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Konkurrenzkampf unter Pollen

Wie das mit den Bienen und den Blumen so ist, weiss jedes aufgeklärte Kind. Doch wenigen ist bekannt, dass ein Pollenkorn bis zur Befruchtung einen weiten Weg zurücklegen und gegen viele andere Pollenkörner ankommen muss. Der Pflanze, die sich ihre Bestäuber ja nicht aktiv aussuchen kann, gibt dies die Möglichkeit, Pollenkörner mit nachteiligen Mutationen zu eliminieren.
Petra Bättig-Frey

Die Biologin Giorgina Bernasconi (links) und ihre Doktorandin Daniela Lang untersuchen die Auswirkungen derPollenkonkurrenz auf die Fitness einer Pflanze.

Nach der Bestäubung der Narbe einer Blüte bildet das Pollenkorn einen Pollenschlauch, welcher durch den Stempel der Pflanze zur Samenanlage wächst. Dort findet die Befruchtung der Eizelle statt. Natürlich werden die meisten Blüten nicht von einem einzelnen Pollenkorn bestäubt, sondern von vielen konkurrierenden Pollenkörnern gleichzeitig. Was passiert den Pollenkörnern nun auf dem Weg zur Eizelle? Hat diese Pollenkonkurrenz einen Einfluss auf die Zahl und die genetische Vielfalt der Nachkommen, also auf die Fitness einer Pflanze? Kann der weibliche Teil der Pflanze zum Beispiel nah verwandte Pollenkörner aktiv zurückhalten, um so Inzucht zu vermeiden? Diese Fragen möchten die Evolutionsbiologin Dr. Giorgina Bernasconi vom Institut für Umweltwissenschaften und ihre Doktorandin Daniela Lang anhand zweier verschiedener Blütenpflanzen beantworten.

Nach der Bestäubung der Narbe wächst ein Pollenschlauch durch den Stempel bis zur Samenanlage der Blüte, wo die Befruchtung der Eizelle stattfindet.

Mutationslast vermindern

Pollenkörner enthalten nur einen Satz Gene. Deshalb wirkt sich ein Defekt in einem aktiven Gen direkt aus, da das Protein, welches von diesem Gen gebildet werden sollte, nicht oder nur fehlerhaft produziert wird. Dies kann die Konkurrenzfähigkeit des Pollenkorns negativ beeinflussen und es sogar von der einmaligen Chance des Befruchtens ausschliessen. Theoretisch kann die Pflanze so bereits vor der Befruchtung nachteilige Mutationen effizient aussondern. Das Forschungsprojekt untersucht diesen Mechanismus bei der Grossblütigen Brunelle und der Weissen Waldnelke. Anhand genetischer Analysen der Pflanzenachkommenschaft soll herausgefunden werden, wie viele unterschiedliche Väter zur Befruchtung gelangten.

Die beiden Untersuchungsobjekte im Gewächshaus: Grossblütige Brunelle (Prunella grandiflora, links) und Weisse Waldnelke (Silene alba).

Inzucht vermeiden

Pflanzenzellen enthalten - mit wenigen Ausnahmen wie beispielsweise des Pollenkorns - jeweils zwei Versionen eines bestimmten Gens: Eines von der Mutter und eines vom Vater. Falls ein Gen defekt ist, hat dies meist noch keinen Einfluss auf die Fitness einer Pflanze. Das korrekte Protein kann dann mit Hilfe des anderen Gens gebildet werden. Bei Inzucht, welche in kleinen Populationen häufig ist, werden nahe verwandte Pflanzen gepaart. Diese weisen oft Mutationen in den gleichen Genen von Vater und Mutter auf. Für sich alleine wirken sich diese Genveränderungen nicht negativ aus. Doch falls solche Mutationen in einer Tochterpflanze zusammentreffen, kann das entsprechende Protein nicht mehr gebildet werden. Je nach betroffenem Protein hat dies negative Konsequenzen. Gelegentlich folgt daraus eine Abnahme der Überlebensfähigkeit und Fortpflanzungsmöglichkeit bei den Nachkommen, was als «Inzuchtdepression» bezeichnet wird.

Selektion vor der Befruchtung

Giorgina Bernasconi untersucht in ihrer Arbeit, ob Pflanzen mit Pollenkonkurrenz und Selektion vor der Befruchtung Inzucht vermeiden können, zum Beispiel indem nah verwandter Pollen beim Weg durch den Stempel behindert wird. Dies wäre vor allem inkleinen Populationen, wo die gleichen Mutationen oft mehrmals vorhanden sind, wichtig. Solche Populationen sind wegen Inzuchtdepression stark bedroht.

Vaterschaftsanalysen

Die Vaterschaft der Nachkommenspflanzen in natürlichen Populationen unterschiedlicher Grösse wird mit Hilfe von Mikrosatellit-DNA-Markern untersucht. Dies ist eine molekulare Methode, die auch bei menschlichen Vaterschaftstests angewandt wird.

Dank genetischen Analysen der Nachkommenschaft einer Pflanze ist es möglich, zu bestimmen, wie viele unterschiedliche Väter zur Befruchtung gelangen.

Seit November 2002 wird in Zusammenarbeit mit einer Spin-off-Firma des Institutes für Umweltwissenschaften, der EcoGenics GmbH, nach geeigneten Markern gesucht. Für eine der untersuchten Arten sind solche Marker dank der Zusammenarbeit mit Dr. Alex Widmer von der ETH Zürich zum Teil bereits vorhanden. Gleichzeitig hat die Doktorandin Daniela Lang die Blüten der beiden Untersuchungsobjekte Grossblütige Brunelle (Prunella grandiflora)und Weisse Waldnelke (Silene alba)daraufhin beobachtet, wann und wie lange diese befruchtungsfähig sind. Nun, da die Blumen auch im Feld blühen, hat sie an verschiedenen Standorten in der Schweiz geeignete Populationen für Freilandstudien ausgewählt.

Als Zoologin in der Botanik tätig

Über den Beitrag aus dem Forschungskredit der Universität Zürich ist die Projektleiterin Giorgina Bernasconi sehr froh. Von Vorteil seien die einfachen Bewerbungsmodalitäten gewesen: «Beim Forschungskredit hatte ich den Mut, als Zoologinein botanisches Projekt einzureichen.» Als das bewilligt wurde, fühlte sie sich motiviert, auch beim Nationalfonds einGesuch einzureichen - mit Erfolg.

Als Evolutionsbiologin interessiert sich Frau Bernasconi insbesondere dafür, zu welchen Anpassungen ähnliche Prozesse bei unterschiedlichen Organismengruppen führen - sei es nun bei Pflanzen oder Tieren. Dazu hat sie im letzten Februar eine internationale Konferenz organisiert, wo sich Botaniker und Zoologen aus diesem Forschungsgebiet austauschen konnten und dabei überraschend viele Gemeinsamkeiten fanden.

Forschung und Nachwuchsförderung

Diese internationalen Gesprächspartner, aber auch die Freiheit, interessante Fragen selber zu erforschen, und nicht zuletzt die Schönheit der Natur motivieren Giorgina Bernasconi bei ihrer Arbeit. Obwohl sie mit Daniela Lang bereits eine Doktorandin betreut und bald noch zwei weitere hinzukommen, möchte sie auch weiterhin selber Projekte verfolgen. Und so dem akademischen Nachwuchs Mut machen, eigenen Ideen nachzugehen.

Weiterführende Informationen

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