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Es war eine Schrecksekunde mit langer Nachwirkung: Michael Rufer fuhr mit hoher Geschwindigkeit auf einer deutschen Autobahn, als unmittelbar vor ihm ein Auto abrupt von der Überholspur nach rechts wechselte. Nur ein schnelles Bremsmanöver verhinderte einen Auffahrunfall. Kurz danach musste Rufer auf dem Pannenstreifen anhalten, weil Herzklopfen, Schwitzen und Zittern das Weiterfahren unmöglich machten.
Das Geschehen war so angsteinflössend, dass Rufer es auch heute noch – Jahre danach – bildlich vor Augen hat. Angst kennt jeder, das ist ganz normal, manchmal kann man sie fast nicht vergessen, oder sie wird zum täglichen Begleiter, dann kippt sie in Panik oder in eine Phobie.
Michael Rufer ist Professor für Psychosoziale Medizin, Psychosomatik und Psychotherapie an der UZH. Mit seinem Beispiel führte er die Besucherinnen und Besucher der Brain Fair am Samstag in das Thema «Panik und Phobien» ein. Es gebe Patienten mit körperlichen Symptomen wie Schwindel, Schwitzen, Herzrasen oder Atemnot. «Häufig wissen Patienten mit diesen Angstsymptomen nicht, dass sich dahinter eine Angst verbirgt», sagte Rufer. Diese Patienten suchen die Ursachen ihrer Beschwerden im organischen Bereich, konsultieren sogar mehrere Ärzte, bis klar ist, dass keine körperlichen Schäden vorliegen.
Betroffen davon sind oft Personen, die durch Arbeit und Familie chronisch belastest sind, den Stress jedoch nicht wahrnehmen. Das sind Menschen, die meinen, sie müssten in allem perfekt funktionieren. Mit Symptomen wie zum Beispiel starkem Schwindel signalisiert der Körper, dass eine Pause nötig wäre, sagte Rufer.
Eine weitere Gruppe von Patienten, die Angstanzeichen nicht wahrnehmen, sind Personen, die ein Defizit im Erkennen der eigenen Gefühle haben. Immerhin zehn Prozent der Bevölkerung sind von dieser Alexithymie oder Gefühlsblindheit betroffen. In einer Therapie müssen sie erst lernen, auf sich zu hören und die eigenen Gefühle wahrzunehmen.
Der UZH-Neurologe Dominik Straumann sprach in seinem Referat an der Brain Fair über eine Angststörung, an der etwa fünf Prozent der Schweizer Bevölkerung leiden – der Höhenangst. Diese im Fachjargon als Akrophobie bezeichnete Angststörung kann zu panischem Verhalten führen, wenn der Betroffene sich in einer bestimmten Höhe aufhält. Ob auf dem Turm einer Kirche oder auf einem hohen Berg, der Patient fühlt sich einer unerklärlichen Angst ausgesetzt.
Das Gefühl lasse sich neurologisch gut erklären, führte Straumann aus. Das Auge sucht immer einen Punkt, den es fixieren kann. Wenn sich jedoch der Mensch in einer gewissen Höhe aufhält und für das Auge die Entfernung zu einem feststehenden Objekt immer grösser wird, verringert sich die Fähigkeit des Menschen, weit gelegene Punkte deutlich zu erkennen.
Um diese beschränkte Wahrnehmung zu beheben, bewegen wir den Kopf kurz nach links und nach rechts, was eine leichte Gleichgewichtsstörung verursacht. Das kann von Angst begleitet sein. Wenn die Höhenangst irgendwann das alltägliche Leben stört, gilt sie als Phobie.
Nur, wie kann man die Höhenangst besiegen? Die Psychiaterin Steffi Weidt von der Universität Zürich arbeitet mit Angstpatienten. Ein wichtiger Bestandteil der Angstbewältigung sei es, sich ihr aktiv zu stellen. Bewährt habe sich die Expositionsstherapie. Dabei traut sich der von Höhenangst Geplagte auf einen Turm hinauf. Durch die Begleitung des Therapeuten lernt er, die Angst auszuhalten. Die körperlichen Symptome wie Schwindel oder Herzrasen lassen langsam nach. Am Ende einer solchen Therapie weiss der Patient, dass er die einstmals angstbesetzte Situationen allein und ohne Hilfsmittel durchstehen kann.