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Geld und Games

Virtuelle Spielwelten und ihre juristischen Tücken

Virtuelle Welten haben ihre eigenen Gesetze – doch ausserhalb des realen Rechts stehen sie trotzdem nicht. Der Doktorand Matthias Nänni beschäftigt sich mit diesem Spannungsfeld. Unterstützt wird er dabei vom Forschungskredit der Universität Zürich.
Brigitte Blöchlinger

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Man stelle sich vor: Beim Jassen fehlt einem das Ass für einen perfekten «Oben-abe». Kein Mensch käme in dieser misslichen Lage auf die Idee, bei einem Mitspieler das Ass gegen hartes Geld zu tauschen. In Games, die in virtuellen Welten stattfinden, ist der Einsatz von Devisen jedoch völlig normal und kann, je nach Spiel und Standpunkt, den Reiz des Spiels erhöhen.

Virtuelle Welt «Habbo Hotel» für Kinder: Für 200 Spieltaler erhalten sie diese Hotelsuite.

Neben die reine Unterhaltung gesellt sich bei Spielen in virtuellen Welten immer auch die Möglichkeit, zu mehr Geld zu kommen, als man investiert hat. Das kann zu diversen Konflikten führen, unter anderem mit den Spielbestimmungen. Der Doktorand Matthias Nänni beschäftigt sich in seiner Dissertation unter Rechtsprofessor Hans Caspar von der Crone mit den juristischen Fragen, die Märkte virtueller Welten aufwerfen – Fragen, die bisher nicht beantwortet sind.

Sich langsam hochkämpfen …

In erster Linie möchte natürlich der Betreiber von virtuellen Spielwelten Geld sehen. Die Blizzard Entertainment AG zum Beispiel hat dazu folgenden Weg eingeschlagen: Ihr Computerspiel «World of Warcraft» ist für rund 40 Franken zu haben, dazu kommen monatliche Spielgebühren von 11 bis 14 Euro. Als Gegenleistung bietet die Betreiberin eine virtuelle Fantasy-Umgebung, die immer spannender wird, je länger man mitspielt. Zu Beginn findet das Kriegen auf technisch tiefem Niveau mit abgenutztem Kurzschwert und Holzschild statt, und man muss sich regelrecht hochkämpfen; auf den höheren Niveaus bekommt man es mit cleveren Monstern zu tun, die nur im Team erledigt werden können. Bis dieses Level erreicht ist, dauert es auf dem normalen Spielweg viele Monate, was dem Herausgeber Blizzard dank der monatlichen Spielgebühren gutes Geld in die Kasse spült.

… oder sich schnell hochkaufen

Es gibt allerdings eine Möglichkeit, den Aufstieg auf ein interessanteres Level zeitlich abzukürzen: indem man Spielgeld («Gold») erwirbt und sich damit «hochkauft». Theoretisch muss man das Gold durch Erfolge im Spiel verdienen. Es gibt allerdings auch die «illegale» Variante, dass man es ausserhalb des Spiels bei spezialisierten Vermittlern einkauft. Manchmal wechseln auch ganze Spielfiguren, die bereits auf hohem Level angekommen sind, die Hand. Zwar verletzen die Spieler dadurch die Spielbedingungen, die sie beim Kauf akzeptiert haben. Und Blizzard wehrt sich gegen den Handel, liess zunächst alle Angebote auf eBay einstellen, sperrte Tausende von Spielerkonten und machte Klagen vor US-amerikanischen Gerichten anhängig … bisher erfolglos – der Handel mit virtuellem Gold floriert. – Im Beispiel von «World of Warcraft» gilt es für Nänni vor allem herauszufinden, ob der Herausgeber Blizzard eine real mit ihrer Figur oder mit Spielgeld handelnde Person vom Spiel ausschliessen darf und sie wegen Urheberrechtsverletzung und Vertragsverletzung einklagen könnte – denn alle Elemente des Spiels sind das geistige Eigentum der Blizzard AG.

Fasziniert von den Märkten virtueller Welten: Doktorand Matthias Nänni vom Rechtswissenschaftlichen Institut.

Handel in virtueller Währung

Andere juristische Probleme birgt die virtuelle Meta-Umgebung «Second Life», wo man sich eine zweite Persönlichkeit zulegen kann, einen Avatar, und mit dieser Stellvertreterfigur alles erleben kann, was man in der Realität schon immer mal gerne gemacht hätte. Den «Second Life»-Client kann man gratis von der Website des Herausgebers Linden Lab herunterladen. Damit das zweite Leben im virtuellen Raum interessant wird, muss man richtiges Geld (Dollars) gegen Spielgeld (Linden-Dollars) eintauschen; mit den Linden-Dollars erwirbt man zum Beispiel ein Grundstück, auf dem wiederum für weitere Linden-Dollars das ersehnte Eigenheim gebaut werden kann. Nach getaner Arbeit lassen sich die Linden-Dollars wieder gegen echte Währung verkaufen. Die Güter sind virtuell, der Wirtschaftskreislauf aber könnte realer nicht sein. Vor amerikanischen Gerichten sind bereits erste Klagen von Nutzern gegen andere Nutzer hängig.

Werthaltige Spielelemente

Aber auch für den Spielbetreiber selbst könnte es juristisch brenzlig werden: Zum Beispiel wenn die Server, auf denen «Second Life» läuft, abstürzen oder gehackt würden; dann könnte es theoretisch passieren, dass Spieler ihren ganzen virtuellen «Reichtum» verlieren, den sie sich mit realen Investitionen aufgebaut haben, und dass sie vom Betreiber Linden Lab Schadenersatz dafür verlangen. Sollte sich Linden Lab für diesen Fall versichern, ist eines der vielen Problemfelder, die es zu klären gilt. «Die Frage ist, ob mit steigendem Wert der virtuellen Welt nicht auch die Haftungsrisiken steigen, oder umgekehrt: Was ein Herausgeber vorkehren kann, um diese Risiken zu kontrollieren. Das gilt es zu klären», sagt Matthias Nänni.

Je mehr Zeit man in «World of Warcraft» investiert hat, desto spannender werden die Kämpfe, die die Spielfigur zu bestehen hat.

Faszination In-Game-Wirtschaft

Spiele wie «Second Life» oder «World of Warcraft» schaffen ein Wirtschaftssystem innerhalb des Spieles. Je mehr Nutzer in «Second Life» zum Beispiel eine bestimmte Region der virtuellen Welt bevorzugen (zum Beispiel, weil sich dort viele Nutzer treffen), desto teurer wird der «Grundstückpreis».

Interessant wird es, sobald sich zwischen der In-Game-Wirtschaft und dem richtigen Wirtschaftskreislauf keine eindeutige Grenze mehr ziehen lässt. Wie die Weltbank im realen Leben, greifen auch die Betreiber immer mal wieder ins Geschehen der virtuellen Welt ein. Lassen sie sich etwas Neues einfallen, kann das aber unter Umständen den Spielstand der Spieler massiv beeinflussen; die einen stehen plötzlich besser da als zuvor, andere schlechter. Bei «Second Life» zum Beispiel haben die Betreiber erst bahnhofartige Knotenpunkte in der virtuellen Welt eingeführt, wo sich die Avatare zwangsläufig über den Weg liefen, Grundstücke in der Nähe dieser «Bahnhöfe» waren attraktiv und entsprechend teurer. Später schafften die Betreiber diese Knotenpunkte wieder ab, und die Nutzer konnten ihre Avatare an jeden beliebigen Punkt im virtuellen Raum «teleportieren», was zur Folge hatte, dass die Grundstücke um die ehemaligen Knotenpunkte ihren Wert einbüssten.

Lieber zahlen als prozessieren

Einige Nutzer wollten sich diese Spieländerung nicht gefallen lassen, und sie reklamierten bei Linden Lab. Mit Erfolg. Linden Lab kompensierte die Nutzer, indem es die Grundstücke zurück kaufte; die Betreiber wollten es offenbar nicht auf einen Gerichtsfall ankommen lassen. «Vermutlich befürchtete Linden Lab, dass die Nutzer vor Gericht mit einer Klage durchkommen würden», glaubt Matthias Nänni. Er ist überzeugt: «Dass Konflikte aus den virtuellen Welten auch in Europa vor einem realen Gericht ausgetragen werden, ist nur eine Frage der Zeit.» Bis es soweit ist, hofft der Doktorand die wichtigsten rechtlichen Fragen für den Gerichtsstand Schweiz geklärt zu haben.