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Die Biologie des Vaters

Was haben Mistkäfer, Stichling, Amsel und Schakal gemeinsam? Die Väter kümmern sich um die Kinder. Welche Vaterschaftskonzepte es sonst noch im Tierreich gibt, zeigt das neu erschienene Buch «Die Biologie des Vaters» des Biologen Carsten Schradin vom Zoologischen Institut der Universität Zürich.
Brigitte Blöchlinger

Hat väterliches Verhalten bei Tier und Mensch untersucht: Dr. Carsten Schradin vom Zoologischen Institut der Universität Zürich.

So mancher Menschenmann macht lieber Überstunden im Büro, als zu Hause die Kinder zu pflegen und hegen. Solche Abneigung gegen die «Brutpflege» wird gerne mit der Stammesgeschichte erklärt, schliesslich seien die Neandertaler ja auch Jäger und für die Aussenwelt zuständig gewesen. Überzeugt der Hinweis auf die Vorfahren nicht, wird die Biologie bemüht: Auch im Tierreich sei ein richtiges Männchen vor allem dazu da, Vater zu werden und nicht Vater zu sein.

Doch wie immer ist es nicht ganz so einfach. Der Biologe Dr. Carsten Schradin, seit 2006 am Zoologischen Institut der Universität Zürich, gibt in seiner neu erschienenen Publikation «Die Biologie des Vaters» (Filander Verlag, Fürth, 2007) einen tiefen Einblick in die verschiedenen Formen des Vater-Werdens und -Seins bei Tieren (und im letzten Kapitel auch beim Mensch). Er geht dabei von so grundlegenden Fragen wie «Was ist ein Männchen?» aus und nähert sich Schritt für Schritt den unterschiedlichen Arten väterlicher Fürsorge im Tierreich. Anschaulich und unterhaltsam beschreibt er die zahlreichen Varianten, was Tierväter alles für ihre Brut tun; das Spektrum reicht dabei von den monogamen, fürsorglichen, familienbezogenen Weissbüscheläffchen aus Brasilien, die ihre Kinder tragen, wärmen, füttern und mit ihnen spielen, bis zu den Würmern, deren Sozialverhalten sich auf die Paarung beschränkt.

Sorgen sich bis zur Selbstaufgabe um ihren Nachwuchs: Weissbüscheläffchen gehören zu den guten Vätern im Tierreich.

Gene, Hormone, Sozialsystem

Väterliches Verhalten unterliegt wie alles dem Wandel. Die Striemengrasmaus-Männchen zum Beispiel sind in Namaqualand fürsorgliche Väter, in Grasländern nicht. Als Biologe erklärt das der Autor Carsten Schradin mit den Gesetzmässigkeiten der Evolution: am einen Ort hat monogames väterliches Verhalten den grössten evolutiven Erfolg (indem es möglichst viele Nachkommen ermöglicht), am andern Ort ist das ungebundene Herumstreunen von Weibchen zu Weibchen erfolgreicher. Die Umstände bestimmen neben den Genen und den Hormonen sehr stark mit, ob und wie stark ein Männchen väterliches Verhalten an den Tag legt. Fürsorgliche Väter sind vor allem in Sozialsystemen begünstigt, wo Männchen nicht nach Weibchen suchen müssen oder wo die Weibchensuche sinnlos ist, hat Schradin herausgefunden.

Nicht nur wie sich das Sozialsystem einer Art entwickelt und verändert, hat einen grossen Einfluss auf die Art, wie Männchen und Weibchen mit ihren Jungen umgehen. Auch die frühen Erfahrungen der einzelnen Individuen spielen eine wichtige Rolle – «bei Wühlmäusen ist es zum Beispiel von grosser Wichtigkeit, ob ein Männchen selber positive Erfahrungen mit dem Vater gemacht hat oder nicht», so Schradin.

Striemengrasmäuse sind je nach Umgebung mal fürsorgliche, mal uninteressierte Väter.

Wie man ein guter Vater wird

Damit ein Männchen ein guter Vater wird, hängt also von vielerlei Faktoren ab, schlussfolgert Carsten Schradin gegen Ende seines Buches «Die Biologie des Vaters»: von der Stammesgeschichte seiner Art, vom Genpool der Vorfahren, von deren Verhalten und Umwelt, von der individuellen Entwicklung jedes Einzelnen, seinen Erfahrungen, seinen Hormon- und Gen-Konstellationen und von den Reizen, die sein Gehirn im Laufe seines Lebens erfährt. – Eine komplexe Angelegenheit also. Und eine, die es dem eingangs erwähnten Menschenmann auch in Zukunft nicht einfach macht, sich mit dem Verweis auf «die Biologie» um das Hegen und Pflegen des Nachwuchses zu drücken.

 

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