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Wider die Wüsten in der Kinderbetreuung

Fehlende Kinderbetreuungsplätze sind nicht nur ein individuelles Problem. Sie wirken sich auch nachteilig auf die Attraktivität eines Hochschulstandortes aus. Im Hochschulraum Zürich fehlen derzeit rund 130 Betreuungsplätze, wie Sergio Tassinari, Co-Autor einer neuen Nationalfonds-Studie erläutert.
Marita Fuchs

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Laut einer am 27. Juli veröffentlichten Studie des Schweizerischen Nationalfonds (SNF) fehlen schweizweit rund 50'000 Plätze bei familienergänzenden Betreuungsangeboten im Vorschulbereich. Bei einem aktuellen Angebot von geschätzten 30'000 Plätzen sind nur 40% Prozent der Bedürfnisse abgedeckt. Zwar wurde das Angebot in jüngster Zeit ausgebaut, doch fehlte bisher eine klare Bedürfnisanalyse, die jetzt mit der Studie vorgelegt wurde.

Schweizweit stehen nur rund 40% der gewünschten Betreuungsplätze zur Verfügung.

Väter sind gefragt

Wesentliche Faktoren für eine externe Kinderbetreuung sind das Einkommen der Eltern sowie der Bildungsgrad und das Alter der Mütter. So steigt bei einem zehn Prozent höheren Lohn das Bedürfnis nach einer externen Betreuungsform um 5,6 Prozent. Weiter wird der Wunsch nach einer Kinderkrippe grösser, je besser ausgebildet und je älter die Mutter ist. Hingegen sinkt die Nachfrage, wenn sich auch der Vater aktiv an der Kinderbetreuung beteiligt.

Daraus lässt sich schliessen, so einer der Co-Autoren der Studie, Sergio Tassinari, dass die Betreuungsnachfrage zurückgehen würde, sobald mehr Männer die Möglichkeit hätten, sich zum Beispiel aufgrund von Job-Sharing an der Betreuung der Kinder zu beteiligen.

Warten auf einen begehrten Krippenplatz

Auch im universitären Umfeld wächst die Nachfrage nach Betreuungsplätzen ständig. Dies belegen die Wartelisten der universitären und universitätsnahen Kinderkrippen. So warteten zum Beispiel im Januar 2005 31 Kinder auf einen Platz in der universitätsnahen Kinderkrippe «Pitschi» an der Schönberggasse. Für die zehn Kinderkrippen im Hochschulraum stehen insgesamt 200 Kinder auf den Wartelisten. Sergio Tassinari, der auch als Geschäftsleiter der Stiftung für Kinderbetreuung Hochschulraum Zürich (kihz) arbeitet, rechnet vor: «Wir müssten 130 neue Betreuungsplätze schaffen, vor allem Plätze für Säuglinge, denn 60 Prozent der nachgefragten Plätze sind Anfragen für Säuglinge bis 18 Monaten.»

Ein gutes Betreuungsangebot spielt auch eine wichtige Rolle bei Berufungsverhandlungen.

Massgeblich bei der Wahl des Arbeitsplatzes

Tassinari ist davon überzeugt, dass ein gutes Kinderbetreuungsangebot für Dozierende ein Argument für die Entscheidung für einen Hochschulort ist. «Eine gute Kinderbetreuung ist ein Standortvorteil, denn Dozierende, die sich für die Universität Zürich entscheiden, wollen ihre Kinder gut betreut wissen.» Das bestätigt auch Jörg Kehl von der Abteilung Professuren der Universität Zürich: «In Berufungsverhandlungen spielt eine gute Kinderbetreuung eine massgebliche Rolle bei der Entscheidung für oder gegen einen Standort.»

Im grösseren Rahmen ist mit dem Betreuungsangebot auch ein gesellschaftspolitischer Aspekt verbunden. Laut einer Studie des Soziologen Beat Fux, so Tassinari, sind 40 Prozent der Akademikerinnen in der Schweiz kinderlos. Sie finden eben keine günstigen Bedingungen vor, um Arbeit und Familie zu vereinbaren. Die Gesellschaft sollte ein Interesse haben, diese dringend zu verbessern.

Schulergänzende Betreuung in den Ferien

Aber nicht nur für Kleinkinder, sondern auch für Schulkinder braucht es Betreuungsangebote. Gemäss der NFS-Studie bleiben Mütter mit Kindern im Primarschulalter eher zu Hause, weil die familienexterne Betreuung von Primarschülerinnen und -schülern grosse Lücken aufweist. Das Nachfragepotenzial in diesem Bereich ist allerdings noch nicht genau erfasst. Die Stiftung kihz unterhält Betreuungsangebote in den Schulferien. Zudem vermittelt sie kurzfristig Betreuerinnen oder Betreuer.

Landkarte der Betreuungsverhältnisse

Am 8. Juli 2005 stellen die Autoren der Studie den aktuellen Betreuungsindex vor, der die Betreuungsverhältnisse im Kanton Zürich in Form einer Landkarte visualisiert. «Man kann darauf genau sehen, wo die Wüsten sind, die noch begrünt werden müssen», sagt Tassinari. Der Betreuungsindex ist nicht nur eine Grundlage für die weitere Planung von Betreuungseinrichtungen, sondern könnte auch für Hochschulangehörige interessant sein, die ihren Wohnort nach den Betreuungsangeboten ausrichten möchten.