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Eine ist schöner als die andere. Die drei Krippen der Stiftung kihz, die im Jahr 2006 eingerichtet wurden, sind auf je eigene Weise kindgerecht gestaltet. In der Kinderkrippe «kihz Wolfbach» beispielsweise hat die Architektin Tilla Theus aus dem Keller des ehemaligen Schulhauses Wolfbach eine kinderfreundliche Oase geschaffen – mit Bogengängen und Fensternischen in satten hellen Farben. Im Hof gibt es alte Bäume und eine grosse Rasenfläche. Prima zum Toben.
Doch mit den schönen Räumlichkeiten allein ist es nicht getan. Ria-Elisa Schrottmann und Sergio Tassinari, das Geschäftsleitungsteam der kihz, proben gleichzeitig mit den drei Krippen einen neuen pädagogischen Ansatz. Gestern stellten sie an der offiziellen Einweihung das neue Modell vor.
Worin besteht nun das Modellhafte? Heute sind in der Regel Kindergruppen in Krippen vom Säugling bis zum Sechsjährigen zusammengesetzt. Das ist der «normalen» Familiensituation abgeschaut und gilt seit den 60er Jahren als die «natürlichste» Gruppenzusammensetzung. Die kihz setzt die Kinder in ihren neuen Krippen nicht mehr nach dem Familienprinzip zusammen, sondern teilt sie in zwei Altersgruppen ein: in der einen sind Säuglinge bis Dreijährige, in der anderen die Drei- bis Sechsjährigen. Zwischen den Gruppen gebe es regelmässige Kontakte. «Sie fahren zusammen wie ein Tandem», sagt Tassinari.
Die Gruppe der Älteren sind in einem Tageskindergarten untergebracht und erhalten Kindergartenunterricht. Die Kinder können dabei individuell - je nach Entwicklungsstand - in die Kindergartengruppe wechseln. «Den Einstieg möchten wir den Kindern so leicht wie möglich machen, indem wir gewährleisten, dass durch Besuche und gemeinsame Ausflüge alle Kinder miteinander bekannt sind. Zusätzlich lernen sie alle Betreuerinnen und Kindergärtnerinnen kennen.
Die Differenzierung nach Altersgruppen hat auch für die Kleinsten Vorteile, denn neueste Forschungen belegen, dass Babys die Gesellschaft Gleichaltriger schätzen. So können sie durchaus schon miteinander kommunizieren und voneinander profitieren. Professor Reinhard Fakte vom Pädagogischen Institut der Universität Zürich konnte belegen, dass in altersgemischten Gruppen die Säuglinge häufig weniger von der Gruppenzusammensetzung profitieren als die älteren Kinder. Nachteilig für die Babys sei in altersgemischten Gruppen auch, dass die Betreuerinnen sich mehr um die quirligen Älteren kümmern müssen. Der Glaube, dass die Babys in ihren Sitzen mit Schauen genug beschäftigt seien, müsse revidiert werden, so Fatke.
Für die Betreuung der ganz Kleinen, das heisst von Kindern bis zu einem Jahr, bietet die kihz eine neue Dienstleistung an. Da in den Krippen nur wenige Plätze für diese Altersgruppe zur Verfügung stehen, können Eltern als Überbrückung ihren Säugling zu Hause durch von kihz angestellte Kleinkinderzieherinnen betreuen lassen. Diese «Nanny» besucht mit dem Kind so häufig die Krippe, in die es im Alter von einem Jahr überwechselt, dass dem Kind beim Wechsel die Umgebung der Krippe vertraut ist. «Dieses Modell der Familienkrippe hilft Eltern von Säuglingen, die keinen Krippenplatz erhalten haben und gewährleistet gleichzeitig eine professionelle Betreuung.», sagt Sergio Tassinari. Aber auch dieses Angebot ist zunächst auf wenige Kinder beschränkt.
Ein anderes Handlungsfeld der kihz ist die Weiterbildung der Betreuerinnen, bei denen die Kinder in den ersten Lebensjahren viele Stunden verbringen. «Die Berufslehre reicht nicht aus», sagt Ria-Elisa Schrottmann. «Ansprüche an Professionalität in dieser Tätigkeit müssen überhaupt erst entwickelt werden.» Deshalb setzt die kihz auf interne Ausbildung. Sie orientiert sich dabei am Ansatz von Emmi Pikler, einer ungarischen Ärztin und Kinderpsychologin, die in den 30er Jahren des letzten Jahrhunderts in Kinderheimen praktiziert hat. «Zwar gibt es neuere wissenschaftliche Untersuchungen über die Bedürfnisse und die Entwicklung von Säuglingen und Kleinkindern, auf eine daraus abgeleitete Handlungsanleitung für die Krippen können wir uns aber nicht stützen, es gibt sie nicht.», sagt Ria-Elisa Schrottman.
«Es fehlt an Wissenschaftlern, die uns Talent und Fähigkeiten der kleinkindlichen Naturforscher im richtigen Licht zeigen. Dabei zeigt die Hirnforschung, dass wir alle am Anfang des Lebens – aus gutem Grund – höchst anspruchsvoll sind», meint Sergio Tassinari. Dass das Padägogische Institut sie mit ihrer Forschung unterstütze, sei deshalb sehr willkommen.
Was Not tue, meint Ria-Elisa Schrottmann, sei ein neues Forschungs-, Handlungs- und Aufklärungskonzept. Es würde möglichst schnell Missverständnisse ausräumen und den Blick auf die ersten Lebensjahre verändern.