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Beim Lernen passen sich Signalflüsse im Gehirn an

Was passiert in unseren Köpfen, wenn wir Neues lernen? Hirnforscher der Universität Zürich konnten zeigen, wie sich beim Lernen die Signalausbreitung innerhalb der Hirnrinde zwischen verschiedenen verbundenen Regionen verändert. So wurde in einem Signalweg die Repräsentation des relevanten Sinnesreizes verstärkt. In einem anderen Signalweg widerspiegelte sich hingegen im zellulären Aktivitätsmuster das Entscheidungsverhalten. Diese Ergebnisse belegen, wie mit modernen neurowissenschaftlichen Methoden die Anpassung der Hirnaktivitätsmuster beim Lernen entschlüsselt werden kann.
Beat Müller

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Die Grosshirnrinde, der Kortex, von Säugetieren ist entscheidend an der Verarbeitung von Sinneseindrücken beteiligt. Sie ist in verschiedene Areale unterteilt, die in unterschiedlicher Art und Weise an der Wahrnehmung von Sinnesreizen, der Entscheidungsfindung und dem Auslösen von Handlungen beteiligt sind. Der Austausch von Information zwischen den Hirnrindenarealen, die untereinander komplex vernetzt sind, ist wichtig für eine optimale Verarbeitung der Sinnesreize. Welche Signalflüsse sich innerhalb der Hirnrinde ausbilden und insbesondere wie sich diese bei neuen Herausforderungen anpassen, ist noch weitgehend unverstanden.

Eine neue Studie der Gruppe um Prof. Fritjof Helmchen am Institut für Hirnforschung der Universität Zürich zeigt nun, dass sich beim Erlernen einer Tastaufgabe die Signalfüsse entlang verschiedener Verbindungsbahnen unterschiedlich anpassen. «Diese Erkenntnisse sind wichtig, um die normale Hirnfunktion genauso wie kognitive Störungen besser verstehen zu können», sagt Prof. Fritjof Helmchen. 

Unterschiedliche Anpassungen

In der neuen Studie hat die Gruppe von Fritjof Helmchen nun die Aktivität in einzelnen Nervenzellen während etwa zwei Wochen wiederholt gemessen. Zu Beginn kannten die Mäuse die Sandpapieraufgabe noch nicht. Während der zwei Wochen wurden sie sozusagen ins Trainingscamp geschickt und mit der neuen Tastaufgabe konfrontiert. Dabei wurden die Änderungen in den verschiedenen Nervenzellen (nach S2 oder M1 projizierend) aufgezeichnet. Die Auswertung der Ergebnisse ergab, dass sich im Signalfluss zum Motorkortex (M1) die Kodierung der jetzt relevanten Sandpapiermuster verstärkte. Im Signalfluss zum sekundär-somatosensorischen Areal ( S2) hingegen bildete sich im Laufe des Lernens auch eine Aktivitätskomponente aus, die das Entscheidungsverhalten der Maus widerspiegelte.

Verkehrsinformationen über Hirnströme

Diese Erkenntnisse über die Signalanpassung beim Lernen in zwei spezifischen Hirnpfaden zeigen nur einen Ausschnitt der Änderungen von Signalflüssen im ganzen Gehirn auf, die permanent in unseren Köpfen ablaufen. Viele weitere Signalwege haben sich vermutlich im Mausgehirn beim Erlernen der Sandpapieraufgabe ebenfalls angepasst. «Wir Neurowissenschaftler wollen nicht nur eine Art Strassenkarte der Signalwege im Gehirn erstellen, sondern auch die Muster der Verkehrsflüsse in diesem Strassennetz bei bestimmten Verhaltensweisen besser verstehen», erklärt Prof. Helmchen. Mit einer Art Verkehrsinfo-Service könnte man krankheitsbedingte Änderungen, also etwa Sperrungen oder Staus, besser erkennen und gegebenenfalls durch therapeutische Massnahmen, als z.B. Umleitungen, so beeinflussen, dass normale Signalflüsse wieder hergestellt würden.

Literatur:

Jerry L. Chen, David J. Margolis, Atanas Stankov, Lazar T. Sumanovski, Bernard L. Schneider, and Fritjof Helmchen. Pathway-specific reorganization of projection neurons in somatosensory cortex during learning. Nature Neuroscience. June 22, 2015. Doi: 10.1038/nn.4046

Jerry L. Chen, Stefano Carta, Joana Soldado-Magraner, Bernard L. Schneider, and Fritjof Helmchen. Behaviour-dependent recruitment of long-range projection neurons in somatosensory cortex. Nature 499(7458), 336-340, 2013.

Weiterführende Informationen

Kontakt

Prof. Fritjof Helmchen

Institut für Hirnforschung

Universität Zürich

Tel. +41 44 63 53340