Im Silicon Valley, dem Innovationshub schlechthin, dreht sich alles um Technologie. In Zürich dagegen, wo verschiedene Unternehmen und Startups im Bereich des Personalwesens angesiedelt sind, könnte ein Innovationshub entstehen, bei dem die Arbeitnehmenden im Zentrum stehen, ein «Silicon Valley for People» quasi. Das ist eine Vision des Center for Leadership in the Future of Work der UZH, das zur personenzentrierten Führung der Zukunft forscht und den Austausch zwischen Forschung und Wirtschaft in diesem Bereich fördert. Doch wie könnte ein solches Ökosystem aussehen, das Innovation im Bereich des Personalmanagements generiert? Und was wären Angebote, die in einem solchen „Human Ressource Valley“ entstehen könnten? Diese Frage richtete das Forschungszentrum im Herbstsemester 2021 an Studierende aller Fachrichtungen auf Master- und Doktoratsstufe. In der zweiwöchigen Lehrveranstaltung «The Silicon Valley for People» sollten sie in interdisziplinären Teams Ideen für ein solches Ökosystem entwickeln, entstanden sind dabei Ideen für ein Training zu emotionaler Intelligenz für Berufseinsteigende oder für ein «HR Valley Hauptsitz», wo Unternehmer, die gerade ihr Unternehmen gründen, auf andere Startups und erfahrene Unternehmen sowie Kapitalgeberinnen treffen.
«In der Arbeitswelt geht es heute oft darum, in gemischten Teams Ideen zu entwickeln und diese intern oder extern zu präsentieren. Diese Arbeitsweise greift das interdisziplinäre Lehrformat auf», erklärt Lauren Howe, Assistenzprofessorin für Management am Center for Leadership in the Future of Work der UZH. Vor ihrer Anstellung an der UZH forschte sie als Postdoc an der Universität Stanford und schätzte dort den intensiven Austausch zwischen Universität und Tech-Industrie, der auch über sogenannte Start Up-Bootcamps gefördert wurde, in denen Studierende neue Geschäftsideen entwickeln und pitchen.
So entstand die Idee für das Lehrformat an der UZH, in dem die Studierenden sich erst mit der Entstehung solcher Innovationsökosysteme auseinandersetzten und Methoden des Design Thinkings kennenlernten, welche heute für kreative Prozesse in gemischten Teams verwendet werden. Anschliessend entwickelten sie mit der Unterstützung von Mentorinnen aus verschiedenen Unternehmen Produktideen für ein solches «Silicon Valley for People» und präsentierten diese vor einer gut besetzten Jury, in der auch der Dekan der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät und der CEO eines grossen Personaldienstleisters sassen.
Wie präsentiert werden sollte und wie die Ideen bewertet würden, war bewusst nicht klar definiert – was gemäss Howe dem Setting in der Privatwirtschaft entspricht. Mit dem Format sollen die Studierende aber nicht einfach auf eine spätere Berufstätigkeit vorbereitet werden, vielmehr steht dabei auch die transdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Forschung, Privatwirtschaft und Gesellschaft im Zentrum. «An der Universität wissen die Studierenden gewöhnlich ganz genau, wie ihre Leistung überprüft wird. Doch wenn sie lernen sollen, wie man innovative Ideen aus der Universität herausträgt, müssen sie auch mit den weniger klaren Regeln ausserhalb der Universität umgehen können», so Howe.
Auch der «UZH Innovathon» gründet auf dem Prinzip aktivierender Lehre und verfolgt dabei einen problembasierten, anwendungsorientierten und interdisziplinären Ansatz. Thema dieses Kurses ist die Entwicklung und Umsetzung neuer Techhnologie-Anwendungen im Bereich der digitalen Mobilität. Hier ist viel interdisziplinäres Knowhow gefragt. «Neben guten Ideen braucht es immer auch gute Businessmodelle, um Lösungen erfolgreich zu implementieren», sagt Anja Schulze, Professorin für Mobilität und Digitales Innovationsmanagement am Institut für Betriebswissenschaften und Leiterin der DSI Mobility Community. Genau hier setzt der UZH Innovathon an: Er schlägt eine Brücke zwischen Universität und Praxis und fördert die interdisziplinäre Zusammenarbeit.
Ein Beispiel dafür ist der Einsatz von Drohnen. Hier treffen technische Herausforderungen auf rechtliche und ethische Fragen. Ein zweites Beispiel ist eine kommerzielle App, die Bewegungsdaten erhebt. Hier müssen auch psychologische Aspekte wie etwa das Gefühl der Überwachung berücksichtigt werden. «Um die Studierenden auf die komplexen Herausforderungen einer digitalisierten Gesellschaft vorzubereiten, braucht es die Zusammenarbeit verschiedener Disziplinen. Schliesslich ist die Welt ausserhalb der Universität ebenfalls nicht disziplinär organisiert», erklärt Anja Schulze.
Kern des Innovathon ist ein sogenannter «Design Sprint»: Interdisziplinär zusammengesetzte Teams erarbeiten dabei in knapp bemessener Zeit innovative Ansätze auf der Grundlage von praktischen Problemstellungen. Zum Beispiel: Wie lässt sich mit Hilfe digitaler Technologien das Sicherheitsgefühl von Zugreisenden positiv beeinflussen? Oder: Wie kann man anspruchsvolle Kundensegmente dazu bewegen, Ridepooling Services zu nutzen? Zu Fragen wie diesen entwickeln und präsentieren die Studierenden innovative Ideen.
Zu den grossen Herausforderungen dabei gehört die Verständigung über die Fachgrenzen hinweg. Ausserdem müssen die Studierenden darauf achten, sich im zeitbegrenzten Design Sprint nicht in Diskussionen zu verlieren und regelmässig Realitätschecks zu machen.
Ein speziell für den Innovathon entwickeltes Manual hilft den Studierenden dabei, möglichst erfolgreich durch diese intensive Phase zu kommen. Zudem stehen den Teams erfahrene Innovationsexptert:innen zur Seite. Wertvoll sind auch die Feedbacks von Forscher:innen und Unternehmensvertreter:innen. Letztere sorgen für den Praxisbezug. Über zehn verschiedene Firmen haben seit dem Start 2021 im Rahmen des UZH Innovathon bereits mit der Universität Zürich zusammengearbeitet.
Der Innovathon vermittelt nicht nur das Knowhow dazu, wie man innovative Ideen implementiert – er ist selbst auch ein Beispiel für die erfolgreiche Umsetzung einer Idee. Entwickelt wurde der Kurs von der Mobility Community der Digital Society Initiative (DSI) und vom UZH Innovation Hub. Inspiriert wurde er zudem von einem Studenten, der bei Anja Schulze seine Masterarbeit schrieb. 2014 hatte er zusammen mit weiteren Studierenden der UZH und ETH den Hack Zurich gegründet, an dem die teilnehmenden Teams innerhalb von 40 Stunden Software-Prototypen für Challenges programmieren, die von Firmen gestellt werden. Heute ist der Hack Zurich der grösste Hackathon in Europa.