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Gemeinsam für das Gesundheitswesen

Sie pflegen ihre dementen Eltern, besuchen Betagte im Altersheim oder besorgen für die verunfallte Nachbarin den Haushalt. Diese Laien leisten für das Gesundheitswesen in der Schweiz vielfältige Dienste. Am Mittwoch ging eine Tagung an der Universität Zürich dem Verhältnis zwischen Laien und Professionellen nach.
Adrian Ritter

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Freiwillige im Einsatz - beim Schweizerischen Roten Kreuz sind rund 13`000 Personen regelmässig im Fahrdienst und für Besuche und Begleitungen unterwegs.

Die Schweizerische Gesellschaft für Gesundheitspolitik (SGGP) hat den «Arbeitsplatz Gesundheit» zu ihrem Jahresthema gewählt. Rund 1,3 Mio. Menschen seien direkt oder indirekt im Gesundheitswesen beschäftigt und die Professionalisierung gehe weiter, sagte Christine Egerszegi-Obrist als Präsidentin der SGGP zur Begrüssung.

Andererseits könne das Gesundheitswesen «nicht so funktionieren, wie es heute funktioniert, gäbe es nicht die Laien und Freiwilligen, die einen Beitrag leisten». Andreas Bircher, Leiter Beratung beim Schweizerischen Roten Kreuz, schätzt die Wertschöpfung der Freiwilligen im Gesundheitswesen auf jährlich rund 10 Mrd. Franken.

Genug Freiwillige für die Zukunft?

«Ohne Freiwillige geht’s nicht», betonte auch Brigitte Garessus, Präsidentin des Schweizerischen Berufsverbandes der Pflegefachfrauen und Pflegefachmänner (SBK) Sektion beider Basel: «Aber werden wir angesichts der demographischen Alterung genügend Freiwillige haben?». Myrta Welti, Zentralpräsidentin der Schweizerischen Alzheimervereinigung, macht sich diesbezüglich wenig Sorgen: «Da die Lebenserwartung steigt, gibt es auch mehr pensionierte Menschen, unter denen sich Freiwillige finden lassen.»

Ohne Freiwillige und Angehörige funktioniert das Gesundheitswesen nicht, sie sollen aber nicht eingesetzt werden, um Personal einzusparen. Fachpersonen aus dem Gesundheitswesen am Podiumsgespräch anlässlich der SGGP-Tagung über das Verhältnis von Professionellen und Laien.

Wenn der Status mitspielt

Dass die Zusammenarbeit von Freiwilligen und Professionellen klappt, ist allerdings nicht selbstverständlich, darin waren sich die rund 200 Fachpersonen aus Spitex, Spital, Heim und Pflegeschulen an der Tagung einig. Die verschiedenen Tätigkeiten und Angebote im Gesundheitswesen seien noch zuwenig vernetzt und die Kommunikation nicht immer ideal.

Silvia Müller, Leiterin des Freiwilligendienstes von zwei Spitälern in Münsterlingen, sieht die Ursache in den «Statusunterschieden» zwischen den Akteuren: «In unserem Spital bespricht der Chefarzt Fragen auch direkt mit den Freiwilligen, das fördert den Kontakt.»

Einig war man sich, dass Freiwillige nicht eingesetzt werden sollen, um Stellen beim Personal einzusparen. Für Silvia Müller sind die Freiwilligen «nice to have - wie das «Schüümli auf dem Kaffee».

Umkämpftes Territorium

Etwas anders gelagert sind die Fragen beim Verhältnis von Professionellen und Angehörigen. Hanne Sieber von der Vereinigung «Kind+Spital» erläuterte dies am Beispiel von Eltern, deren Kind einen Spitalaufenthalt benötigt.

«Früher durfte man das eigene Kind nicht einmal wickeln, wenn man es im Spital besuchte», so Sieber. Auch heute sei es nicht in jedem Spital selbstverständlich, dass Eltern bei ihrem Kind übernachten können. «Die Pflegenden sind zwar Experten in ihrem Beruf, wir Eltern sind aber Experten für unsere Kinder». Beide Seiten müssten in diesem «Territorialkampf» bemüht sein, eine gute Gesprächskultur zu entwickeln, wobei in den letzten Jahren durchaus auch Fortschritte erzielt worden seien.

Peter Studer warb als Kinder- und Jugendpsychiater am Kinderspital Zürich für Verständnis für die Situation der Pflegenden. Eine überfüllte Notfallstation erschwere bei gleichzeitig begrenzten Personalressourcen die Kommunikation. Auch die Rahmenbedingungen für die Pflege gelte es daher zu verbessern.

Angehörige sind Alltagsexperten und brauchen individuelle Unterstützung: Iren Bischofberger, Pflegewissenschaftlerin am Weiterbildungszentrum für Gesundheitsberufe (WE`G).

Die Alltagsexperten entlasten

Mehrfach wurde an der Tagung betont, wie wichtig es sei, die Angehörigen selber zu unterstützen, nicht zuletzt mit freiwilligen Helfern. Gemäss Iren Bischofberger, Pflegewissenschaftlerin am Weiterbildungszentrum für Gesundheitsberufe (WE`G), sind pflegende Angehörige «Alltagsexpertinnen», die gerade bei chronischen Krankheiten umfangreiche Arbeitsbereiche übernehmen, worunter dann nicht selten die eigene Gesundheit leide. Angehörige brauchen deshalb vielseitige, auf ihre individuelle Situation angepasste Unterstützung wie etwa Schulung oder Selbsthilfegruppen.

Christine Egerszegi-Obrist forderte zum Abschluss der Tagung einen Wertewandel: «Wir sollten anerkennen, wie jemand eine Tätigkeit macht und nicht nur, welche Stellung er dabei hat.»