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ERC Grants

Die Erfolgsstory geht weiter

Forschende der UZH haben aus der letzten Ausschreibung fünf der begehrten ERC Advanced Grants erhalten. Der Europäische Forschungsrat ermöglicht seit zehn Jahren exzellente Forschung in grossem Stil. Die UZH profitiert besonders davon.
Fabio Schönholzer, Stefan Stöcklin

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Machen Forschung möglich: Die hoch dotierten ERC Grants haben der UZH in den vergangenen zehn Jahren rund 114 Millionen Franken gebracht.

 

Wieder kann die UZH im Hinblick auf die europäischen Forschungs-Grants einen Erfolg verzeichnen: Fünf Forschende erhalten je einen ERC Advanced Grant. Die mit je 2.5 Millionen Euro dotierten Förderbeitrage des Europäischen Forschungsrats gehen an folgende Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler: Die Physikerin Laura Baudis, die Geografin Sara Irina Fabrikant, den Bankingexperten Steven Ongena, den Japanologen Raji C. Steineck und den Evolutionsbiologen und Bioinformatiker Andreas Wagner (siehe Medienmitteilung).

Einschliesslich der fünf neuesten Vergabungen hat die UZH in den vergangenen 10 Jahren knapp 114 Millionen Schweizer Franken für 54 ERC Grants erhalten. Sie konnte abgesehen von den beiden ETHs von allen Schweizer Universitäten am meisten Fördergelder einwerben. Die ERC Grants sind für Universitäten wichtig, weil sie speziell auf die Grundlagenforschung ausgerichtet sind. Zudem sind sie im Vergleich zu anderen Forschungsförderinstrumenten der EU besonders hoch dotiert.

Freie Bahn für neue Gesuche

Die Teilnahme an den EU-Forschungsrahmenprogrammen ist für die UZH ein bedeutender Reputationsfaktor. Doch die Beteiligung der Schweiz am aktuellen Forschungsrahmenprogramm «Horizon 2020» gestaltete sich nicht ohne Hindernisse. Die Annahme der Masseneinwanderungsinitiative im Frühjahr 2014 führte dazu, dass die EU Forschende von Schweizer Institutionen vorübergehend von der Teilnahme ausschloss. Ende 2014 war die Beteiligung über eine Teilassoziierung wieder möglich, seit diesem Jahr ist die Schweiz als Vollmitglied gleichberechtigter Partner.

Wegen der Masseneinwanderungsinitiative wurde auch die Teilnahme am Studierendenaustauschprogramm Erasmus+ verunmöglicht. Bis 2020 wird das europäische Programm vermutlich ohne Schweizer Beteiligung stattfinden. Um trotzdem einen Austausch zu ermöglichen, haben hiesige Universitäten bilaterale Abkommen mit europäischen Universitäten abgeschlossen.

Im Hinblick auf die europäische Forschungsförderung sind die Zeiten der Verunsicherung definitiv vorbei: «Wir empfehlen allen Forschenden der UZH, sich für die grosszügigen ERC Grants zu bewerben», sagt Jonas Oehler von EU Grants Access, der gemeinsamen Anlaufstelle von UZH und ETH, wenn es um Fragen zur Europäischen Forschungsförderung geht.

EU Grants Access berät Forschende und unterstützt sie bei der Beantragung von ERC Grants. Das Gremium der EU vergibt dabei Starting Grants (bis zu 1,5 Millionen Euro), Advanced Grants (bis zu 2,5 Millionen Euro), Consolidator Grants (bis zu 2 Millionen Euro) sowie Proof-Of-Concept Grants. «Die UZH hat sich bisher sehr erfolgreich geschlagen», sagt Jonas Oehler. Die Erfolgsgeschichte wird bestimmt weitergehen.

Vier Erfolgsgeschichten

Der Europäische Forschungsrat feiert dieses Jahr sein zehnjähriges Bestehen. Aus diesem Anlass stellen wir hier vier UZH-Forschende vor, die durch ERC Grants unterstützt wurden.

Sabine Stoll analysiert, wie Kinder unterschiedliche Sprachen lernen.

Im Kosmos der Sprachen

«Maan waawaapihchikaah misinihiikin», sagt eine Mutter zu ihrem zweijährigen Kind. Oder auf Deutsch: «Schau dir dieses Buch an.» Die Wörter stammen aus dem East Cree, einer Sprache kanadischer Ureinwohner. Die indigene Sprache ist Teil des gross angelegten Projekts «ACQDIV» von Professorin Sabine Stoll, der Vorsteherin des Psycholinguistischen Laboratoriums am Institut für Vergleichende Sprachwissenschaft der UZH. Das Projekt ist möglich dank eines Consolidator Grants des ERC. Zusammen mit ihren über die ganze Welt verstreuten Teams erforscht sie, wie Kleinkinder zwischen zwei und drei Jahren Sprachen lernen. Aus den weltweit rund 7000 Sprachen hat sie fünf Sprachgruppen identifiziert, die sich maximal unterscheiden. Aus jeder dieser Gruppe untersuchen die Sprachwissenschaftler zwei Sprachen, etwa das Chintang in Nepal, wo ein Verb bis zu 5000 verschiedene Formen aufweisen kann. Oder eben das East Cree. Was die Forschenden an den unterschiedlichen Sprachen interessiert, sind Gemeinsamkeiten beim Erwerb: Gibt es sie überhaupt und wenn ja, worin bestehen sie? Erste Antworten deuten in der Tat auf übereinstimmende Vorgänge: «Kinder verlassen sich universell auf statistische Muster im Input, um den kontinuierlichen Sprachstrom, der sich ihnen darbietet, nach und nach aufschlüsseln zu können», sagt Sabine Stoll. Für das Projekt müssen die Lernfort- schritte aller Kinder während Jahren aufgezeichnet, verschriftlicht, übersetzt und in Datenbanken codiert werden – eine Riesenarbeit. Rund 50 Personen sind bei ACQDIV involviert. «Ohne die zwei Millionen Euro des ERC wäre dieses Projekt nie möglich geworden», sagt Sabine Stoll, für die mit der Realisierung des Projekts ein Traum wahr geworden ist.

Giacomo Indiveri entwickelt neuromorphe Chips und Sensoren.

Chips, die auf ihre Umwelt reagieren

Das menschliche Gehirn lässt sich mit einem hocheffizienten Computer vergleichen. Eng verknüpft mit dem Körper, kann es dynamisch auf unterschiedliche Bedürfnisse und Reize reagieren. So ist es beispielsweise in der Lage, im lauten Café die Worte des Gegenübers herauszufiltern oder herauszuschmecken, welche Zutaten in einer Suppe enthalten sind. Herkömmliche Chips brauchen für derartige Aufgaben viel Zeit und Energie. Wie man Chips bauen kann, die dem menschlichen Gehirn nachempfunden sind, untersucht Giacomo Indiveri vom Institut für Neuroinformatik an der UZH und ETH. Seinem Team ist es gelungen, Eigenschaften von biologischen Neuronen und Synapsen direkt auf Mikrochips zu übertragen. Das Ergebnis sind sogenannte neuromorphische Chips und Sensoren, die gewisse kognitive Fähigkeiten simulieren. Sie reagieren in Echtzeit dynamisch auf äussere Einflüsse wie Bewegungen und können für unter- schiedliche Aufgaben konfiguriert werden. Mit einem Proof-of-Concept-Grant haben die Forschenden erste Prototypen des neu- romorphischen Chips erstellt. «Jetzt geht es darum, herauszufinden, wie wir Systeme bauen können, die autonom mit ihrer Umwelt interagieren», erklärt Indiveri seine weitere Forschung. Vorstellbar wären zum Beispiel Geräte, die intelligent auf Veränderungen im Stoffwechsel eines Menschen reagieren und selbständig Therapien ansetzen. Indiveri rat seinen Kolleginnen und Kollegen unbedingt dazu, sich für Grants des ERC zu bewerben, um eigene For- schungsprojekte realisieren zu können. Die Ausarbeitung eines Antrags erfordere zwar Zeit, doch der Aufwand lohne sich: «Die Grants erlauben es, ein eigenes Projekt längerfristig zu verfolgen.»

 

Fritjof Helmchen verfolgt Informationsflüsse im Hirnnetzwerk.

Blick ins Gehirn

«Dank der Förderung durch den ERC können wir in neue Dimensionen der Gehirnforschung vorstossen», sagt Fritjof Helmchen, Professor für Neurowissenschaften und Co-Direktor des Instituts für Hirnforschung. Die 2,5 Millionen Euro seines Advanced Grants erlauben ihm und seinem Team, neuronale Prozesse auf einer Ebene zu erforschen, die bisher kaum zugänglich war. Konkret geht es um die Frage, wie das Gehirn Sinnesreize verarbeitet, unterscheidet und durch Erfahrung lernt, diese in geeignete Verhaltensmuster umzusetzen. Also um das, was als «sensomotorisches Lernen» bezeichnet wird und jedes Kleinkind beim Ertasten der Umwelt tut.

Mittels neuer Methoden wie der Zwei- Photonen-Mikroskopie über grosse Bildfelder – die Helmchen mitentwickelt hat –, können die Forscher das Gehirn bei diesen Vorgängen regelrecht beobachten. Als Modell dienen Mäuse, die mit ihren Schnurrhaaren Schmirgelpapier verschiedener Körnung unterscheiden müssen. Die Aktivität einzelner Neuronen in den riesigen Nervenzellnetzwerken des Gehirns lässt sich bei der Verarbeitung der Sinneseindrücke op- tisch erfassen und verfolgen. Die Forscher konzentrieren sich dabei auf die Vorgänge in lokalen Netzwerken und auf die Aktivitätsmuster in den über das ganze Gehirn vernetzten Regionen. Dahinter steckt die These, dass das Zentralnervensystem Sinneseindrücke nicht an einem Ort verarbeitet, sondern in verteilten kleinen Netzwerken, die miteinander kooperieren.

Dieser Ansatz kann mittels der neuen Techniken erstmals experimentell getestet werden. Und Fritjof Helmchen ist zuversichtlich, dass das Projekt auch mit neuen theoretischen Konzepten zu einem «dynamischen Hirnverständnis» beitragen wird.

 

Silja Hausermann durchleuchtet Optionen im Sozialstaat.

Soziale Verteilkämpfe

Struktureller Wandel und Spardruck bringen Wohlfahrtsstaaten in Bedrängnis. Wem soll soziale Unterstützung zukommen, wenn die Mittel nicht mehr ausreichen, um alle Bedürfnisse zu decken? «Alle brauchen ein immer grösseres Stück vom Kuchen – doch er wird immer kleiner», sagt die Politikwissenschaftlerin Silja Häusermann. Mit ihrem Projekt «Welfare State Priorities» will sie erforschen, wie sich Wohlfahrtsstaaten in schwierigen Zeiten durch Sozialreformen verändern. Dazu greifen die Forscherin und ihr Team auf experimentelle Umfragemethoden zurück: Unterschiedliche soziale Gruppen müssen verschiedene Reformoptionen bewerten. «So werden die Prioritäten innerhalb eines Landes erkennbar, wodurch Rückschlüsse auf zentrale Verteilkonflikte, aber auch Kompromisspotenziale möglich sind», sagt Häusermann. In einem zweiten Schritt will die Forscherin untersuchen, wie der Rückhalt einzelner sozialer Gruppen für Reformen zu gewinnen ist, von denen sie nicht direkt profitieren oder durch die sie gar benachteiligt sind. Häusermanns Forschung wird mit einen Starting Grant unterstützt. Sie freut sich, dass sie sich dank der Förderung längerfristig auf ein zentrales, grosses Projekt konzentrieren kann: «Häufig spielt man in der Forschung ja auf vielen Klaviaturen gleichzeitig», sagt sie. Ein ERC Grant ermöglicht das Wertvollste überhaupt: Zeit und Ressourcen für konzentrierte Forschung. Bei Anträgen an den Europäischen Forschungsrat rät Häusermann ihren Kolleginnen und Kollegen, «möglichst gross und waghalsig zu denken». Es sei ein schmaler Grat: Man müsse die Leute davon überzeugen, dass eine Idee neu, riskant und abenteuerlich sei, die Investition in die Forschung sich aber mit hoher Wahrscheinlichkeit auszahlen werde.

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