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Wissen teilen im interdisziplinären Dialog

Ganz im Zeichen des interdisziplinären Austausches steht das zweitägige Symposium «Universitäres Wissen teilen – Forschende im Dialog», das gestern Montag begann.
Brigitte Blöchlinger

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Der interdisziplinäre Dialog ist ein anspruchsvolles Unterfangen. Dessen waren sich alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Symposiums bewusst. Organisator Hans-Ulrich Rüegger bediente sich eines Bildes, um die Schwierigkeiten zu veranschaulichen: Die einzelnen Vertreter einer Disziplin befinden sich auf hoher See je in ihrem eigenen Boot, und von da aus müssen sie versuchen, gemeinsam an einem neuen Boot zu bauen, das alle fahren können.

Organisator Hans-Ulrich Rüegger stellte die Symposiums-Teilnehmenden vor anspruchsvolle Fragen.

Impulsreferate und interdisziplinäre Diskussion

Am Montag referierten nun – um im Bild zu bleiben – sieben Schiffskapitäne über ihr Boot beziehungsweise über einen Aspekt ihrer Disziplin, der sich speziell für die interdisziplinäre Auseinandersetzung eignet. Die als Diskussionsgrundlage gedachten Impulsreferate am Morgen beschäftigten sich mit derart unterschiedlichen Themen wie «Aby Warburgs psychohistorisches Projekt» (von Prof. Bernd Roeck, Historiker), «Vom Glück der Kommunikation» (Prof. Angelika Linke, Linguistin) und «Informationstransfer und Gruppenentscheidungen bei Fledermäusen» (Prof. Gerald Kerth, Verhaltensbiologe). Den drei Impulsreferaten am Morgen war gemeinsam, dass es darum ging, «wie man Wissen teilt» – das Motto sowohl des Symposiums als auch des 175-Jahre-Jubiläums der Universität Zürich.

Wie prekär das Zusammenbringen-Wollen der Disziplinen für ein Individuum werden kann, zeigte das Beispiel des Kulturwissenschaftlers Aby Warburg (1866–1929), der Zeit seines Lebens versuchte, Kunstwissenschaft, Religionsgeschichte, Psychologie, Biologie, Ethnologie und Literaturwissenschaft zu einer grossen Kulturtheorie zu vereinen. Ein Versuch, der am zu grossen Anspruch scheitern musste und der immer mehr zum Bestreben Warburgs mutierte, seine psychische Erkrankung in den Griff zu bekommen. Nichtdestotrotz fasziniert Aby Warburgs Versuch noch heute.

Begriffe schärfen und angleichen

Die anschliessende Diskussion drehte sich zuerst darum, was die einzelnen Referenten mit dem Wissen der anderen anfangen konnten. Für Prof. Angelika Linke war es spannend, wie anregend Aby Warburg trotz seines schmalen schriftlichen Werks geblieben ist. Noch heute wird zu ihm rege publiziert. Die Linguistin fragte sich auch mit Bezug auf Fledermausforscher Gerald Kerth, ob es eine scharfe Abgrenzung zwischen tierischer und menschlicher Kommunikation gibt. Kerth gab zu bedenken, dass es zum einen problematisch ist, Menschen mit Tieren zu vergleichen. Zum anderen sei unbestritten, dass sich der Mensch nicht unabhängig vom Tier entwickelt hat. Wo die Einzigartigkeit des Menschen anfängt, war für Kerth denn auch eine der spannenden Fragen.

Interdisziplinäre Gespräche auch in der Kaffeepause: Lingustin Angelika Linke (l.) diskutiert mit der Psychologin Brigitte Woggon und Elisabeth Maurer von der UniFrauenstelle.

Die interdisziplinäre Annäherung der Referenten zeigte, dass der interdisziplinäre Dialog immer eine Abgrenzung der je unterschiedlich gebrauchten Begrifflichkeit braucht und gleichzeitig eine gewisse Angleichung und Verwässerung.

Grenzen und Schranken des Wissens

Der Nachmittag galt den naturgegebenen Schranken und den konventionellen Grenzen des Wissens. Der Philosoph Peter Schulthess wies auf die Gefahr hin, die ein zu enger, eindeutiger oder absoluter Wissensbegriff in sich birgt. Wissenschaftler müssten immer ihren Standpunkt bedenken und über ihre Haltung zum untersuchten «Gegenstand» und über ihre Sprache reflektieren. Weder der naturwissenschaftliche noch der sozial- und geisteswissenschaftliche Ansatz könnten für sich die absolute Wahrheit beanspruchen und müssten die Grenzen ihrer Methoden kritisch hinterfragen.

Die anschliessende Diskussion zeigte, wie schwierig der Dialog über die Grenzen der Disziplinen hinweg ist. Mehr als ein Missverständnis musste geklärt werden. Schulthess' philosophischer Beitrag führte zu zahlreichen Entgegnungen, die meist auf falsch verstandenen Begrifflichkeiten beruhten. Nicht wenige, darunter der Neuropsychologe Peter Brugger, der selbst ein Impulsreferat hielt, fühlten sich von den philosophischen Argumentationsreihen und Begriffsdefinitionen überfordert.

Was wir nicht zu wissen vermögen

Am Nachmittag referierte unter anderem der Rektor der UZH, der Theologe Hans Weder zum wissenschaftlichen Wert des Nichtwissbaren. Das, was aus prinzipiellen Gründen nicht zugänglich ist, nämlich Gott, übt auf die Wissenschaft einen durchaus wohltuenden Effekt aus. Dann nämlich, wenn ein Forscher seinem Forschungsgegenstand nicht ausschliesslich invasiv entgegentritt und dem Gegenstand dadurch die Möglichkeit lässt, sich zu offenbaren und zu «sprechen» – wie das Göttliche, das sich offenbart und zum Menschen spricht. Ein anderer Bereich, in dem der Gegenstand von sich aus die Menschen «anspricht», ist das Ästhetische.

Rektor und Theologe Hans Weder reflektiert über die Wohltat des Nichtwissbaren.

In der Nachmittagsdiskussion zeigte sich, dass die hermeneutischen Ausführungen des Theologen nachvollziehbarer waren als so manches andere, wovon am ersten Tag die Rede war. Und das, obwohl er über das Abstrakteste von allem, über das Nichtwissbare, nachdachte.

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