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Glimmstängel: fertig lästig

Ab diesem Sommersemester darf an der Universität Zürich nur noch vor den Türen geraucht werden. Sieben Perspektiven auf den neuen Umgang mit einer alten Sucht.
Markus Binder

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Die Luft wird rein: Ab Frühling 2005 ist in den Gebäuden der Universität Zürich das Rauchen verboten.

Erstens, die Opfer: Patrizia und Aline stehen dick eingemummt vor dem Kunsthistorischen Institut, eine Parisienne zwischen den Fingern. Zwar könnten die beiden in der Kaffeeecke im ersten Stock rauchen, sie stehen aber lieber vor der Türe in der Kälte. Bald haben sie diese Wahl nicht mehr. «Die Universitätsleitung hat Ende Dezember beschlossen, dass alle Gebäude der Universität Zürich ab dem Sommersemester 2005 rauchfrei werden. Was sagt ihrdazu?» – «Ich finde das gut. Mich stört der Qualm auch, deshalb rauche ich draussen», sagt Patrizia. «Ihr fühlt euch nicht diskriminiert?» – «Nein.» – «Auch nicht bei fast null Grad?»– «Die neue Regel wird ja erst im April eingeführt, da kann man sich im Sommer daran gewöhnen.»–«Und dass die Mensa auch rauchfrei wird, stört euch auch nicht?» – «Nein, dort stört der Rauch ja am meisten», sagt Aline. Patrizia widerspricht: «In der unteren Mensa würde ich gerne weiterhin rauchen können. Der Raum ist ja völlig abgeschlossen.»

Rauchopfer

Zweitens, die anderen Opfer, die Zweidrittelmehrheit: Die Hälfte der Nichtraucher fühlt sich sehr stark oder ziemlich stark belästigt, wenn sie irgendwo im Rauch sitzen müssen, das hat eine Studie des Psychologischen Instituts aus dem Jahr 2003 ergeben. Auch an der Universität Zürich haben sich Studierende über den Rauch beschwert. Laut der Studie wünschen sich zwei von drei Nichtrauchenden weniger Raucherzonen oder ein Rauchverbot in Restaurants und Bars. Neun von zehn Nichtrauchenden wünschen, dass mindestens die Hälfte der Plätze in Restaurants rauchfrei sind. Ein Anliegen, das im Übrigen auch 70 Prozent der Rauchenden unterstützen.

Drittens, die Präventivmedizin: 350’000 Lungenkranke leben in der Schweiz, Hauptursache ist das Rauchen. An den Folgen des Rauchens sterben in der Schweiz täglich 24 Menschen frühzeitig.

Viertens, die Philosophie: nämlich der Unterschied zwischen der «Freiheit von etwas» und der «Freiheit, etwas zu tun». Die Freiheit, überall zu rauchen ist nicht vereinbar mit dem Freisein von Raucheremissionen. Deshalb werden nun alle Liegenschaften der Universität Zürich rauchfrei, ohne Raucherzonen. «Wir finden kaum geeigneten Räume für Raucherzonen», sagt Herbert Vogler, Leiter des Betriebsdienstes der Universität Zentrum.

Auch Mensa rauchfrei

Auch die Mensa wird rauchfrei, wie Karl Neff, Leiter Betriebe der ZFV Unternehmungen, bestätigt. Wenn die ganze Universität rauchfrei werde, dann sei es nicht sinnvoll, wenn die Mensa die einzige Raucherzone bleibe: «Diesen Qualm möchte ich meinen Mitarbeitenden nicht zumuten.» Ob auch auf den Mensa-Terrassen das Rauchen verboten wird, ist noch nicht entschieden. Neff ist dafür, weil ja auch dort gegessen werde. Es werden in den neun ZFV Betrieben an der Uni ab dem 1. April auch keine Zigaretten mehr verkauft, die Automaten kommen weg. Am Kiosk allerdings kann man weiterhin Zigaretten kaufen, wie Gion Pallecchi, Geschäftsführer der Stiftung Zentralstelle, sagt.

Im Irchel werden unter den Vordächern Raucherzonen geschaffen. Im Kollegiengebäude II wird die Terrasse im ersten Stock (Geschoss F) für Raucherinnen und Raucher eingerichtet. Überdacht ist diese allerdings nicht. In den restlichen rund 100 Liegenschaften können Raucherzonen nach Absprache mit den Betriebsdiensten eingerichtet werden. Eine Arbeitsgruppe ist derzeit daran zu klären, wie die neue Regelung umgesetzt wird.

Fünftens, die Historie: Früher stank es im Lichthof und in den Gängen zuweilen gewaltig; der Käseduft der alten Kantine vermischte sich mit dem kalten Rauch. Die Jasskarten blieben zwar knapp sichtbar, das Glasdach hingegen kaum mehr. 1997 startete die Uni die erste Aktion, um die Luftqualität zu verbessern und das Passivrauchen zu verringern. Ein Viertel der Gebäude wurde rauchfrei, auch der Lichthof. Spezielle Nichtraucherzonen wurden geschaffen. Diese Regelung sei recht gut eingehalten worden und habe auch eine messbare Verbesserung der Luftqualität gebracht, sagt Vogler. Allerdings seien die Übergänge nicht klar abgegrenzt gewesen und der Rauch habe sich trotzdem überall verteilt. Deshalb sei es nur konsequent, wenn die ganze Uni rauchfrei werde.

Sechstens, die Politik: Rauchfreie öffentliche Räume liegen im Trend der Zeit. In allen öffentlich zugänglichen Gebäuden in Italien ist das Rauchen seit kurzem verboten. Rauchfrei geworden sind auch die Bars in Kalifornien, die Pubs in Irland, die Foyers der Zürcher Kinos oder der Durchgangsbahnhof. Die Raucherinnen und Raucher stehen immer häufiger draussen vor der Tür – mit dem Segen des Bundesrats. Dieser hat am 25. Juni 2004 die WHO-Rahmenkonvention zur Eindämmung des Tabakrauches unterzeichnet.

Siebtens, die Justiz: Der Rechtsdienst der Universität klärt zur Zeit ab, welche Sanktionen gegen uneinsichtige Raucher möglich sind. Grundsätzlich spiele niemand gerne den Polizisten, sagt Vogler. Die Universität hofft, dass alle so verständnisvoll sind wie Patrizia und Aline.

Markus Binder ist Journalist.

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