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Was Menschen glücklich macht

Wir wären alle gerne glücklich. Doch was braucht es dazu? Den richtigen Lebensstil und einen guten Charakter, sagt der Psychologe Willibald Ruch. Und er weiss auch, wie man ihn trainieren kann.
Thomas Gull

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Was braucht es für ein gelungenes Leben? Und was macht uns glücklich? Diese Fragen haben sich in der Antike schon die griechischen Philosophen gestellt und zwei Antworten formuliert: Glücklich werde, wer die Lust maximiere und die Unlust minimiere, behaupteten die einen (Aristippos und Epikur). Glück sei nur durch einen tugendhaften Lebenswandel zu erreichen, befanden die anderen (Aristoteles).

Musizieren für einen guten Zweck: Die Heilsarmee sammelt Geld für Bedürftige. Sich in den Dienst einer höheren Sache zu stellen ist eine Möglichkeit, seinem Leben Sinn zu geben.

Mittlerweile beschäftigt die Frage nach dem guten Leben nicht mehr nur die Philosophen, sondern auch die Psychologen, genauer die Positive Psychologie. «Wir wollen wissen, was Menschen tatsächlich glücklich macht», erklärt Willibald Ruch, Professor für Persönlichkeitspsychologie und Diagnostik an der Universität Zürich. Ruch arbeitet eng mit den beiden amerikanischen Pionieren der Positiven Psychologie, Martin Seligman und Christopher Peterson, zusammen und macht in der Schweiz, Österreich und Deutschland gross angelegte Studien, deren Ergebnisse in gemeinsame Publikationen mit den beiden Amerikanern einfliessen.

Drei Wege zum Glück

Die Positive Psychologie hat den beiden Wegen zum Glück der Griechen einen dritten hinzugefügt – das «engagierte Leben». Die Psychologen unterscheiden zwischen drei Lebensstilen: dem an Genuss und Vergnügen orientierten «pleasant life» (Hedonismus); dem «meaningful life», das der Sinnsuche gewidmet ist, und dem «engaged life», bei dem es darum geht, das eigene Potenzial zu verwirklichen.

Doch wie lässt sich das Glück empirisch eruieren? Die Positive Psychologie hat drei Befragungsinstrumente entwickelt, mit denen die Lebenszufriedenheit, die individuelle Ausprägung der Lebensstile, die zu einem glücklichen Leben beitragen, und die Charakterstärken gemessen werden können.

Wie erste Studien aus den USA und der Schweiz belegen, gibt es tatsächlich eindeutige Beziehungen zwischen bestimmten Charakterstärken und der Lebenszufriedenheit. Das heisst, wer über gewisse charakterliche Merkmale verfügt, ist zufriedener mit sich und der Welt. In den USA tragen Tatendrang, Hoffnung, Liebe, Dankbarkeit und Neugierde besonders zur Lebenszufriedenheit bei. In der Schweiz steht die Hoffnung an erster Stelle, gefolgt von Tatendrang, Ausdauer, Liebe und Neugierde. Eine wichtige Rolle spielt in Europa auch der Humor, der auf Platz sieben liegt.

Auf allen drei Hochzeiten tanzen

Doch nicht nur der Charakter beeinflusst die Lebenszufriedenheit, sondern auch die Lebensstile. Aber, wer ist nun glücklicher – die Hedonisten, die Sinnsucher oder die Selbstverwirklicher? Wie die Forschung zeigt. ist am zufriedensten, wer ein «full life» lebt und auf allen drei Hochzeiten gleichzeitig tanzt. Denn alle drei Lebensstile tragen zur Zufriedenheit bei und sie kumulieren sich.

Singen macht glücklich: Wer sich wie die Heilsarmisten für eine gute Sache engagiert, ist zufriedener mit dem eigenen Leben.

Es gibt allerdings auch Unterschiede: «Am meisten trägt das engagierte Leben zur Lebenszufriedenheit bei», erklärt Willibald Ruch, «an zweiter Stelle kommt in Europa der Hedonismus, während es in den USA das «meaningful life» ist.

Stärken fördern

Doch wozu dient das Ganze? Ist es nicht ein wenig frivol, wenn sich Psychologen mit der Suche nach dem Glück beschäftigen, statt mit der Erforschung und Therapie psychischer Erkrankungen? Ganz und gar nicht, findet Ruch: «Zum Leben des Menschen gehören nicht nur die psychischen Krankheiten, mit denen sich die Psychologie lange Zeit vor allem beschäftigt hat, sondern auch positive Aspekte wie Stärke, Wachstum, Glück oder Kreativität.»

Die Positive Psychologie definiert sich als Gegenpol zu den an den Defiziten orientierten Ansätzen, wie sie in der Psychopathologie, aber auch der Diagnostik lange Zeit vorherrschten. Statt nur zu flicken, was bereits kaputt ist, fördern die Positiven Psychologen die Stärken. Das sei die beste Prävention gegen mentale Krankheiten, war der Gründervater der Positiven Psychologie, Martin Seligman überzeugt.

Den Charakter trainieren

«Durch gezieltes Training können wir nicht nur die Muskeln stärken, sondern auch unsere Lebenszufriedenheit verbessern», ist Ruch überzeugt. «Es lohnt sich, den guten Charakter zu kultivieren, weil er zum guten Leben beiträgt.» Deshalb hat er Charakter- Trainingsprogramme entwickelt, die jetzt getestet werden.

Wie Studien zeigen, funktioniert das Charaktertraining tatsächlich: «Wenn wir uns beispielsweise jeden Abend einen Moment Zeit nehmen, um uns zu überlegen, was uns an diesem Tag Gutes passiert ist, verändert das unser Lebensgefühl nachhaltig.» Denn in der Regel beschäftigen wir uns vor allem mit Dingen, die uns ärgern, und übersehen dabei das Positive. Und wenn wir bewusst freundlich und dankbar sind, begegnen uns die anderen Menschen in der Regel auch freundlicher, was zu unserem Wohlbefinden beiträgt. Das Wichtigste aber ist, seine eigenen Stärken zu kennen und sie gezielt einzusetzen.

«Es lohnt sich, den guten Charakter zu kultivieren, weil er zum guten Leben beiträgt.» Der Psychologe Willibald Ruch erforscht, was Menschen glücklich macht.

Neben dem individuellen Training hat Willibald Ruch auch die Schulen im Visier. Dort könnte das Fundament für ein zufriedenes Leben gelegt werden, was im Moment aber nicht der Fall sei: «Es ist erstaunlich, dass von den fünf für das Lebensglück wichtigsten Stärken aus dem Bereich Weisheit und Wissen nur die Neugierde ganz weit vorne rangiert.» Die vier anderen – Kreativität, geistige Aufgeschlossenheit, Liebe zum Lernen und Weisheit – sind unter ferner liefen platziert.

Gescheit und unglücklich?

Ruch hat daraus seine Schlüsse gezogen: «Die Schule vermittelt Wissen, das die Menschen nicht glücklich macht. Deshalb sollte man sich überlegen, ob nicht andere Themen ins Curriculum aufgenommen werden könnten, die den Menschen helfen, ein glücklicheres und zufriedeneres Leben zu führen. Die Frage ist, ob wir gescheite unglückliche oder gescheite glückliche Menschen wollen.»

Willibald Ruch kann sich vorstellen, dass man für die Schweiz zumindest einzelne Unterrichtsmodule entwickeln könnte, die Kindern helfen, ihre eigenen Stärken zu erkennen und einsetzen: «Wenn ich weiss, wer ich bin und was ich will, bin ich nicht mehr so leicht beeinflussbar, etwa durch die Werbung. Wir müssen das Bewusstsein schaffen, dass man sich selber durchs Leben steuern kann und nicht nur in der Masse mitläuft.» Die Positive Psychologie könnte dazu beitragen, dass wir uns und unsere Stärken besser kennen und darauf vertrauen. Vielleicht ist das tatsächlich der Schlüssel zu einem glücklicheren Leben.