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Kulturen des Alterns

Altersstark

Die Gesellschaft kann einen wesentlichen Beitrag zur psychischen und physischen Widerstandskraft älterer Menschen leisten, indem sie soziale Unterstützung bietet und psychische Erkrankungen thematisiert. Diese Überzeugung vertrat der Gerontopsychologe Mike Martin an seinem Vortag in der Reihe «Kulturen des Alterns» des Zentrums für Gerontopsychologie.
Marita Fuchs

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Menschen müssen im Verlauf ihres Lebens vielfältige Schicksalsschläge hinnehmen und verarbeiten können: Schwere Krankheiten, lange Arbeitslosigkeit, Verlust von nahe stehenden Personen und andere mehr. Die Stärke, solche Erlebnisse ohne anhaltende physische oder psychische Schädigung zu meistern, wird in der Psychologie als Resilienz bezeichnet. Für Mike Martin, Professor für Gerontopsychologie am Psychologischen Institut der Universität Zürich, haben Kultur und Gesellschaft starken Einfluss auf die Resilienz alter Menschen, wie er in einem Vortrag am vergangenen Mittwoch erläuterte.

Für Mike Martin kann die Gesellschaft einen wesentlichen Beitrag zur Resilienz alter Menschen leisten.

Individuum und Kultur als Konstanten

Bietet eine Gesellschaft genügend Möglichkeiten, psychischen Problemen zu begegnen, können viele Erkrankungen rechtzeitig abgefangen werden, ist Mike Martin überzeugt. Im Alter auftretende psychische Erkrankungen können auf eine frühe Störung zurückgehen, die nicht rechtzeitig behandelt worden ist. Deshalb ist das Angebot an Therapiemöglichkeiten und deren soziale Akzeptanz ein wichtiger Beitrag zur Resilienz. Allerdings hänge es auch immer vom Einzelnen ab, wie er das Angebot einer Gesellschaft nutze. Diese Wechselwirkung zwischen Individuum und Kultur beeinflusst Auftreten und Verlauf psychischer Erkrankungen.

Schutzwirkung der Ehe in Deutschland ausgeprägt

Dass das Auftreten von psychischen Erkankungen kulturell begründet sein kann, belegen vergleichbare repräsentative Studien aus den USA und Deutschland aus dem Jahr 2002. So treten beispielsweise Angststörungen in den USA drei Mal häufiger auf (21%) als in Deutschland (6%). Unter sozialen Phobien leiden laut amerikanischer Studien 12% der Befragten; in Deutschland sind es nur ein Prozent.

Ein Grund dafür liegt laut Martin in den sozialen Verhältnissen. In Deutschland übt das Zusammenleben mit einem Partner in einem Haushalt einen deutlich positiven Einfluss auf die Gesundheit der Beteiligten aus. Man könne sogar von einer Schutzwirkung partnerschaftlichen Beziehungen sprechen, betonte Martin, während diese Tatsache in den USA überhaupt keine Rolle spiele. Die Fragen nach den Gründen dieser Unterschiede sind nicht restlos geklärt, kulturelleBedingungen spielen jedoch sicher eine grosse Rolle.

Stress und Schutzfaktoren

Wie individuelles Erleben und gesellschaftliche Bedingungen ineinander greifen, erläuterte Martin an Beispielen: Tritt im Verlaufe des Lebens ein kritischer Moment ein, wie den frühen Verlust der Mutter, oder der Tod einer sehr nahe stehenden Person, so kann diese Verwundbarkeit durch Ersatzpersonen, so genannte Mentoren abgefangen werden. Ist das nicht der Fall, kann der Stress, der durch diese traumatische Erfahrung entsteht, zu einer psychischen Störung führen. Ob Mentoren vorhanden sind, hängt wiederum davon ab, wie die Gesellschaft strukturiert ist.

In Belastungssituationen kann die Kultur auch Schutzfaktoren , zum Beispiel kollektive Bewältigungsstrategien entwickeln, wie Martin erklärte. Als Beispiel nannte er die Arbeitslosigkeit. Sei sie in einer Region sehr hoch, wie beispielsweise in Ostdeutschland, werde sie zur kollektiven Erfahrung was den Einzelnen entlaste und schütze. Viel schwieriger sei es, mit Arbeitslosigkeit umzugehen, wenn nur ein geringer Bevölkerungsteil davon betroffen sei. Dann könne das Problem nicht verteilt werden und bei den Betroffenen zu Depression führen.

Kultureller Beitrag zur Resilenz

Indem sie soziale Unterstützung anbiete und psychische Erkrankungen thematisiere, könne die Gesellschaft einen wesentlichen Beitrag zur Resilienz leisten, betonte Martin. Daneben sollte sie auch Angebote für Therapien bereit stellen und die öffentliche Gesundheit fördern. Ebenso wichtig wie das soziale und wirtschaftliche Umfeld des Betroffenen, seien seine biologische Vitalität und seine Einstellung zu Problemen.

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