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Veterinärmedizin

Krebstherapie für Vierbeiner

Krebs gehört zu den Haupttodesursachen bei Haustieren. In der Veterinärmedizin stehen heute modernste Technologien für Diagnose und Therapie zur Verfügung. Carla Rohrer Bley, Leiterin Onkologie am Zürcher Tierspital, berichtete an einem Vortrag in der Reihe «Wissen-schaf(f)t Wissen», wann deren Anwendung sinnvoll ist.
Sabina Huber-Reggi

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Hund auf dem OP-Tisch
Wägt Nutzen und Schaden einer Behandlung sorgfältig ab: Carla Rohrer Bley, Leiterin der Radio-Onkologie am Zürcher Tierspital.

Archie ist ein relativ junger Labrador Retriever. Es geht ihm blendend, er hat aber einen hochaggressiven, bereits fortgeschrittenen Hauttumor an der Nase. Die sehr kostspieligen Chemo- und Strahlentherapien würden zwar schwerwiegende Nebenwirkungen verursachen, könnten das Tier jedoch möglicherweise heilen.

«Moderne Therapien eröffnen viele Möglichkeiten, werfen aber auch schwierige Fragen auf», betonte Professorin Carla Rohrer Bley, Leiterin der Radio-Onkologie am Zürcher Tierspital. Sie referierte am 23. Mai in der Reihe «Wissen-schaf(f)t Wissen» des Zentrums für Integrative Humanphysiologie (ZIHP). Carla Rohrer Bley hat vor kurzem eine Zusatzausbildung in angewandter Ethik abgeschlossen. Um ethische Entscheide ging es auch in ihrem Vortrag, handelt es sich doch oft um eine moralische Frage, ob ein Tier behandelt werden soll oder nicht. Carla Rohrer Bley zeigte auf, wie Tierärztinnen und Tierärzte helfen können, die Vor- und Nachteile einer Behandlung abzuwägen.

Lebensqualität ist für das Tier entscheidend

Veterinäre sind verpflichtet, im Interesse ihrer vierbeinigen Patienten zu handeln. «Leider können wir das Tier aber nicht fragen, was seine Interessen sind», sagte Rohrer Bley. Tierbesitzerinnen und -besitzer und die Ärzte müssen Nutzen und Schaden einer Behandlung deshalb gemeinsam sorgfältig abwägen. «Tiere haben grundsätzlich instinktiv den Wunsch zu leben», sagte Rohrer Bley.

Doch sei die Lebensqualität – «das gute Leben» für Tiere wahrscheinlich wichtiger als die Länge des Lebens: «Das Tier hat keine Ahnung von der Quantität, aber sehr wohl von der Qualität.». Für ein Haustier ist es wichtig, dass es Futter aufnehmen und sich pflegen kann, schmerz- und angstfrei ist und auch soziale Kontakte pflegen kann. Hinzu kommen individuelle Kriterien: Für einen Labrador sei es beispielweise wichtig, dass er baden kann, erklärte Rohrer Bley.

Bei Labrador Archie war die Ausgangssituation sehr ungünstig: Der Tumor war besonders aggressiv und hatte bereits Metastasen gebildet. Zudem waren starken Nebenwirkungen einer Behandlung zu erwarten. Nach reiflicher Überlegung haben sich Tierbesitzer und Ärzte trotzdem dafür entschieden, eine Behandlung zu wagen. Die Strahlentherapie hatte die erwarteten Nebenwirkungen. Die Haut im Nasen- und Lippenbereich war vorübergehend entzündet und neben einem lästigen Halskragen musste der Hund eine Zeit lang mit Schmerzmedikamenten und Antibiotika behandelt werden. Auf die Chemotherapie reagierte er tageweise mit Futterverweigerung.

Doch der Tumor war verschwunden. Nach einigen Monaten hatte sich die Haut teilweise regeneriert und dem Hund ging es ausgezeichnet. Heute, ein Jahr später, ist Archie tumorfrei und sieht wunderbar aus. Dies ist gemäss Rohrer Bley ein gutes Beispiel dafür, dass die kurzfristige Verschlechterung der Lebensqualität in Kauf genommen werden musste, um dem Hund langfristig ein längeres, schmerzfreies Leben zu ermöglichen: «Die Behandlung hat sich gelohnt, aber es war eine schwierige Entscheidung».

Erfahrungen der Tiermediziner für den Menschen nützen

Die Behandlung eines Tieres hilft manchmal nicht nur diesem selber. Bei gewissen Krankheitsbildern können dabei allgemeine Erkenntnisse gewonnen werden – ohne dafür zusätzliche Tierversuche durchführen zu müssen. Nutzen und Schaden müssen jedoch immer genau abgewogen werden, wenn ein Tier in eine Studie im Rahmen einer Behandlung aufgenommen werden soll.

Die ansonsten gesunde Katze Stella kam mit einem grossen Tumor auf dem Rücken ins Tierspital. Die Einschliessung in eine Studie wurde als sinnvoll erachtet. Mit Erlaubnis des Tierbesitzers und unter strengen Auflagen des Veterinäramts wurde Stella nicht nur – wie in solchen Fällen üblich – einer Strahlentherapie unterzogen, sondern zusätzlich einer therapeutischen Hyperthermie. Dabei wird der Tumor lokal erwärmt, um die Zerstörung der Zellen durch die Strahlentherapie zu unterstützen. «Es tönt relativ einfach, ist aber in der Praxis schwierig», betonte Rohrer Bley. Man wisse beispielweise noch nicht, wie lange und wie häufig behandelt werden muss.

Die Behandlung von Stella und anderer tierischer Patienten am Zürcher Tierspital lieferten wichtige Hinweise, um die Therapie zu optimieren. Dies nicht nur beim Tier sondern auch beim Menschen. Die Methode soll nämlich in Zukunft auch für die Tumorbehandlung bei Menschen verwendet werden.

Katze Stella hat Glück gehabt: Bei ihr hat die Therapie angeschlagen und ein halbes Jahr später hatte sich der Tumor stark verkleinert. Stella geht es heute gut.