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Rumänisch an der UZH

Geschichten aus erster Hand

Die Linguistin und Rumänisch-Dozentin Meda Gautschi dreht zusammen mit ihren Studierenden Videos über Rumäninnen und Rumänen, die in der Schweiz leben. Dabei entstehen Zeitdokumente, die für linguistische Analysen interessant sind. 
Marita Fuchs

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Viele der heute in der Schweiz lebenden Rumänen können anschaulich über die Flucht aus ihrer Heimat berichten. Das erfahren Romanistik-Studierende im Rahmen ihrer Seminararbeit im Modul «Einführung ins Rumänische: Grai și identitate», das von Meda Gautschi, Lehrbeauftragter für Rumänisch am Romanischen Seminar der Universität Zürich, geleitet wird. Die Studierenden befragen Rumäninnen und Rumänen nach ihren Erlebnissen auf der Flucht, nach ihrem Leben in der Schweiz und inwieweit die rumänische Sprache für sie heute noch relevant ist. «Welche Sprache sprechen Sie mit Ihrer Frau?» ist zum Beispiel eine der Fragen. Das Interview wird mit einer Videokamera aufgezeichnet.

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Interview mit Ara E.. Er kam 1990 in die Schweiz. Durch den Kontakt mit Schweizern lernte er deutsch, doch mit seiner Frau spricht Ara E. auch heute noch Rumänisch. (Rahel Leuzinger).

«Die Videos sind wichtige Dokumente für die linguistische Analyse im Seminar», sagt Meda Gautschi. «Die Interviews verdeutlichen die Thematik von Sprache und Identität. Sie machen erlebte Geschichte erfahrbar und spiegeln Erlebnisse von rumänischen Migranten in der Schweiz.» Wie stark sich das Sprechen für Muttersprachler im Ausland verändert, wird zum Beispiel am Code-Switching deutlich. Darunter versteht man den Wechsel von einer Sprache in eine andere. Ein solcher Wechsel kann innerhalb eines Gesprächs, eines Satzes oder gar einzelner Worte vorkommen.

Tief eintauchen

Mit den Video-Interviews geht Gautschi neue Wege in der Lehre. Für die Studierenden sei es eine grosse Herausforderung, ein Interview in Rumänisch zu führen. Sie müssten sich nicht nur mit der Sprache selbst, sondern auch mit einer Person und deren Geschichte auseinandersetzen.

Meda Gautschi: «Viele der in der Schweiz lebenden Rumänen waren sofort bereit, beim Videoprojekt mitzumachen.»

Es war die politische Lage des Landes, die viele Rumäninnen und Rumänen zur Flucht bewegte. Von 1965 bis 1989 stand das Land unter der grausamen Diktatur von Nicolae Ceaușescu und war für westliche Besucher praktisch unzugänglich. Als besonders harte Zumutung wurden neben der Unterdrückung durch die Geheimpolizei die Gesetze zur Förderung des Kinderreichtums, das Abtreibungsverbot oder die Umsiedlung von Teilen der Landbevölkerung in die Städte empfunden.

Krautwickel, lang gekocht

Heute leben etwa 6000 Rumänen in der Schweiz. Obwohl die meisten von ihnen gut integriert sind, pflegen viele ihre Muttersprache und die rumänische Kultur. Sie feiern die Feste in der orthodoxen Kirche und pflegen die heimische Küche, wie zum Beispiel Krautwickel, die drei Stunden gekocht werden müssen, oder mămăligă, eine Art Polenta aus sehr grobem Maismehl.

«Viele der in der Schweiz lebenden Rumänen waren sofort bereit, beim Videoprojekt mitzumachen», freut sich Gautschi. Bisher sind neun Interviews geführt worden, die auf der Website «Migration Rumänien–Schweiz» einsehbar sind. In den kommenden Semestern sollen weitere Videos gedreht werden. So entsteht auf Dauer ein Archiv mit Filmmaterial, das für spätere Forschung ebenfalls interessant sein könnte.

Rumänisch, Exotin unter den romanischen Sprachen

An der Universität Zürich wird Rumänisch seit 1954 gelehrt. Die Sprache gilt wegen ihrer slawischen Prägung unter den romanischen Sprachen als Exotin. «Das Interesse der Studierenden am Rumänischen war lange nicht so gross wie heute», sagt Gautschi.