Navigation auf uzh.ch
Im neuen «unijournal» finden Sie umfassende Informationen rund um das Thema Stress. Darin äussern sich Fachleute zu Stress an der Universität. Lesen Sie hier einen Auszug aus dem Dossier.
Ulrike Ehlert weiss fast alles über Stress, erhaben über Stressgefühle ist sie deshalb aber nicht. «Die turbulenten Semesteranfangszeiten setzen mir jedes Mal von neuem zu.» Was hilft, ist die Erfahrung. «Ich sage mir: Ich habs schon oft geschafft, warum soll ich es diesmal nicht schaffen?» Was ebenso hilft: Belastende Phasen als etwas Vorübergehendes anzusehen. Entspannung findet Ulrike Ehlert auf Reisen und im Garten. «Für mich ist der Garten sehr wichtig. Ich kann noch so unter Druck sein, für den Garten finde ich immer irgendwie Zeit.»
«Ich liebe meine Forschungsarbeit – aber wie wird es damit weitergehen? » Wie bei vielen Mittelbau-Angehörigen führt auch bei Psychologin Beate Ditzen die Ungewissheit über die eigene wissenschaftliche Laufbahn zu einer hohen Anspannung. Was den alltäglichen Arbeitsstress anbelangt, so bewältigt Ditzen ihn mit Listen; Erledigtes wird abgehakt. Besonders stressreich ist für sie, Vorträge an Kongressen zu halten. «Die Situation ist unkontrollierbar, man weiss nie, wie einen das Publikum beurteilt, nur, dass es einen beurteilt. Daran muss ich mich noch gewöhnen.»
Auch wenn Selbstöffnung und empathische Worte vielen Männern ein Gräuel sein mögen – sie sind gut gegen Stress und stärken die Partnerschaft. Guy Bodenmann kann das wissenschaftlich belegen. Und wie hält er es selbst mit persönlichen Gesprächen? «Ich und meine Frau nehmen uns abends Zeit für eine Tasse Tee, tauschen uns über den vergangenen Tag aus und besprechen anstehende Aufgaben und Belastungen.» Was Bodenmann beruflich am meisten stresst: «Die vielen administrativen Verpflichtungen, welche einem wertvolle Zeit für Forschung und Lehre rauben.»
«Als Assistent fühlte ich mich viel gestresster als heute – wegen der beruflichen Ungewissheiten», bekennt Rössler. «Ich arbeite zwar heute sehr viel und jammere manchmal auch darüber, belastend aber ist das nicht, weil ich eigene Prioritäten setzen kann und grosse Gestaltungsspielräume habe.» Der grösste Stress für Rössler? «Prüfungen von schlecht vorbereiteten Studierenden abnehmen zu müssen – eine Qual!» Studieren ist in Rösslers Augen strenger geworden: «Für mich war die Studienzeit eine Phase der Befreiung, das würde ich heute wohl anders erleben.»
Wulf Rössler, empfiehlt gegen Stress: «Freiräume wie etwa das Wochenende nicht ständig als Pufferzone für unerledigte Aufgaben benutzen. Das zehrt auf die Dauer an der Substanz. Psychopharmaka sind nicht prinzipiell abzulehnen, sie können helfen, extremen Stresszuständen die Spitze zu nehmen. Ein Ersatz für gute Zeiteinteilung und engagiertes Lernen sind sie aber nicht.»
«In der Bergpredigt heisst es: ‹Sorgt nicht um euer Leben, was ihr essen und trinken werdet›. Sätze wie dieser erinnern mich daran, dass man nicht alles selbst im Griff hat», sagt Pierre Bühler. Anhand der Stoa, der Psalmen, der Schriften der Mystiker oder Blaise Pascals ‹Pensées› kann man lernen, vermeintlichen Dringlichkeiten gelassener zu begegnen. «Das gelingt mir selbst zwar längst nicht so gut, wie ich mir das wünsche», räumt Bühler ein. «Für Augenblicke aber wirkt für mich die Besinnung auf die wirklich wichtigen Dinge immer wieder erleichternd und befreiend.»
«Manche Studierende halten das Studium für einen Dauersprint und verkennen, dass man mit seinen Kräften haushalten muss», beobachtet Ulrich Frischknecht. Er selbst hat im Vergleich zu den Studierenden den Vorteil, dass er seine Zeit nicht durchgehend selbst einteilen muss.
Sein Wochenrhythmus ist durch geregelte Arbeitszeiten vorgegeben. Wochenenden bleiben frei, stressige Phasen bleiben zeitlich limitiert. «Vieles aus meinem Beratungsalltag würde mir wohl nach Feierabend noch nachgehen – aber meine Kinder reissen mich aus solchen Gedanken heraus.»
Frischknechtempfiehlt Studierenden: «Einzelkämpfersituation aufbrechen; sich mit anderen Studierenden zu Lerngruppen zusammenschliessen und den Kontakt zu den Dozierenden suchen. Stress ist ein subjektives Erleben, und starke Stressgefühle bei Studierenden sind oft eine Folge von Angstfantasien. Man glaubt, alle anderen seien schlauer und schneller – dabei kochen die auch nur mit Wasser. Die Erwartungen an sich selbst den eigenen Grenzen anpassen. Sich nicht immer nur mit den Besten vergleichen. Den Aufwand eines Studiums richtig einschätzen lernen.»
Jens Gaab rät: «Wenn der Stress zu gross wird, nicht dagegen ankämpfen und sich so noch mehr Stress machen, sondern durchatmen und seine Emotionen akzeptieren. Sich in einer stressfreien Zeit einmal mit seinen Stressgefühlen auseinandersetzen.
Gedanken und Vorstellungen, die einen stressen, hinterfragen: Wovor haben ich Angst? Was kann mir wirklich passieren? Am besten mit einer nahestehenden Person darüber sprechen, das beruhigt.»