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Chemische Fitmacher für alle?

Schneller, gescheiter, fröhlicher durch den Alltag dank neuer Medikamente? Katharina Bochsler und Christian Heuss von «Wissenschaft DRS 2» diskutierten am letzten Tag der BrainFair mit prominenten Gästen über die chemischen Fitmacher neuster Generation.
Brigitte Blöchlinger

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Fitmacher neuster Generation: die chemische Struktur von Modafinil

Bessere Laune, ein verlässlicheres Gedächtnis und schnelleres Denken: Medikamente mit dem Wirkstoff Modafinil können das Gehirn zu Höchstleistungen antreiben. Ursprünglich für Kranke entwickelt, scheinen sich Modafinil-haltige Medikamente mehr und mehr zur Volkspille zu entwickeln. Doch was bedeutet es, wenn Medikamente für Kranke zu Fitmachern für Gesunde werden? An der von Schweizer Radio DRS 2 live übertragenen Diskussion im Rahmen der BrainFair 2007 gingen die Meinungen der eingeladenen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zu den neuen Muntermachern der Nation weit auseinander.

Muntermacher der Nation

Der Pharmakologe Felix Hasler von der Universität Zürich bezeichnete die heutige Situation als Wendepunkt im Umgang mit Stimulanzien: «Im Windschatten von Alzheimer- und Demenz-Forschung» seien subtile Substanzen entwickelt worden, die viel gezielter auf das Gehirn einwirkten und bedeutend weniger Nebenwirkungen hätten als frühere Psychopharmaka. Mit ihnen werde es möglich, 16 Stunden voll konzentriert bei höchster Leistung durchzuarbeiten; wie häufig eine solche Parforce-Leistung wiederholt werden könne, sei noch unklar.

Beobachtet eine bedeutende Wende im Umgang mit Stimulanzien: Pharmakologe Dr. Felix Hasler.

Genügend Schlaf statt Pillen empfahl denn auch der Ethiker Prof. Jean-Claude Wolf von der Universität Fribourg. Wolf plädierte zwar nicht für ein Verbot der neuen Pillen, doch gab er zu bedenken, dass die neuen Substanzen den Konkurrenzdruck unter Gesunden erheblich verstärkten. Wenn Individuen von sich aus zu Leistungsförderern griffen, sei das deren Privatsache. Aber in der Arbeitswelt hätten die Angestellten schnell einmal das Gefühl, Stimulanzien einnehmen zu müssen, um effizienter zu sein. Mit chemischen Mitteln erzielte Lernerfolge würden aber nicht im Langzeitgedächtnis gespeichert: «Langfristig lernen wir nur, indem wir möglichst viele Fehler machen und diese mühselig korrigieren.»

Wachsein wofür?

In den USA greifen rund zwanzig Prozent der Studierenden zu den neuen Pillen, warf Pharmakologe Hasler ein. In bestimmten Tätigkeitsfeldern machten Leistungsförderer durchaus Sinn, sagte er und erwähnte als Beispiel dafür die Öltanker-Umweltkatastrophe Exxon Valdez von 1989, an der übermüdetes Personal schuld gewesen sein soll (andere Quellen sagen, der Schiffskapitän sei betrunken gewesen). Modafinil werde von den USA auch im Irak-Krieg eingesetzt, führte Hasler weiter aus, um die Konzentration der Bomberpiloten zu steigern und Fehlbombardierungen nachts zu reduzieren. – Das letzte Beispiel zeige, warf Ethiker Wolf daraufhin ein, dass Wachheit als solche keinen Wert besitze, es komme doch sehr darauf an, wofür sie eingesetzt werde. Im Spital oder auf Langstreckenflügen seien chemische Muntermacher für die Verantwortlichen sinnvoll.

Stimulanzien für die Massen

Der gesellschaftlichen Entwicklung hinter dem subtilen Zwang zu mehr Leistungsfähigkeit gingen Brigitte Woggon, Psychiaterin, und Michael Hagner, Wissenschaftshistoriker, nach. «Ist das richtig, wenn man so viel leisten muss, dass man es nur noch mit Medikamenten schafft?» Woggon selbst würde «so was» nehmen, wenn sie merken würde, dass sie ihren eigenen Anforderungen nicht mehr genüge. Sie fand es allerdings problematisch, dass viele Leute erst dann die Welt moralisch verändern wollten, wenn es eine Pille zu einem Problem gebe. «Statt die Probleme vorher zu lösen, wenn es noch keine Pille gibt.»

Hat keine Berührungsängste mit Psychopharmaka: Psychiaterin Prof. Brigitte Woggon.

Der Wissenschaftsforscher Hagner hingegen verwarf für sich die Option, die Leistungsfähigkeit im Alter mit Medikamenten zu steigern. Für ihn bedeute Altern auch die Lebenskunst, das auszuprobieren, was einem entspreche, und nicht einer verloren gegangen Jugendlichkeit hinterher zu rennen. Hagner wies darauf hin, dass Aufputschmittel an sich nichts Neues seien und bereits in der Antike mit Stimulanzien experimentiert wurde. Neu sei aber, dass Aufputschmittel zu Massenphänomenen würden und sich damit nun auch viel Geld verdienen lasse.

Dass an der Universität Zürich Medikamente nicht ganz so locker eingeworfen werden, wie die Diskussion vermuten liess, zeigte eine kurze Umfrage von DRS 2 unter Studierenden. Das Stärkste, was diese bei Prüfungsangst einnehmen, waren Betablocker und Schlafmittel. Die absolute Mehrheit greift nach eigenen Angaben zu sanften Mitteln wie Traubenzucker, Baldrian, Beruhigungstees, Bachblüten, autogenes Training – oder setzt auf das «Glücksgefühl, das einen beim Lernen befallen kann».