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Tagung GIScience 2010

Die Welt abstecken

Geografische Informationssysteme, kurz: GIS, sind ein Megatrend, sagt Robert Weibel, Professor für Geografische Informationswissenschaft an der Universität Zürich. Sie lotsen Autos und Flugzeuge an ihre Bestimmungsorte und sind Grundlage für digitale Landkarten. Vom 14. bis 17. September treffen sich an der Universität Zürich über 300 Experten aus der ganzen Welt. Ihr Thema: Was kommt als nächstes?
Marita Fuchs

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Bevor Arno Müller losfährt, stellt er das Navigationsgerät seines Lastwagens ein. Zielort und Strasse sind schnell eingetippt, das Gerät sucht die Verbindung zum Satelliten. Sobald Spediteur Müller losfährt, begleitet ihn die sympathische Stimme von «Petra». Sie führt ihn ans Ziel. «Keine Umwege mehr, keine Staus. Und Petra ist nicht beleidigt, wenn ich mal einen anderen Weg fahre, als sie zuvor vorgeschlagen hat. Eine angenehme Freundin», sagt der Autofahrer augenzwinkernd. Er möchte das Navigationsgerät nicht mehr missen.

Wie Müller geht es vielen. Die technischen Erneuerungen, die durch so genannte Geografische Informationssysteme (GIS) erst möglich wurden, sind heute beliebter denn je. Man denke nur daran, mit welcher Schnelligkeit und Dynamik sich digitale Landkarten wie «Google Earth» oder «Google Maps» verbreitet haben.

Geografische Informationssysteme liegen im Trend

Doch all das ist nur der Anfang. Schliesslich sind rund zwei Drittel aller Wirtschaftsprozesse auf geografische oder räumliche Daten angewiesen – sie alle liessen sich, jedenfalls theoretisch, durch Geoinformationssysteme besser verstehen, verwalten und optimieren. «Früher waren GIS etwas für Spezialisten, heute erlebt diese Richtung der Geografie einen Megatrend», sagt Robert Weibel, Professor für Geografische Informationswissenschaft an der Universität Zürich, der gerade einen grossen Kongress zu dem Thema mit organisiert.

Nie wieder verlaufen: Navigationssysteme zeigen den Weg und geben Tipps über Sehenswürdigkeiten in der Umgebung.

Um den derzeitigen Zustand der Geoinformationswirtschaft zu charakterisieren, bringt Weibel einen Vergleich: «War es früher schwierig und sehr teuer, an relevante Raumdaten heranzukommen, so erfährt unser Forschungszweig durch die Digitalisierung und Demokratisierung von Daten eine ganz neue Bedeutung. Daten von Bundesämtern, wie etwa die swisstopo, konkurrenzieren heute mit privaten Anbietern von Daten.» Litten die GIS-Forscher in den 60er und 70er Jahren unter einer Datenarmut, so hätten sie es seit den 90er Jahren mit einer Datenflut zu tun, die wiederum auch ganz neue Forschungszweige eröffne.

Wo liegt das Schweizer Mittelland?

Dazu fallen Weibel viele Beispiele ein. Eines ist die Lokalisierung und Abgrenzung von umgangssprachlichen Ortsnamen. Für die Tourismusbranche ist es wichtig, zu erfahren, wo die Menschen das Zentrum einer Stadt sehen oder eine Region wie das Schweizer Mittelland in etwa geografisch einordnen und was sie damit verbinden.

Anstatt nun eine grosse und teure Untersuchung unter der Bevölkerung zu starten, können Forscher vorhandene Datenquellen auf dem Web nutzen. «Eine mögliche Quelle bietet die riesige Bilderdatenbank Flickr.» Auf der Website von Flickr kann jeder seine Bilder ablegen und der Öffentlichkeit zur Verfügung stellen. Viele Hobbyfotografen uploaden ihre georeferenzierten Bilder mit Raumkoordinaten. Sucht man unter dem entsprechenden Stichwort, stellt Flickr eine breite Palette von Fotos zur Verfügung, die Laiengeografen unter dem gesuchten Ortsbegriff einordnen. Für die Forscher eine Fundgrube und für die Werber der Tourismusbranche eine Chance.

Wegbeschreibung auf dem Handy: Früher waren GIS etwas für Spezialisten, heute erlebt diese Richtung der Geografie einen Megatrend.

Auf mehr als über eine Milliarde Euro schätzen Marktstudien den weltweiten Umsatz, der schon heute mit solchen Geoinformationssystemen (GIS) erwirtschaftet wird. Sie sind nicht nur Grundlage für Navigationssysteme in Autos, Luft- und Schifffahrt, sie schufen die Basis für neue digitale Landkarten, sie liefern lokale Wettervorhersagen oder unterstützen die Einteilung von Wahlkreisen und die Erstellung des Waldschadensberichtes.

Schattenseiten nicht ausser Acht lassen

Weibel sieht jedoch nicht nur die riesigen Fortschritte, die durch GIS möglich wurden, auch die Schattenseiten der Datenflut müssten Beachtung finden, so der Geograf. Seine Gruppe habe zum Beispiel ein mobiles Besucherinformationssystem für Schweizer Nationalparks mit entwickelt: Eine App auf dem iPhone zeige dem Besucher, welche Sehenswürdigkeiten in der Nähe seines Standortes seien.

Mit den Ortungsdaten, die durch solche mobile Systeme erzeugt werden, könne man natürlich auch Missbrauch treiben und zum Beispiel nachverfolgen, wo jemand zu einer bestimmten Zeit war, und so Rückschlüsse auf sein mögliches Verhalten ziehen. Die Privatsphäre werde dabei tangiert, meint der Forscher und warnt vor einem unkritischen Umgang mit persönlichen Daten.

Schon jede Kreditkartennutzung hinterlasse Datenspuren in Raum und Zeit, und «Handys und Smartphones erzeugen ein fast lückenloses Bewegungsprofil», warnt Weibel. Für den adäquaten Umgang mit personenbezogenen Ortungsdaten würden einerseits technische und algorithmische Lösungen entwickelt, die die Privatsphäre von Individuen respektieren, andererseits eröffneten sich hier auch für die Zusammenarbeit mit der sozialwissenschaftlichen Forschung neue Felder und Fragestellungen.