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Dass der Zugang zu öffentlichen Gebäuden auch an der Universität Zürich nicht immer einfach ist, veranschaulichte das Beispiel einer Geschichtsstudentin. Sie berichtete von ihren Erfahrungen als Rollstuhlfahrerin: «Bis ich nach der Vorlesung mittels separatem Lift und durch einen Hintereingang das Gebäude verlassen habe, haben sich die Mitstudierenden schon längst für das Mittagessen verabredet.» Um sozial nicht ausgegliedert zu sein, plädiert sie daher bei baulichen Fragen für «Praktik vor Ästhetik».
Rund zwei Prozent der Studierenden an Schweizer Hochschulen leben mit einer Behinderung, weitere rund zehn Prozent mit einer chronischen Krankheit. Dies hat eine Umfrage im Rahmen der Studie «Menschen mit Behinderungen an Schweizer Hochschulen» ergeben. Gemäss Judith Hollenweger, Professorin an der Pädagogischen Hochschule Zürich und Autorin der Studie, beeinträchtigen allerdings nicht alle Beschwerden das Studium im selben Ausmass.
Am negativsten wirken sich psychische Erkrankungen, Hörbehinderungen und Schädigungen des Zentralen Nervensystems aus. Schwierigkeiten bereitet den Betroffenen vor allem die Konzentration auf den Lerngegenstand, das effiziente Organisieren des Arbeitstages und die Tatsache, dass während der Veranstaltungen längere Zeit dieselbe Körperposition beibehalten werden muss.
Dr. Andreas Rieder vom Eidgenössischen Büro für die Gleichstellung von Menschen mit Behinderung informierte über die Rechtslage betreffend Gleichstellung. Das seit 1. Januar 2004 geltende Behindertengleichstellungsgesetz (BehiG) setzt Rahmenbedingungen, die es Menschen mit Behinderung ermöglichen sollen, am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen.
Was den Zugang zu öffentlichen Gebäuden anbelangt, so ist dieser allerdings nur für Neu- oder Umbauten seit Inkrafttreten des Gesetzes vorgeschrieben – und auch dann nur, wenn dies mit einem «verhältnismässigen» Aufwand machbar ist. Gemäss Bernhard Rüdisüli von der Schweizerischen Fachstelle für behindertengerechtes Bauen gelten bauliche Mehrkosten bis zwanzig Prozent als verhältnismässig.
«Sehr viel ist noch nicht gelaufen seit dem Inkrafttreten des Gesetzes», sagte Andreas Rieder zusammenfassend. Dies liege unter anderem an den erwähnten Einschränkungen im Gesetz, andererseits beispielsweise auch an fehlender Kenntnis von Hindernissen sowie an Sparmassnahmen. Es brauche daher Geduld, Sensibilisierung, den Einbezug der Betroffenen und notfalls auch rechtliche Schritte.
Im zweiten Teil der Tagung ging es um den Erfahrungsaustausch. Die Sonderpädagogin Helen Zimmermann demonstrierte die Tücken der «Screenreader», die es Sehbehinderten ermöglichen, sich Internetseiten und elektronische Texte vorlesen zu lassen. Roger Stupf vom Weboffice der Universität Zürich berichtete von der geplanten Neugestaltung des Webauftritts der Universität Zürich, die für 2005 vorgesehen ist. Dabei werde die Zugänglichkeit für Menschen mit Behinderung («Accessibility») eine wichtige Rahmenbedingung sein.
Wortmeldungen aus dem Publikum zeigten, dass die Bedürfnisse von Studierenden mit einer Behinderung sehr individuell sind. Hauptsache, die Hörsäle sind endlich zugänglich, meinte eine Teilnehmerin im Rollstuhl im Sinne einer Konzentration auf das «need to have», worauf eine andere sagte, es wäre schön, als Rollstuhlfahrerinim Sinne eines «nice to have» nicht nur einen zugewiesenen Sitzplatz, sondern auch eine gewisse Wahlmöglichkeit zu haben.
Verantwortliche der Universität Zürich wiesen darauf hin, dass die Behindertengerechtigkeit bisweilen auch im Widerstreit stehe mit technischen Problemen und denkmalschützerischen Anliegen. Es gelte daher, einen Mittelweg zu finden. Dass die erforderliche Geduld von den Betroffenen nicht immer leicht aufzubringen ist, zeigte die Aussage einer Rollstuhlfahrerin beim Apéro nach der Tagung: «Ich bin es manchmal leid, mich um Fragen wie die Zugänglichkeit zu einem Gebäude kümmern zu müssen. Die Behinderung verlangt auch sonst genug von mir ab.»