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Wissenschaft und Politik verbinden

«Wissenschaftliche Politikstipendien» ermöglichen es Akademikerinnen und Akademikern, während eines Jahres die schweizerische Politik von innen kennen zu lernen. Seit August 2006 ist der Biologe Frank Rutschmann in dieser Funktion im Bundeshaus unterwegs.
Adrian Ritter

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Biologe Dr. Frank Rutschmann im Vorzimmer des Ständerates: «Ich darf die Politik von ganz innen erleben.»

Aktiv und offen für Neues war Frank Rutschmann (36) schon immer. Auf dem zweiten Bildungsweg nahm er das Studium der Biologie in Angriff und doktorierte im vergangenen Sommer in Systematischer Biologie an der Universität Zürich. Seine Hochschulzeit nutze er auch, um in der Redaktion des damaligen «Radio Unispital» für die klassische Musik zuständig zu sein oder um öffentliche Diavorträge über seine Reisen nach Russland und Nepal zu veranstalten.

Baustelle Politik

Seit August 2006 ist er als «Bauarbeiter» tätig, baut im Bundeshaus Brücken zwischen Politik und Wissenschaft. Baustellen gibt es dort viele, nicht zuletzt, weil das Bundeshaus selber derzeit renoviert wird. Gebaut wird aber auch an zahllosen politischen Projekten. «Ich darf die Politik von ganz innen erleben», sagt Rutschmann.

Als wissenschaftlicher Politikstipendiat begleitet er ein Jahr lang die Arbeit der beiden «Kommissionen für Umwelt, Raumplanung und Energie» (UREK) von Nationalrat und Ständerat. Die beiden Kommissionen setzen sich aus 13 Stände- beziehungsweise 25 Nationalrätinnen und Nationalräten zusammen. Sie bereiten jeweils zwischen den Sessionen die Geschäfte der beiden Räte vor. Aktuell sind Themen wie das Stromversorgungsgesetz, das Mineralölsteuergesetz oder die Umsetzung des CO2-Gesetzes.

Frank Rutschmann hilft die Sitzungen der Kommissionen vor- und nachzubereiten. Er sucht wissenschaftliche Gutachten, schreibt Zusammenfassungen oder bereitet Unterlagen für Pressekonferenzen vor. Mitreden darf Rutschmann während der Sitzungen allerdings nicht. Umso mehr freut es ihn, wenn er in den Pausen gelegentlich nach seiner Meinung gefragt wird. Die Parlamentarier wollen dann zum Beispiel wissen, was die Wälder dazu beitragen können, den CO2-Gehalt zu senken oder wie Gaskraftwerke aus der Sicht des Klimaschutzes zu beurteilen sind.

Einblicken und vermitteln

Die Akademien der Wissenschaften Schweiz haben die wissenschaftlichen Politikstipendien 2001 ins Leben gerufen. Ziel ist es, dass junge Akademikerinnen und Akademiker einen «vertieften Einblick in politische Abläufe, Diskussionskultur und Entscheidungsprozesse erhalten». Diese Erfahrung soll im weiteren Berufsleben helfen, zwischen den unterschiedlichen Kulturen von Politik, Verwaltung und Wissenschaft zu vermitteln.

Frank Rutschmann interessiert sich seit seiner Jugend für politische Fragen, insbesondere für Umweltpolitik. «Mitglied einer Partei bin ich allerdings nicht.» Während der Zeit seiner Dissertation erlebte er die Diskussion um die Freisetzung von gentechnisch veränderten Pflanzen und sah, wie wichtig es ist, dass sich die Wissenschaft Zeit nimmt, um den Kontakt zur Gesellschaft zu suchen. «Wenn die Gesellschaft zuwenig versteht, wie die Wissenschaft funktioniert oder sogar Angst hat vor ihr, schadet das beiden Seiten.»

Wer ein «wissenschaftliches Politikstipendium» zugesprochen erhält, unterstützt während eines Jahres die Arbeit in den Kommissionen von National- und Ständerat.

Offen und sachlich

Bis vor kurzem war Rutschmann überzeugt: Politiker interessieren sich bei ihren Entscheidungen nicht für wissenschaftliche Fakten. Diese Ansicht hat er nach vier Monaten im Bundeshaus geändert. Er erlebt die Politikerinnen und Politiker als interessiert und ist erstaunt, wie sachlich die Diskussionen in den Kommissionen ablaufen. «Die Parlamentarierinnen und Parlamentarier kennen die naturwissenschaftlichen Fakten durchaus. Allerdings ist mir bewusst, dass bei ihren Entscheidungen auch zahlreiche andere Faktoren eine Rolle spielen, zum Beispiel parteipolitische oder wirtschaftliche Überlegungen», so Rutschmann.

Umso wichtiger sei es, dass auch die Wissenschaft in Bern präsent ist, ist Rutschmann überzeugt. Die Wissenschaft sollte sich nicht scheuen, zu politischen Themen Stellung zu beziehen, vermehrt den Kontakt zu Politikern suchen und diese beispielsweise zu wissenschaftlichen Kongressen einzuladen.

Neue Baustellen

Rutschmann selber wird noch bis Sommer 2007 in Bern tätig sein. Die Renovation des Bundeshauses wird bis dann nicht abgeschlossen sein. Unter Dach und Fach sollten aber einige der Geschäfte sein, die Frank Rutschmann derzeit begleitet. Und neue Baustellen werden in der UREK eröffnet sein, etwa das Geoinformationsgesetz, welches die Erfassung und Verfügbarkeit geographischer Daten regeln soll oder das Sicherheitskontrollgesetz, welches das Risikomanagement beispielsweise von Kraftwerken und Transportunternehmen vereinheitlichen will.

Wie es bei Frank Rutschmann nach dem Politikstipendium weitergeht, weiss er noch nicht. Vorerst geniesst er die Rolle, der Wissenschaft in der politischen Arbeit in Bern ein Gesicht geben zu können.