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«Wer die Universitäten betreibt, soll auch bestimmen können»

Der Bund hat die Hochschullandschaft Schweiz für reformbedürftig erklärt und die Ausarbeitung eines neuen Hochschulgesetzes eingeleitet. In einem Gespräch mit unipublic nimmt Rektor Hans Weder zu den Forderungen des Bundes Stellung.
Brigitte Blöchlinger und Roger Nickl

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Hans Weder, Rektor der Universität Zürich: «Unsere Stärke besteht in der sehr guten Diversität des Angebots.»

Herr Rektor Weder, letzten Donnerstag (18. Nov. 2004) hat der Bundesrat dem Eidgenössischen Departement des Innern EDI und dem Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartement EVD grünes Licht gegeben, einen Entwurf für ein neues Hochschulgesetz zu erarbeiten, «das den gesamtenHochschulbereich regeln soll». Das Gesetz soll voraussichtlich 2008 in Kraft treten. Der Bund fordert insbesondere «eine verstärkte Profilbildung der Hochschulen, eine verstärkte Abstimmung der Leistungangebote und das Beseitigen von Doppelspurigkeiten». Gehen wir diese Forderungen Punkt für Punkt durch. Als erstes: Was bedeutet «Profilbildung» für die Universität Zürich?

Hans Weder: Unsere Stärke besteht in der sehr guten Diversität des Angebots. Wir haben die nötige Grösse, die nötige kritische Masse, um national und international zu bestehen – die Volluniversität ist unser Profil. Der Universitätsrat hat dies unlängst in seinen strategischen Thesen bestätigt.

Es werden also an der Universität Zürich keine Fächer gestrichen?

Weder: Heute würde ich sagen: nein. Wir müssen aber bereit sein, auch solche Fragen zu prüfen. Bei Fächern mit weniger als zwanzig Studierenden wird sich insofern etwas ändern, als die kleinen vermehrt in grosse Fächer eingebaut werden. Nicht jedes Fach muss einen eigenen Studiengang anbieten. Eine Lösung könnte auch darin bestehen, dass kleine Fächer einen Studiengang zusammen mit anderen Universitäten anbieten. Schliesslich ist es ja auch für die Studierenden nicht interessant, wenn sie das ganze Studium hindurch immer den gleichen Professor hören. Slawistik wäre so ein Beispiel, sie besteht an der Universität Zürich aus nur zwei Lehrstühlen – da wäre es sinnvoll, sich mit Konstanz oder Basel (wenn die Slawistik dort nicht geschlossen wird) zusammenzutun. Solche Kooperationen sind aber bestens auf der Ebene der Universitäten zu realisieren, da muss der Bund nicht eingreifen.

Rektor Hans Weder: «Kooperationen unter den Universitäten sind bestens auf der Ebene der Universitäten zu realisieren, da muss der Bund nicht eingreifen.»

Kommen wir zum Punkt «verstärkte Abstimmung der Leistungsangebote»: Wie lassen sich weitere Synergien schaffen?

Dieser Prozess ist an der Universität Zürich schon lange im Gang. Unser wichtigsterPartner ist die ETH Zürich, mit der wir seit zwanzig Jahren erfolgreich zusammenarbeiten, was 2001 bekanntlich in einer formellen Zusammenarbeitsvereinbarung bekräftigt worden ist.

Rektor Hans Weder: «Gute Angebote für Doktoratsstudien werden zukünftig sehr wichtig werden.»

Immer wieder zur Diskussion stehen ja das Medizinstudium und die Mathematisch- naturwissenschaftliche Fakultät der Universität Zürich: Da lasse sich durch Fusionen von Studiengängen beispielsweise mit solchen der ETH noch sparen, heisst es.

Solchen Vorschlägen sehe ich gelassen entgegen. Die Ideen zur Neustrukturierung des Medizinstudiums tangieren uns kaum. Der Bundesrat plant ja drei Zentren, Lausanne/Genf, Bern/Basel und Zürich. Das ist für uns kein Problem. Auch die Naturwissenschaften sind für uns gesetzt; es hat keinen Sinn, die grösste mathematisch-naturwissenschaftliche Fakultät der Schweiz zu schliessen. Mit der ETH pflegen wir zum einen eine starke Komplementarität im Lehr- und Forschungsangebot, zum anderen arbeiten wir in bestimmten Studiengängen sehr gut zusammen, zum Beispiel in der Biologie. Die Naturwissenschaften sindan der Universität Zürich unabdingbar, unter anderem für das Medizinstudium. Und die Medizin brauchen wir, weil es sehr sinnvoll ist, die Grundlagenforschung mit der klinischen Anwendung am Universitätsspital zu kombinieren – das ist eines der Gebiete, in denen in Zukunft grosse Entwicklungen stattfinden werden. Was zukünftig ebenfalls sehr wichtig werden wird, sind gute Angebote für Doktoratsstudien. Davon gibt es bereits viele, und es werden fast monatlich mehr.

Kommen wir zum Punkt «Abbau von Doppelspurigkeiten»: Wo sehen Sie dringenden Handlungsbedarf?

Wir brauchen an der Universität Zürich viele, bisweilen auch «kleine» Disziplinen. Mittellatein beispielsweise leistet wichtige Beiträge für die Geschichtswissenschaft oder die Sprach- und Literaturwissenschaften. Die Politiker sprechen immer wieder von Doppelspurigkeiten, ohne genau zu sagen, was sie damit meinen.

Geändert werden soll auch das Finanzierungsmodell des Bundes. Neu soll die Zuteilung der Mittel nach dem Prinzip der Standardkosten erfolgen, einem «einheitlichen Betrag pro Student/-in und Fach». Gefährdet werden da wohl kleinere Fakultäten und teure Studiengänge?

Aus der Medienmitteilung des Bundes geht nicht hervor, wie die Standardkosten ermittelt werden sollen. Es besteht die grosse Gefahr, dass Universitäten, die in einem Fach wie zum Beispiel der Psychologie drei Professuren haben, belohnt werden, und andere wie die Universität Zürich, die fünfzehn Professuren anbieten, bestraft werden. Aber es kann ja nicht darum gehen, einfach «billige» Abschlüsse zu ermöglichen; die Universität Zürich ist höchsten Qualitätsansprüchen verpflichtet und will in einem Fach die ganze Bandbreite anbieten können, wenn das wie im Fall der Psychologie sinnvoll ist.

Die Universität Zürich kann aber auch im schlimmsten Fall gelassen bleiben. Der Bund trägt nämlich nur zwölf Prozent zu unserem Budget bei. Wir kommen also finanziell nicht allzu stark unter Druck. Aber die Entwicklung sollte meines Erachtens sehr gut von den Verantwortlichen bedacht werden.

Rektor Hans Weder: «Dass die Finanzierung transparenter und einheitlicher geregelt wird, dagegen ist nichts einzuwenden.»

Sie scheinen recht kritisch gegenüber dem Vorstoss des Bundes zu sein?

Es erstaunt mich einfach, dass das Know-how der Universitäten beim Erarbeiten der Reformpunkte vom Bund nicht besser genutzt wurde. Jenes der Rektorenkonferenz der Schweizer Universitäten zum Beispiel, deren Mitglieder ja direkt ins Tagesgeschehen involviert sind. Dass der Bund und die Kantone zusammen die Universitäten betreiben und dass auch die Finanzierung transparenter und einheitlicher geregelt wird, dagegen ist gar nichts einzuwenden.

Der Bund ist nicht der einzige, der sich Gedanken über die Zukunft der Hochschullandschaft Schweiz macht. Die Rektorenkonferenz der Schweizer Universitäten (CRUS) hat ebenfalls ein Strategiepapier entworfen, in dem sie «Strategien für die Universitätslandschaft Schweiz bis ins Jahr 2015» skizziert. Welches sind denn die wichtigsten Unterschiede zwischen den Vorstellungen der CRUS und jenen des Bundes?

Die Hauptdifferenz liegt klar darin, dass das CRUS-Papier die Selbstverpflichtung der Universitäten hervorhebt. Das bedeutet: Wer die Universitäten betreibt, soll die Hochschullandschaft auch bestimmen. Und als zweites ist die Autonomie der Universitäten zu bewahren. Die Geschichte hat gezeigt, dass die Universitäten immer dann am besten gearbeitet haben, wenn sie autonom waren.

Betätigen wir uns zum Schluss nochmals als Visionäre: Wie ist die Universität Zürich im Jahr 2015 im nationalen und internationalen Umfeld positioniert?

Ich bin zuversichtlich, dass die Universität Zürich in den Rankings noch einige Plätze nach vorne rücken wird. Ansonsten hoffe ich, dass sie sich nicht grundlegend verändern wird.

Brigitte Blöchlinger ist unipublic-Redaktorin, Roger Nickl ist unimagazin-Redaktor.