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Ob in Blusen eingenäht oder separat, das rechteckige Textilstück – Mola – erregt Aufsehen und ist auf dem Ethno- und Kunstmarkt beliebt. Bisherige Ausstellungen über die Guna zeigten Molagana, Plural von Mola, meistens als ästhetisch ansprechende Textilbilder – als Kunstwerke. Ein Mola ist aber noch viel mehr als das. Dies erklärt die neue Ausstellung «Anders schön in Panama – Mola nähen, Welten schichten» des Völkerkundemuseums der Universität Zürich in Zusammenarbeit mit den beiden Gastkuratoren Margherita Margiotti und Paolo Fortis der Universität Durham (GB). Die Ausstellung offenbart, dass das Mola und mit ihm die bislang wenig beachtete geschnitzte Holzfigur Nudsu, Schlüsselobjekte im alltäglichen Leben der Guna sind.
Mola-Bluse, Wickelrock, rotes Kopftuch, Perlenbänder und goldener Nasenring: Diese typischen Kleidungsstücke der Guna-Frauen sind in der Ausstellung zu sehen. Die Bekleidung hat ihren Ursprung im 19. Jahrhundert. Vorher verhüllten sich die Guna beinahe nicht und bemalten stattdessen ihren Körper. Denn nach Auffassung der Guna sind intelligente Lebewesen vor allem an ihrer gemusterten Haut oder Hülle erkennbar. Durch Kolonialherren und Missionare gedrängt, begannen die Guna ihre Körper gemäss europäischen Moralvorstellungen zu verhüllen. Dabei übertrugen sie die alten Muster der Hautbemalung auf die Stoffverarbeitung. «Mit der Mola-Technik können die Näherinnen Bilder malen und damit direkt an die frühere Tradition der Körperbemalung anknüpfen», erklärt Maike Powroznik, Kuratorin der Ausstellung, an der Medienführung.
Für die Frauen in Gunayala, dem Land der Guna in Panama, ist das Nähen von Molagana essentiell. Seit den 1970-er Jahren liegt die Produktion und der Verkauf der Textilien in ihren Händen. Die Mädchen sind bereits von Geburt an von Mola-Blusen umgeben und haben den Umgang damit verinnerlicht. Aufgrund ihrer eigenen Applikationstechnik bestehen Mola-Bluseneinsätze aus zwei oder mehreren Stoffschichten. Die Hauptmotive sind immer ausgeglichen und oft symmetrisch angelegt, wie die Ausstellung anhand einer Vielfalt von Bluseneinsätzen und auch vollständigen Blusen aus der hauseigenen Sammlung zeigt. Kennzeichnend für das Mola ist die visuelle Dichte. Seine gesamte Fläche wird von symbolischen Elementen, Mustern und Formen ausgefüllt – keine Stelle bleibt im Mola frei.
Die Vielschichtigkeit und Dichte der Molagana widerspiegelt sich im Alltag der Guna. Für sie besteht die Welt unter wie über der Erde aus mehreren Schichten. Vergleichbar dicht wie die Motive auf den Bluseneinsätzen leben die Guna dicht nebeneinander. «Wohlgeordnet bauen sie ihre Häuser auf den kleinen Inseln. Und manche Frauen vergleichen ihre Dörfer mit den Nähstücken, die beide gleichmässig dicht mit Formen gefüllt sind», sagt Maike Powroznik.
In der Kultur der Guna existiert ein männliches Gegenstück zum Mola der Frauen: das Nudsu. Nudsugana sind geschnitzte Holzfiguren. Sie werden von älteren, im Schnitzhandwerk sehr erfahrenen Männern, hergestellt. Das dafür verwendete Holz stammt von alten und wilden Bäumen, die in der Vorstellung der Guna von Geistern bewohnt werden. Jeder Baum besitzt Qualitäten, die auf die Holzfiguren übertragen werden können. Nudsugana repräsentieren die Baumseelen und werden zu Helfern und Beschützern der Menschen. Sie können etwa Spezialisten bei Heilritualen helfen, indem sie den Kampf gegen krankheitserregende Geister aufnehmen. «Es hat ganz den Anschein, dass Mola und Nudsu als eigentliche Schlüsselobjekte in der Ordnung der Welt der Guna verstanden werden sollten», schliesst Maike Powroznik.