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Vorlesungen «on demand»

Video als Lehrmittel: Der Biologe Kurt Hanselmann bietet seine Vorlesungen «Einführung in die Mikrobiologie» und «Biochemie des mikrobiellen Stoffwechsels» online mit Videounterstützung an. Die angehenden Naturwissenschaftlerinnen und -wissenschaftler können den Stoff so jederzeit vor- oder nacharbeiten.
Marita Fuchs

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Herr Hanselmann, Sie haben in diesem Sommersemester zwei Ihrer Vorlesungen mit einem Tablet-PC aufgenommen, um sie im Internet zur Verfügung zu stellen. Wird in Zukunft vom heimischen Sofa aus studiert?

Kurt Hanselmann: Die Streamingvideos sind als Ergänzung zu meiner Präsenzvorlesung gedacht, nicht als Ersatz. Die Videos können via Internet angeschaut werden. Der Inhalt ist so konzipiert, dass Studierende den Stoff gezielt nacharbeiten oder sich per Video auf die Prüfung vorbereiten können.

Interessanterweise habe ich durch das erweiterte Lehrverfahren, das auch Übungen und Tests übers Internet beinhaltet, sehr viel mehr Rückmeldungen von Studierenden erhalten als früher. Anscheinend ist die Hemmschwelle kleiner, per E-Mail oder Blog im Online-Learning-Forum OLAT der Universität Zürich Fragen zur Vorlesung zu stellen, als mündlich in der Vorlesung. Durch das wiederholte Sehen und Hören entwickeln sich auch andere Fragen und spannende Diskussionen. Insofern entsteht eine neue Dynamik, auch vom Sofa aus.

«Die neuen Lehrverfahren führen auch zu mehr Rückmeldungen von den Studierenden»: Kurt Hanselmann.

Wie sind Ihre Vorlesungen und damit Ihre Videostreams aufgebaut?

Kurt Hanselmann: Ich habe mein inhaltliches Konzept über viele Jahre hinweg aufgebaut und feile ständig an jeder Vorlesung. Didaktisch gehe ich von Fragestellungen aus, die dann gemeinsam mit den Studierenden entwickelt und beantwortet werden. Wir benutzen ein sehr gut geschriebenes Lehrbuch als Grundlage und PowerPoint-Folien, in denen nicht schon alle Ergebnisse eingetragen sind. Die leeren Stellen erarbeite ich in Zusammenarbeit mit den Studierenden.

Dazu benutze ich ein Tablet, das handschriftliche Anmerkungen in allen Officeprogrammen ermöglicht. Der Desktop wird projiziert, so dass alle ihn sehen können, und gleichzeitig wird der Inhalt zusammen mit dem Ton ins Internet gestreamed. Die Folien werden nach und nach ergänzt, ich kann also mit einem Stift anstreichen, markieren, schreiben, Bilder platzieren und auch die Bilder bearbeiten – das immer im Gespräch mit den Studierenden, die so am Prozess des gemeinsamen Erarbeitens aktiv beteiligt sind. Bei maximal 50 Teilnehmern pro Veranstaltung geht das sehr gut, bei wenigen besser als bei vielen. Die Folien und der gesprochene Text stehen als gemeinsames Arbeitsergebnis den Studierenden im Web zur Verfügung.

Didaktisch sinnvoll ist die Einteilung des Stoffes in kleine überschaubare Einheiten, die jeweils mit Zusammenfassungen enden. Das sind auch die Stellen, die im Video markiert sind und im Internet über ein Inhaltsverzeichnis angesprochen werden können.

Die Studierenden sollen sich ja nicht die gesamte Vorlesung noch einmal anhören müssen, sondern gezielt jene Sequenzen anschauen, die sie nicht verstanden haben und noch einmal nachvollziehen möchten.

Wie können die Studierenden sich über ihren Kenntnisstand informieren?

Kurt Hanselmann: Die Studierenden legen jede Woche Tests zur Lehrveranstaltung über die Lernplattform OLAT ab. Die Ergebnisse können sie anschliessend sofort abfragen, so erhalten sie ein direktes Feedback über ihren Wissensstand. Neben den mit Multiple-Choice-Fragen durchgeführten Tests sind mir auch schriftliche Arbeiten wichtig. Jeder meiner Studierenden schreibt eine mehrseitige Fallstudie über ein selbst gewähltes Thema. Dazu gehört eine kritische Internetrecherche und eine klare schriftliche Ausdrucksweise. Auch für Naturwissenschaftler ist «Schreibenkönnen» ein wichtiges Lernziel. Alle Studierenden, ob sie nun in der Vorlesung waren oder mit dem Videostream gearbeitet haben, müssen die Prüfungen an einem festgelegten Tag, im Computerraum und übers OLAT ablegen. Sie bekommen eine sofortige Rückmeldung, nachdem sie das Examen beendet haben.

Wollen Sie denn in Zukunft «Distant Learning Courses» anbieten?

Kurt Hanselmann: Ja, wir planen das für das nächste Semester. Studierende, die aus arbeitstechnischen, gesundheitlichen, stundenplantechnischen oder familiären Gründen bisher die beiden Mikrobiologiekurse nicht belegen konnten, können sich für den «Distance Learning Course» anmelden. Die Teilnehmer werden mit dem Lehrbuch und den aufgezeichneten Videos arbeiten und sich dreimal an einem Samstagmorgen treffen. Beim ersten Treffen erfolgt eine Einführung in die Mikrobiologie, in die Lernziele und ins OLAT, und an den beiden anderen Terminen werden Prüfungen abgehalten.

Es wird sich dann zeigen, wie die jeweilige Vorlesungsart – auf Distanz oder mit Präsenz – ankommt und wie hoch der Lernerfolg ist. Aus der Präsenzvorlesung haben wir statistisch sauberes Vergleichsmaterial.

Wie erleben Sie sich selbst auf den Videos?

Kurt Hanselmann: Es ist heilsam, sich die eigene Vorlesung anzuhören. Ich höre mich selbst sehr kritisch ab und bin ab und zu im Nachhinein beschämt, wenn ich mich unpräzise ausgedrückt habe. Dies hat aber dazu geführt, dass ich immer mehr auf eine noch korrektere Ausdrucksweise geachtet habe. Insofern lernt man selber auch viel. Allerdings darf dabei die Spontaneität nicht verloren gehen.

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