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Burnout: Ausbrechen aus dem Teufelskreis

Burnout ist spätestens seit dem Rücktritt des früheren FDP-Präsidenten Rolf Schweiger ein öffentlich anerkanntes Phänomen. Am Arbeitsplatz ist es nach wie vor meist tabuisiert. Beate Schulze, Leiterin des Zürcher Empowerment-Programms für Stressmanagement und Burnout-Prävention an der Psychiatrischen Universitätsklinik Zürich erzählt im unipublic-Interview, was Burnout ist und wie man ihm vorbeugen kann.
Interview: Theo von Däniken

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unipublic: In den Medien ist Burnout seit längerer Zeit ein Thema. Was ist genau ein Burnout-Syndrom. Wie äussert es sich?

Beate Schulze: Das Burnout-Syndrom ist eine Belastungsreaktion auf chronischen Stress am Arbeitsplatz. Dabei gibt es drei Kernsymptome: Erstens eine emotionale Erschöpfung, das heisst man ist häufig müde und abgespannt, hat keine Energie mehr und entwickelt psychosomatische Beschwerden. Zweitens distanziert man sich zunehmend von der Arbeit und sieht keinen Sinn mehr in der eigenen Tätigkeit. Schliesslich verliert man das Vertrauen an die eigenen Fähigkeiten und erlebt ein Gefühl beruflichen Versagens.

Oft kommt es zu einem Teufelskreis: zu Beginn führt erhöhter Arbeitsanfall zur Erschöpfung und dem Gefühl, nicht mehr mithalten zu können. Kurzfristig kann dies mit Mehrarbeit wettgemacht werden. Schon bald aber nimmt die eigene Belastbarkeit ab und man entwickelt eine negative Haltung der Arbeit gegenüber. Überlastung und Motivationskrise lassen dann das eigene Leistungsniveau tatsächlich abfallen, und man fühlt sich in dem Eindruck des beruflichen Misserfolgs bestätigt.

Was kann man tun, damit man nicht in diesen Teufelskreis gerät?

An erster Stelle steht ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Arbeit und Erholung. In akuten Stresssituation ist es hilfreich, sich mittels Unterstützung von Kolleginnen und Kollegen oder Delegieren von Aufgaben zu entlasten. Auch ein gesunder Lebensstil bezüglich Ernährung, Bewegung und Schlafhygiene stärkt die Stressresistenz und Belastbarkeit im Beruf. Stress- und Zeitmanagementtrainings können wertvolle Fähigkeiten im Umgang mit Arbeitsbelastungen vermitteln. Wichtig für die Burnout-Prävention ist es zudem, sich regelmässig selbst den Spiegel vorzuhalten: Inwieweit stehen persönliche Ziele im Einklang mit den Möglichkeiten und Perspektiven des Jobs?

Frühzeitiges Erkennen ist wichtig

Muss auch der Arbeitgeber zur Prävention beitragen? Wenn ja, wie?

Je früher man Anzeichen für ein Burnout erkennt, desto schneller kann man den Burnout-Teufelskreis unterbrechen und negative Folgen für die Gesundheit vermeiden. Dafür darf Burnout vor allem am Arbeitsplatz kein Tabu-Thema bleiben. Denn an Wissen über Stress und gesunden Umgang mit Arbeitsbelastungen mangelt es bei Mitarbeitern oft nicht. Stärker ausgeprägt ist die Angst, als nicht mehr belastbar zu gelten.

Arbeitgeber können mit einer ganzen Reihe von Massnahmen Burnout-Prävention leisten. Im Vordergrund steht hier, die Arbeitsinhalte und Arbeitsumgebung optimal an die Fähigkeiten der Mitarbeiter anzupassen. Die Arbeitszufriedenheit und Produktivität ist am höchsten, wenn Mitarbeitende weder unter- noch überfordert sind. Weitere Möglichkeiten sind der Einbezug von MitarbeiterInnen in die Gestaltung von Arbeitsabläufen, eine Begrenzung der Überstunden oder spezielle Trainings in effektiver Mitarbeiterführung für Führungskräfte.

Wenn es trotzdem zum Burnout kommt, wie sieht die Behandlung aus?

Wenn Burnout-Symptome bereits so weit fortgeschritten sind, dass sie zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen führen, ist eine Krankschreibung sowie professionelle Hilfe gefragt. Kognitive Verhaltenstherapie hat sich als besonders wirksam erwiesen, das eigene Verhältnis zur Arbeit neu zu beleuchten und so eine bessere Work-Life-Balance herstellen zu können. Das gilt nicht nur bei psychischen Leiden, denn hinter vielen körperlichen Symptomen wie Rückenbeschwerden oder chronischen Kopfschmerzen verbergen sich oft Stressbelastungen. Liegt eine Depression vor, sind vorsichtig dosierte Antidepressiva angezeigt.

Schnittstellen zwischen Medizin und Wirtschaft

Sollte in die Behandlung auch die Situation am Arbeitsplatz einbezogen werden? Welche Möglichkeiten hat hier ein behandelnder Arzt?

Wie bei der Prävention spielt das Arbeitsumfeld auch bei der Therapie eine wichtige Rolle. Schliesslich entsteht Burnout am Arbeitsplatz. Im Patientengespräch sollte der Umgang mit der Arbeit eine wichtige Rolle spielen. Mit welchen Erwartungen ist der Patient in den Beruf gestartet? In wieweit kollidieren seine hohen Ansprüche mit der Realität? Denn oft sind es die Engagiertesten, die Gefahr laufen, ein Burnout zu entwickeln. Im Anschluss an die Behandlung geht es darum, die berufliche Zukunft zu planen - in enger Abstimmung mit dem Arbeitgeber.

Hier sind Schnittstellen zur Wirtschaft für Ärzte und Ärztinnen zunehmend wichtiger. Denn bei der Entstehung der beiden weltweit grössten Gesundheitsprobleme – Herz-Kreislauferkrankungen und Depression – ist Stress ein bedeutender Faktor. Es braucht deshalb einen verstärkten Austausch zwischen Medizin und dem Human Ressources-Bereich. Das Symposium, das wir gemeinsam mit der Schweizerischen Dialogplattform für Burnout-Fragen, Swiss Burnout, organisiert haben, fördert diesen Dialog.

Sie leiten das Zürcher Empowerment Programm für Stressmanagement und Burnout-Prävention. Was ist der Fokus dieses Forschungsprogrammes?

Im Rahmen des Zürcher Empowerment Programms entwickeln wir ein wissenschaftlich fundiertes Programm zu Stressmanagement und Burnout-Prävention im Gesundheitswesen. Dazu haben wir bisher in der gesamten Deutschschweiz über 200 Ärzte, Pflegekräfte und andere im Gesundheitswesen beschäftigte Berufsgruppen zu ihren Arbeitsbelastungen und -ressourcen befragt. Wir wollten wissen, was die spezifischen Stressoren in der psychiatrischen und medizinischen Versorgung sind. Anhand der Ergebnisse entwickeln und testen wir gegenwärtig bedarfsorientierte Trainingsmodule, die wir ab Anfang 2006 für Kliniken und andere Gesundheitseinrichtungen anbieten werden. Parallel bieten wir Beratung zur Optimierung organisatorischer Prozesse im Hinblick auf ein gesundheitsförderndes Arbeitsklima an. Auch die Präventionsstrategien werden hinsichtlich ihrer Wirksamkeit evaluiert.

Bedeutende wirtschaftliche Ausfälle

Weiss man etwas über die Zahl der Burnout-Fälle in der Schweiz?

83% aller Arbeitskräfte in der Schweiz fühlen sich laut einer aktuellen Studie des Staatssekretariats für Wirtschaft (seco) gestresst. Eine allgemeine Statistik über Burnout-Fälle gibt es bislang nicht, auch nicht im internationalen Rahmen. Vorläufige Ergebnisse des Zürcher Empowerment Programms deuten darauf hin, dass bis zu 25% der Mitarbeitenden in der psychiatrischen Versorgung in hohem Masse unter emotionaler Erschöpfung leiden. Ein internationaler Review konstatiert zudem, dass Burnout seit den ersten Studien in den 1980er Jahren im Ansteigen begriffen ist, und führt dies auf steigende Arbeitsbelastungen in den letzten zehn Jahren zurück. Ein Befund, den die Seco-Studie zu Stressbelastungen in der Schweiz teilt. Burnout-Prävention ist also aktueller denn je.

Welche wirtschaftlichen Auswirkungen entstehen durch diese Burnout-Fälle?

Stressbedingte Beschwerden kosten die Schweiz jährlich 4,2 Milliarden Franken. Das sind 1,2% des Bruttoinlandsprodukts. Burnout und seine Folgen werden für ein grosses Stück dieses Kuchens verantwortlich sein. Besonders hohe Kosten entstehen, wenn Burnout lange nicht erkannt wird und sich in der Folge psychische Erkrankungen wie eine Depression entwickeln. Den Löwenanteil der Kosten, nämlich 95%, machen gemäss einer aktuellen englischen Studie Absenzen und Produktivitätseinbussen aus. In Kanada haben sich deshalb bereits Arbeitgeber zu einer «Global Business and Economic Roundtable» zur psychischen Gesundheit zusammengefunden. Sie wollen mittels Früherkennung und besserer Unterstützung der Betroffenen am Arbeitsplatz die Krankschreibungen drastisch senken. Burnout ist also nicht nur ein Problem aus medizinischer Sicht, sondern auch ein nicht zu unterschätzender Wirtschaftsfaktor.