Navigation auf uzh.ch

Suche

UZH News

 

Schweizer Europa-Erfahrungen für die Ukraine

Die Erfahrungen der Schweiz in der Europapolitik stossen in der Ukraine auf reges Interesse. Das Europa Institut an der Universität Zürich brachte sie in eine europapolitische Studie des Razumkow-Centre in Kiew ein.
Nina Grolimund

Die Ukraine hat in den vergangenen zwei Jahren im Rahmen ihrer Annäherungspolitik an die Europäische Union (EU) grosse Fortschritte gemacht. Trotzdem wird das riesige, sich im Umbruch befindende Land in den kommenden Jahren noch einige «Hausaufgaben» in Angriff nehmen müssen, will es seinem Wunsch, der EU beizutreten, wirklich näher kommen. Zu diesem Schluss kommt eine vom «Ukrainian Centre for Economic & Political Studies» (auch bekannt als «Razumkov-Centre») in Kiew durchgeführte Studie.

Der Direktor Internationale Programme des Razumkov-Centres, Valeriy Chaly (ganz rechts) mit der EIZ-Delegation vor dem aufgefrischten «Züri-Tram»: (v.l.n.r.) Anton Killias, Vizepräsident des EIZ; Prof. Dr. Andreas Kellerhals, Direktor EIZ; lic.iur. Nina Grolimund, Wissenschaftliche Mitarbeiterin EIZ; Dr. Eric Honegger, Präsident des EIZ. Es fehlt auf dem Bild Mag. Florian Hanslik, Wissenschaftlicher Mitarbeiter EIZ.

Beteiligt an der Studie war auch das Europa Institut an der Universität Zürich als Partner der Direktion für Zusammenarbeit und Entwicklung (DEZA), das die Studie finanziell unterstützte. Eine Delegation des EIZ besuchte im Juli anlässlich der Präsentation der Studie die Ukraine und konnte sich in Gesprächen mit Wissenschaftlern und Politikern ein Bild über die aktuelle Situation machen.

Ziel: EU-Beitritt

Seit der Unabhängigerklärung 1991 streckt die Ukraine ihre Fühler in Richtung Europa aus. Mit dem Beitritt von Polen, der Slowakei und Ungarn im Jahr 2004 wurde das Land zudem unmittelbarer Nachbar der EU. Die Ukraine strebt eine EU-Mitgliedschaft an, die EU hingegen hat der Ukraine bisher keine solche Option eingeräumt. Allerdings schlossen die EU und die Ukraine neben einigen sektorspezifischen Abkommen in Bereichen wie Handel, Wissenschaft, Technologie und Nuklearenergie bereits 1998 ein Partnerschafts- und Kooperationsabkommen. Es bildet bis heute die Basis der Beziehungen zwischen der EU und der Ukraine.

Die Ukraine ist zudem Partnerstaat der «Europäischen Nachbarschaftspolitik». Sie zielt darauf ab, im «erweiterten europäischen Raum» Reformen voranzutreiben und die Grundsätze der Rechtsstaatlichkeit und der Demokratie zu gewährleisten, sowie Wohlstand, Stabilität und Sicherheit zu fördern. Auf der Grundlage des Partnerschafts- und Kooperationsabkommens vereinbarten die EU und die Ukraine im Jahr 2004 einen «Aktionsplan EU-Ukraine 2005 – 2007». Er sieht 44 prioritäre und sektorspezifische Massnahmen vor und hat insgesamt zum Ziel, die Rechtsgrundlagen der Ukraine an diejenigen der EU anzugleichen.Auf der Grundlage des Partnerschafts- und Kooperationsabkommens vereinbarten die EU und die Ukraine im Jahr 2004 einen «Aktionsplan EU-Ukraine 2005 – 2007». Er sieht 44 prioritäre und sektorspezifische Massnahmen vor und hat insgesamt zum Ziel, die Rechtsgrundlagen der Ukraine an diejenigen der EU anzugleichen.

Auf dem Weg zur Integration in die EU muss die Ukraine noch einige Hürden nehmen: Aussenministerium in Kiew.

Fortschritte in der Pressefreiheit

Die Umsetzung dieser Massnahmen ist noch nicht in allen Sektoren auf dem gewünschten Stand, wie sich anlässlich der Präsentation der Studie des «Razumkov-Centres» Anfang Juli in Kiew zeigte. Als ungenügend beurteilten die Experten insbesondere die Massnahmen im Kampf gegen die Korruption und zur Gewährleistung der Unabhängigkeit der Gerichte. Die Korruption stellt nach wie vor auf allen hierarchischen Ebenen in der Ukraine ein Problem dar. In den Bereichen Presse- und Redefreiheit seien hingegen bemerkenswerte Fortschritte erreicht worden, hielten die Experten fest.

Positiv ist insbesondere die öffentliche Meinung zu Europa, wie die Studie zeigt: Die ukrainische Bevölkerung befürwortet die Zusammenarbeit der Ukraine und der EU und wünscht sich, dass diese weiterhin verstärkt werden kann. Umfragen ergaben, dass die Mehrheit den Beitritt der Ukraine zur EU befürwortet.

Schweizer Erfahrungen

Die Schweiz ist wegen ihrer besonderen Situation gegenüber der EU für die Ukraine ein interessanter Partner in ihrem Annäherungsprozess. Das EIZ wurde deshalb eingeladen, um die europapolitischen Erfahrungen der Schweiz in die Studie einzubringen. Wichtiger Bestandteil der Zusammenarbeit waren gegenseitige Besuche in der Schweiz und der Ukraine. So konnte sich die ukrainische Delegation im Mai in Gesprächen mit Politikern auf Bundes- und Kantonsebene, aber auch mit Mitgliedern des Integrationsbüros und der EU-Vertretung in Bern einen Eindruck von der Europapolitik der Schweiz machen. Der Besuch bot den Ukrainern zudem einen Einblick in die föderalen und direktdemokratischen Strukturen der Schweizer Politik.

Föderalismus und Sprachenvielfalt

Das EIZ besuchte im März und erneut im Juli zum Abschluss der Studie die Ukraine. Bei der Präsentation der Ergebnisse erläuterte EIZ-Direktor Professor Andreas Kellerhals im Namen der Delegation vor den anwesenden Wissenschaftlern, Parlamentariern und Regierungsvertretern die schweizerisch geprägte Sicht noch einmal ausführlich. Dabei stiessen die Geschichte der Schweiz und ihre Erfahrungen als selbstgewähltes Nichtmitglied der EU sowie die Vor- und Nachteile der engen bilateralen Verknüpfung mit der EU auf breites Interesse. Ebenso interessiert waren die ukrainischen Partner aber auch am schweizerischen Föderalismus und dem Umgang mit der Sprachenvielfalt.

Schweizerische Unterstützung ist in der Ukraine aber nicht nur in der Europapolitik willkommen: Beim Besuch bei den städtischen Verkehrsbetrieben in der Stadt Vinnitsa traf die Zürcher Delegation auf gute alte Bekannte: Seit kurzem schmücken alte «Züri-Trams» das lokale Schienennetz. Die neu, aber immer noch zürcherisch blau-weiss, bemalten Trams wurden der Delgation mit sichtlichem Stolz vorgeführt.