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«Mit Bologna auf dem richtigen Weg»

An einer Konferenz in der norwegischen Stadt Bergen haben letzte Woche 45 Bildungsminister aus europäischen Ländern eine Bestandesaufnahme der Bologna-Reformen vorgenommen und neue Schwerpunkte definiert. Für die Universität Zürich ändert sich wenig, da sie bei der Umsetzung ohnehin weit fortgeschritten ist.
Adrian Ritter

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Die Konferenz im norwegischen Bergen vom 19./20 Mai war die vierte grosse Konferenz im Rahmen des Bologna-Prozesses. Sie markierte Halbzeit bei den 1999 begonnenen Reformen, die 2010 abgeschlossen sein sollen. Die Schweiz war in Bergen mit einer sechsköpfigen Delegation unter der Leitung von Bundesrat Pascal Couchepin vertreten. Die Rektorenkonferenz der Schweizer Universitäten (CRUS) zog nach der Konferenz eine «positive Halbzeitbilanz» für die Schweiz.

Schwerpunkte bis 2007

Die Minister haben sich bis 2007 unter anderem folgende Schwerpunkte gesetzt: Verstärkt werden soll die Qualitätssicherung der Lehrean den Hochschulen. Um zu definieren, welche Kompetenzen die Studierenden neben dem Fachwissen im Laufe des Studiums erwerben sollen, soll ein «Qualifikationsrahmenwerk» erarbeitet werden. Zwischen Lehre und Forschung sollen vermehrt Synergien angestrebt werden. Als weiteren Schwerpunkt wollen die Minister die «soziale Dimension» der Hochschulen vermehrt beachten – gemeint ist insbesondere die Zugänglichkeit zum Studium ohne soziale Benachteiligungen.

«Wir sind einfach schneller als die Bildungsminister»: Fachstellen-Leiter Crispin Hugenschmidt zum Stand des Bologna-Prozesses an der Universität Zürich.

Viele Themen bereits angegangen

An der Universität Zürich sind Crispin Hugenschmidt und Sarah Bolleter von der Fachstelle Studienreform mit der Umsetzung der Bologna-Reformen beschäftigt. Die Konferenz in Bergen hat ihrer Einschätzung nach keine «bahnbrechenden Neuerungen» gebracht. «Die Konferenz hat uns aber bestätigt, dass wir auf dem richtigen Weg sind, denn viele dieser Themen sind wir bereits angegangen», so Fachstellen-Leiter Hugenschmidt.

Eine Arbeitsgruppe «Qualitätssicherung in der Lehre» sei dabei, bestehende Instrumente zu sichten und weiterzuentwickeln. Was die verlangten Kompetenzen der Studierenden anbelangt, so wird schon seit mehr als einem Jahr beim «Fragebogen für die Entwicklung und Strukturierung von Curricula» auf die «Dublin-Deskriptoren» gesetzt. Diese sind von einer europäischen Qualitätsinitiative formuliert worden und sehen vor, dass Kompetenzen, die über das Fachwissen hinausreichen, wie Problemlösungs- und Kommunikationsfähigkeit, verstärkt berücksichtigt werden. «Dieser Wechsel vom 'Wissen' zum 'Können' ist allerdings ein Kulturwandel, der noch einige Jahre beanspruchen wird», so Hugenschmidt.

Forschung und Lehre sollen einander nach Ansicht der Bildungsminister unter anderem dadurch angenähert werden, dass die Doktoratsstufe besser betreut und stärker strukturiert wird. Eine entsprechende Arbeitsgruppe der Universität Zürich besteht bereits und wird im Juni universitätsintern erste Resultate präsentieren. «Wir sind einfach schneller als die Bildungsminister», so Hugenschmidt lachend.

Zu langsam und zu wenig sozial

Weniger begeistert äusssert sich Andreas C. Trachsler. Er ist als Vertreter des Studierendenrates der Universität Zürich (StuRa) ebenfalls nach Bergen gereist, allerdings nicht an die Ministerkonferenz, sondern an das vorgängige Treffen des Europäischen Dachverbandes der Studierenden (ESIB).

Trachsler steht den Bologna-Reformen grundsätzlich kritisch gegenüber. Die Resultate der Konferenz erachtet er als «nicht gerade überwältigend». Zu vage formuliert sei die soziale Dimension, zu wenig vereinheitlicht bisher die Hochschulbildung und zu gering seien die Studierenden in den Bologna-Prozess eingebunden.

Erfolg für die Studierenden

Etwas anders beurteilt dies Lea Brunner, die als Vertreterin des Verbandes Schweizer Studierendenschaften (VSS) an der Ministerkonferenz teilgenommen hat. Dass die soziale Dimension nun stärker beachtet und auch in einem vergleichenden Länderbericht untersucht werden soll, sei ein Erfolg, auf den die Studierenden lange hingearbeitet hätten.

Mit der Mitbestimmung der Studierenden ist aber auch Brunner unzufrieden. Insbesondere was die Qualitätssicherung der Lehre anbelangt, beurteilt sie den Einbezug der Studierenden auch in der Schweiz als «desolat». Einen Fragebogen ausfüllen zu können, wie einem die Vorlesung gefallen habe, reiche nicht, so Brunner. «Esbraucht auch eine Mitsprache, wenn es darum geht, sich über die Kriterien von Qualität zu einigen.»

Studierende können sich an der Bologna-Umsetzung beteiligen: Sarah Bolleter von der Fachstelle Studienreform

Mitmachen – nicht immer einfach

An der Universität Zürich haben die Studierenden gemäss Sarah Bolleter in allen wichtigen Kommissionen und Arbeitsgruppen zu Bologna die Möglichkeit, sich zu beteiligen. «Manchmal ist unser Problem eher, die Studierenden zu motivieren, davon Gebrauch zu machen. Einmal mussten wir eine Veranstaltung zum Thema Bologna absagen, weil sich nur zwei Studierende angemeldet hatten.» Die Fachstelle gibt allerdings nicht auf, sondern organisiert demnächst einen Bologna-Apéro (vgl. unten).

Lea Brunner gibt zu bedenken, dass es nicht immer einfach sei, sich universitätspolitisch zu engagieren, gerade bei den durch Bologna stärker strukturierten Studiengängen. «Die Kompetenzen, die Studierende bei einer Mitarbeit in einer Arbeitsgruppe oder Kommission erlangen, sollten zumindest ausgewiesen oder allenfalls sogar mit ECTS-Punkten belohnt werden.»

Bologna auf dem Weg nach Osten

Bei allen noch offenen Fragen und der unterschiedlich fortgeschrittenen Umsetzung der Reformen scheint Bologna trotzdem nach wie vor eine grosse Anziehungskraft auszuüben. So sind an der Konferenz in Bergen die Länder Armenien, Aserbaidschan, Georgien, Moldawien und die Ukraine als neue Teilnehmer in den Bologna-Prozess aufgenommen worden. Der angestrebte «Europäische Hochschulraum» vergrössert sich also weiter. Nach dem nördlichen Bergen ist die nächste Konferenz der Bildungsminister im Jahre 2007 trotzdem nicht in Tiflis oder Eriwan, sondern in London geplant.

Die Schweizer Delegation an der Ministerkonferenz bestand aus folgenden Personen: Bundesrat Pascal Couchepin, Staatssekretär Charles Kleiber, Regierungsrätin Regine Aeppli, Bildungsdirektorin des Kantons Zürich, Eric Fumeaux, Direktor des Bundesamtes für Berufsbildung und Technologie, Jean-Marc Rapp, Präsident der Rektorenkonferenz der Schweizer Universitäten (CRUS) sowie Lea Brunner, Vertreterin der Schweizer Studierendenschaften.