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«Glattzentrum am See»

Philip Ursprung, Professor für Moderne und zeitgenössische Kunst an der Universität Zürich, kritisiert die Pläne für das geplante Zürcher Kongresszentrum am See scharf. Statt internationaler Spitzenarchitektur werde den Zürcherinnen und Zürchern ein «mediokres Standardprojekt» geboten, meint Ursprung in seinem Beitrag im aktuellen «unimagazin».
Philip Ursprung

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Vor kurzem hat der spanische Architekt Rafael Moneo in Zürich die revidierten Pläne für das neue Kongresszentrum vorgestellt. Gleichzeitig hat die Baudirektion bekanntgegeben, dass sie dem Antrag der Stadt nachkommt und das 1939 errichtete Kongresshaus nicht unter Denkmalschutz stellen, sondern zum Abriss freigeben wird. Im Unterschied zum geplanten Fussballstadion ist es um das Kongresshaus bisher erstaunlich still geblieben. Dies liegt unter anderem daran, dass die Printmedien die Debatte gar nicht erst zulassen. Der «Tages-Anzeiger» hat einen Verriss des Projekts durch einen freien Mitarbeiter nicht gedruckt. Die «Neue Zürcher Zeitung» hält sich mit Ausnahme eines polemischen Aufsatzes ihres Architekturredakteurs bedeckt. Und der mit dem Projekt betraute Generalunternehmer hat das streitbare «Hochparterre » mit Inseratestopp unter Druck gesetzt.

Zeigt dem See die kalte Schulter: Das geplante Kongresszentrum von Rafael Moneo.

Die Architekturexperten sind fast geschlossen gegen Moneos Projekt, aber sie haben immer weniger Plattformen, um die Öffentlichkeit zu erreichen. Ich will deshalb den hier verfügbaren Raum nutzen, um das Projekt zu kritisieren.

Das Projekt nimmt in keiner Weise auf den privilegierten Ort am See Bezug und bietet weder den Kongressbesuchern noch den Passanten etwas Besonderes. Es zeigt dem See und den Alpen die kalte Schulter (nämlich die Verwaltungsbüros) und offeriert der Öffentlichkeit lediglich ein im Obergeschoss liegendes, winziges Restaurant, drei kleine Shops sowie ein bescheidenes Stückchen Park. Dies ist nicht nur der Fehler des Architekten. Gewiss, die Fassade ist eintönig, der Anschluss an die bestehende Tonhalle ist unbeholfen, die inneren Abläufe sind schlecht organisiert. Aber letztlich würde auch eine bessere Gestaltung das zentrale Problem nicht lösen, nämlich dass das Zentrum am falschen Ort ist.

Kongresszentren sind von Natur aus grosse, hermetisch gegen die Umwelt abgeschottete Kisten. Es sind Black Boxes, deren Zweck alleine darin besteht, im Innern so flexibel wie möglich zu sein. Es sind genuin globalisierte Bauten, so wie Flughafenterminals, Shopping Malls und Verteilzentren. Sie können im Prinzip irgendwo stehen, aber am besten funktionieren sie in verkehrsgünstiger Lage, zum Beispiel bei Bahnhöfen oder Autobahnknotenpunkten.

Die Zürcher Behörden, die so gerne in einer globalisierten Stadt wirken würden, evozieren Vorbilder wie Jean Nouvels Kultur- und Kongresszentrum Luzern. Nur handelt es sich dort nicht um ein monofunktionales Gebilde. Es verbindet einen Konzertsaal, ein Museum sowie den direkten Anstoss an den See mit den Kongresssälen. In Zürich ist, so scheint es, die Raison d’être für das Zentrum das geplante Kongresshotel sowie das unterirdische Parkhaus. Statt der Bevölkerung den See näher zu bringen, riegelt das Zentrum ihn ab. Und statt ihr ein Stück internationaler Spitzenarchitektur zu bescheren, speist es sie mit einem mediokren Standardprojekt ab. Zürich hat sich in den letzten Jahren erfolgreich gegen die Suburbanisierung der Innenstadt gewehrt und sich für eine urbane Identität engagiert. Nun gibt es ohne Not seinen Widerstand auf und öffnet der Peripherie die Tore. Wenn Moneos Projekt realisiert wird, liegt das Glattzentrum endlich am See.