Penh begleiten. Sie wird im Gerichtssaal Einsitz haben, wenn Opfer des Pol-Pot-Regimes in Testimonials über ihre traumatischen Erlebnisse berichten. Und sie wird auf allfällige Unregelmässigkeiten achten, auf die grassierende Korruption und auf Verfahrensmängel. Ihre Interventionsmöglichkeiten sind zwar stark begrenzt. «Bei Kritik riskiert man, sofort aus dem Land ausgewiesen zu werden. Aber wir signalisieren der Regierung mit unserer Präsenz: Die Welt schaut zu.»
Fast dreissig Jahre vergingen seit dem Ende des Schreckensregimes, bis sich Kambodscha an die Aufarbeitung seiner leidvollen Geschichte machte. Ein von den Vereinten Nationen unterstütztes Tribunal soll nun die fünf Hauptverantwortlichen für den Massenmord unter Pol Pot zur Rechenschaft ziehen. Ihr Wahnsinn hat zwischen 1975 und 1979 fast zwei Millionen Menschen das Leben gekostet, einem Viertel der Bevölkerung. Szenen aus der Hölle, geschrieben auf den dunkelsten Seiten der Geschichte. Mit den andauernden Verzögerungen mehren sich aber die Zweifel, ob das Sondertribunal überhaupt jemals in der Lage sein wird, seinen juristischen Beitrag zur nationalen Versöhnung zu leisten. «Da die meisten der Angeklagten über achtzig Jahre alt sind», so Weber, «gleichen die Prozesse einem Wettlauf gegen die Zeit.»
Dass die Universität Zürich am Monitoring- Programm des Sondertribunals beteiligt ist, geht auf die Initiative von Christine Kaufmann, Professorin für Staats- und Verwaltungsrecht sowie Europa- und Völkerrecht an der Universität Zürich, zurück. In den Genuss des – von den Reisenden selbst zu finanzierenden – Einsatzes kommen jedes Halbjahr zwei Zürcher Juristinnen und Juristen. Romana Weber ist eine der beiden jungen Frauen, die im Oktober oder Januar – sobald die Prozesse aufgenommen werden – als erste nach Kambodscha fahren können.
Eine zweiwöchige Vorbereitungsreise im Februar 2008 zusammen mit Sibylle Dischler, ebenfalls Assistentin an der Rechtswissenschaftlichen Fakultät, und Linus Sonderegger, Mitarbeiter am Max-Planck-Institut in Freiburg, erlaubte es ihr, sich ein Bild der Verhältnisse zu machen. Dabei erlebte sie, dass das Sondertribunal auf wenig Rückhalt zählen kann. «Auffallend war, dass sich der Gerichtssaal, in dem die Hauptverhandlungen stattfinden werden, noch immer im Bau befindet, obwohl die Prozesse gemäss Zeitplan bereits stattfinden sollten.» Vom mangelnden Willen der Regierung, die Geschichte aufzuarbeiten, zeuge auch die Lage der Gerichtsgebäude ausserhalb der Stadt, die fehlende Informierung der Bevölkerung und die Unterfinanzierung des Tribunals.
Auch brachten die Vorverhandlungen bereits zutage, dass die Prozesse aufgrund von Sprachproblemen – die kambodschanischen Anwälte sind des Englischen und Französischen kaum mächtig – nur schleppend vorangehen werden. Trotz ungewissen Verlaufs der Verhandlungen zweifelt Weber aber nicht am Erfahrungswert ihres Einsatzes. Der Austausch mit Mitarbeitenden des Gerichts und der beteiligten NGOs werde ihr zeigen, wie ein solcher Mammutprozess in der Praxis ablaufe – eine wertvolle Erfahrung auf dem Weg hin zu einer Tätigkeit im internationalen Bereich, wie sie Weber anstrebt. Zu diesen Erfahrungen wird auch das Anhören der erschütternden Testimonials der Opfer gehören. «Wir können dabei auf psychologische Unterstützung zählen. Wer das Völkermordmuseum in Phnom Penh gesehen hat, weiss, was für unsägliche Grausamkeiten wir hören werden.»