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10 Jahre Collegium Helveticum

Das interdisziplinäre Wissenschaftskolleg Collegium Helveticum der ETH und der UZH ist zehn Jahre alt geworden. Ein Blick zurück auf seine vielfältige Geschichte.
Brigitte Blöchlinger

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Wie immer, wenn grundsätzlich Neues in diesem Land geplant wird, ging es auch bei der Gründung des Collegium Helveticum Mitte der neunziger Jahre nicht ohne Nebengeräusche ab. Der damalige Leiter der Freifächerabteilung der ETH Zürich, der Schriftsteller Adolf Muschg, machte sich für eine Nutzung der damals leer stehenden Sternwarte neben dem Universitätsspital als Graduiertenkolleg stark, und nicht alle fanden das eine gute Idee. Viele interne Diskussionen waren nötig, bis es am 25. Februar 1997 so weit war, dass der Schulrat das Statut des Collegium Helveticum verabschieden konnte.

Seit zehn Jahren beherbergt die Semper-Sternwarte das Collegium Helveticum.

Adolf Muschg, der nach eigenem Bekunden für das Zustandekommen der Sternwarte mehr gearbeitet hat als für seine tausendseitige Parzival-Geschichte «Der Rote Ritter», wurde für drei Jahre zum Leiter ernannt. Damit hatte Zürich endlich nicht nur eine Technische Hochschule und eine Universität, sondern auch ein interdisziplinäres Wissenschaftskolleg, wie es sich Princeton (wo Einstein forschte) mit dem Institute of Advanced Studies leistete oder Berlin mit dem Wissenschaftskolleg zu Berlin (ebenfalls sehr schön in einer Villa am Halensee gelegen).

Deutende und exakte Wissenschaften

Der Hintergrund, der zur Schaffung eines solchen Orts des geistigen Austausches zwischen den deutenden und den exakten Wissenschaften führte, war die Abteilung XII an der ETH Zürich, die sich immer stärker ins Abseits gedrängt sah. Ursprünglich als angesehene Horizonterweiterung für die Studierenden der Technik und der Naturwissenschaften verstanden, hatten es die Geistes- und Sozialwissenschaften an der ETH je länger je schwerer, sich gegenüber den intensiver werdenden Pflichtfächern zu behaupten. Mit dem Collegium Helveticum sollte der interdisziplinäre Austausch zwischen Geistes-, Sozial-, Technik- und Naturwissenschaften nun einen festen Ort erhalten.

Ins Humane eindringen

Im Wintersemester 1997 nahm der Think Tank den «Denk-Betrieb» auf. Zu Beginn beteiligte sich die Universität Zürich (UZH) noch nicht. Trotzdem sprach bereits am ersten Nachmittag der offenen Tür im November neben dem ETH-Rektor Konrad Osterwalder auch der damalige Rektor der UZH, Hans Heinrich Schmid. Am Anfang war es gar nicht so einfach, der Öffentlichkeit die «angenehm elitäre» (Andreas Isenschmid in der «Weltwoche» vom 13.3.97) Absicht des Collegium Helveticum zu erklären. Es sei ihnen ein Anliegen, so die Rektoren, «verschiedene Rationalitäten zusammenzuführen, durch Kunst, Natur- und Kulturforschung ins Humane einzudringen und die auch institutionelle Trennung von technisch und wertorientierten Wissenschaften 'universal', auf das Eine gerichtet, zu überwinden» (NZZ, 12.1.97).

Blick von aussen

Um den interdisziplinären Gedankenaustausch zusätzlich und durch den Blick von aussen anzuregen, wurden neben den ausgewählten Nachwuchsforschenden regelmässig Artists oder Writers in Residence und Gastprofessoren aus aller Welt eingeladen. Kolloquien und Seminarien, Diskussionsabende und Lesungen, Workshops und Symposien fanden statt, die wissenschaftlichen und öffentlich zugänglichen Veranstaltungen waren und sind noch heute zahlreich.

Als erste Gäste kamen der Technikhistoriker Thomas Hughes und die Schriftstellerin Brigitte Kronauer ans Collegium Helveticum. In den Seminarien trafen sie mit den ausgewählten Kollegiaten und Kollegiatinnen zusammen; dort wurden gegenseitig die Projekte, an denen man arbeitet, vorgestellt und gemeinsame Themen diskutiert. Die Künstlerinnen oder Künstler und der Gastwissenschaftler waren wenn immer möglich bei diesem wissenschaftlichen Diskurs in den Seminarien dabei. Selbst «notorische, ja professionelle Einzelgänger» wie die Schriftstellerin Brigitte Kronauer mussten sich «etwas plötzlich in eine kommunikationsbereite Person verwandeln», wie Kronauer selbst sagte (in: Die Weltwoche, 22.1.1998).

Fellows statt Graduiertenkolleg

In den letzten Jahren hat sich einiges verändert. 2004 kam die Universität Zürich als offizielle Mitträgerin des Collegium Helveticum dazu. Im gleichen Jahr verabschiedete man sich von der Idee eines Graduiertenkollegs und führte neu die sogenannte Fellows-Struktur ein. Sechs Forscher, je drei von ETHZ und UZH, stellen zwanzig Prozent ihrer Arbeitszeit dem Collegium zur Verfügung, um zusammen Projekte zu bearbeiten. Als gemeines Forschungsprojekt haben die Leitung des Collegium und die Fellows, die für fünf Jahre am Collegium Helveticum wirken, das Thema «Die Rolle der Emotion: ihr Anteil bei menschlichem Handeln und bei der Setzung sozialer Normen » ausgewählt.

Die gemeinsame Trägerschaft von UZH und ETHZ ermöglicht es, dass die Wissenschaftler sich innerhalb der experimentellen Forschung über die anderen Fellows an Laboratorien beider Hochschulen anbinden können. Dies reicht von der Hirnforschung über Chemie und Physik bis hin zur Medizin am Zürcher Universitätsspital. Die Chance, transdisziplinär die verschiedensten Laboratorien zu nutzen und an deren Wissen teilzuhaben, ist als etablierte Struktur in der Welt der Hochschulen einmalig. Neben den sechs Fellows ergänzen zurzeit vier assoziierte Fellows sowie die beiden Künstler Lutz&Guggisberg den Kreis.

Wechselnde Leitung

Adolf Muschg setzte sich zwar sehr für das Collegium Helveticum ein, doch blieb er statt drei Jahren nur ein Jahr dessen Leiter. Nach ihm folgte die Professorin für Wissenschaftsforschung Helga Nowotny, danach interimistisch der Agrarwirtschafter Peter Rieder, und seit Herbst 2004 steht Gerd Folkers, Professor für Pharmazeutische Chemie, dem Collegium Helveticum vor. Mit ihm hat sich der Think Tank stärker der Öffentlichkeit geöffnet, indem populärere Themen wie «Was ist Schmerz?» oder «Wie beeinflussen Emotionen unsere Entscheide?» aufgegriffen werden. Sie stehen alle vor dem Hintergrund des Emotionsthemas, welches das Collegium noch rund zwei weitere Jahre beschäftigen wird. Was sich die neuen Mitwirkenden des Collegium Helveticum danach, mit einer neuen Gruppe von Fellows, und in den nächsten zehn Jahren ausdenken werden, darauf darf man gespannt sein.

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