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Viel Skepsis gegenüber dem Bachelor

Zwar fordert die Wirtschaft eine kürzere universitäre Ausbildung. Aber kann sie mit dem neuen Bachelor wirklich etwas anfangen? Dieser Frage versuchte die vierte Bologna-Tagung an der Universität Zürich zumindest näher zu kommen.
Roland Schaller

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Führte in die Thematik der Tagung ein: Prof. Hans-Heinrich Nägeli, Co-Rektor der Universität Neuchâtel.

Der Sicherheitsaufwand war beträchtlich, und die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Tagung mussten zuerst durch ein Spalier von Studierenden schreiten, die mit Transparenten gegen die Tagung protestierten. «Keine Ausrichtung der universitären Ausbildungsgänge auf die Bedürfnisse der Wirtschaft», war auf den verteilten Flugblättern zu lesen.Die vierte schweizerische Bologna-Tagung, die letzten Donnerstag an der Universität Zürich stattfand, behandelte einen der strittigsten Punkte der gesamten Reform. Wie stark sollen sich vor allem die Bachelor-Studiengänge nach den Bedürfnissen der Wirtschaft richten? Und umgekehrt: Kann die Wirtschaft den Bachelor überhaupt gebrauchen?

Setzt sich für einen starken Bachelor ein: Prof. Hans Weder, Rektor der Universität Zürich

Kein akademisches Proletariat

Der heiklen Problematik waren sich die verschiedenen Eintretensredner durchaus bewusst und sie versuchten deshalb, die Befürchtungen der Studierenden zu entkräften. So betonte Universitätsrektor Hans Weder: «Der Bachelor darf keine Schnellbleiche für die Wirtschaft sein, sonst werden wir ein akademisches Proletariat produzieren.» Und Tagungsleiter Hans-Heinrich Nägeli, Co-Rektor der Universität Neuenburg, versuchte auch die positive Seite herauszustreichen, wenn er darauf hinwies, dass die Frage nach den Berufsaussichten der Studienabgänger nichts verwerfliches an sich habe: «Die Wirtschaft braucht alle Köpfe, die wir an den Universitäten ausbilden.» Allerdings zog sich durch alle Eintretensreferate eine gewisse Ratlosigkeit, was genau denn nun die Wirtschaft von den neuen Studienabschlüssen erwartet.

Vertrat unter anderem die Sicht der Wirtschaft: Dr. Andreas Steiner, Vorsitzender der Konzernleitung der Belimo Automation AG, Präsident der Kommission Bildung und Forschung von economiesuisse und Mitglied des Zürcher Universitätsrats.

«De Föifer und s’Weggli»

«De Föifer und s'Weggli» - d iese saloppe Bemerkung stammt aus der Schlussrunde der Veranstaltung, doch sie trifft wohl den Eindruck, den die Teilnehmerinnen und Teilnehmer auch an den nachmittäglichen Workshops erhalten haben. Die Wirtschaft will Studienabgängerinnen und Studienabgänger, die in kürzerer Zeit eine gute fachliche und methodische Ausbildung erhalten und zusätzlich viel mehr Sozialkompetenzen mitbringen als heute. Andreas Steiner, Vorsitzender der Konzernleitung der Belimo Automation AG, Präsident der Kommission Bildung und Forschung von economiesuisse und Mitglied des Zürcher Universitätsrates, skizzierte am Morgen diese Position: «Das Studium insbesondere mit Doktorat dauert im Vergleich zum Ausland zu lange.» Das sei die allgemeine Klage, die er aus der Wirtschaft immer wieder höre. Deshalb könne der Bachelor für die Wirtschaft durchaus attraktiv sein. Gemäss Steiner müssen die Bachelor-Absolventen das Kernwissen der Disziplin sowie deren Methode beherrschen. Im Bereich der Schlüsselkompetenzen wie Persönlichkeit, Teamfähigkeit und Führungskompetenzen müssten die Absolventen eher mehr als heute mitbringen.

Auch die Wirtschaft ist gefordert

«Der Bachelor muss eine überzeugende Ausgangspforte in die Wirtschaft sein, sonst macht die Reform keinen Sinn», mahnte Steiner die Tagungsteilnehmenden und wendete sich damit deutlich gegen die Rektorenkonferenz, die den Masterabschluss immer noch als Regelabschluss postuliert. Deshalb spricht sich Steiner gegen einen automatischen Masteranschluss aus, sondern will eine Selektion zwischen Bachelor und Master. Allerdings müsse sich auch die Wirtschaft vermehrt Gedanken darüber machen, wie sie die Bachelor integrieren könne. Gefordert sind mehr Praktikumsplätze und Trainee-Programme für dieseHochschulabsolventen.

Prof. Heinrich Koller, Direktor des Bundesamts für Justiz und Extraordinarius an der Universität Basel.

Die Situation bei den Juristen

Heinrich Koller, Direktor des Bundesamtes für Justiz und Extraordinarius an der Universität Basel, beschäftigt etwa 250 Juristen. «Bachelors Welcome», setzte er als Motto über sein Referat. Doch bald wurde klar, dass dieser Spruch eher wohl gemeint denn zutreffend ist. Auch für Koller muss der Bachelor ein solides Basiswissen und Sicherheit in der juristischen Methode mitbringen. Für einen Juristen gebe es ganz unterschiedliche Tätigkeitsfelder mit spezifischen Anforderungen. In Bereichen, in denen Juristen eher repetitive Arbeiten erledigten, Koller nannte das Beispiel des Gerichtsschreibers, könne der Bachelor durchaus genügen. «Bei vielen juristischen Tätigkeitsbereichen bin ich allerdings relativ skeptisch», gestand er trotz seines Eintretensmottos, «der Bachelor bringt für eine fundierte Berufsausbildung einfach zu wenig.»

Sprach aus der Studierendenperspektive: Lea Brunner von der National Unions of Students in Europe (ESIB).

Mit dem Bachelor Anwalt werden?

Für den Beruf Anwalt brauchte es bisher in der Deutschschweiz das Lizentiat, ein Jahr Praxis sowie eine kantonale Prüfung. Der Bund und damit das Amt von Heinrich Koller setzt lediglich die Rahmenbedingungen. Und da es das Lizentiat nach Bologna nicht mehr gibt, muss sein Amt nun entscheiden, ob der Bachelor oder der Master für den Anwaltsberuf als Abschluss gefordert wird. In der von ihnen durchgeführten Vernehmlassung bei den juristischen Fakultäten und Verbänden, so Koller, hätten sich alle für den Masterabschluss ausgesprochen – mit einer Ausnahme: die juristische Fakultät der Universität Zürich. Es sei deshalb absehbar, dass sowohl für den Anwalt als auch für andere sogenannte reglementierte Berufe der Master als Abschluss Pflicht werden dürfte.

Roland Schaller ist freier Journalist.