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Lehrpreis

Der «Tatort» im Hörsaal

Fernsehkrimis in Vorlesungen? Bei der Jus-Professorin Brigitte Tag kann das schon vorkommen. Am Dies academicus wurde sie mit dem Credit Suisse Award für beste Lehre ausgezeichnet.
David Werner

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«Das Recht ist formbar und hinterfragbar,
jeder kann beitragen, es moderner und offener zu gestalten», sagt Prof. Brigitte Tag.

Zweihundert bis dreihundert Bachelor-Studierende quetschen sich in enge Klappstuhl-Reihen, ein Herr vom Veranstaltungsdienst justiert das Mikrofon,  der Beamer wird eingeschaltet. Einstimmungsrituale. Brigitte Tag sammelt sich kurz. Die Zeit ist knapp, das Programm randvoll. Konzentration ist gefordert: Es gilt, den vorgesehenen Stoff durchzubringen und zugleich den Bedürfnissen der Studierenden Rechnung zu tragen.

Brigitte Tag spricht frei. Ihr Auftritt: gelassen, unangestrengt. Die Tonlage: freundlich und einladend. Die entscheidenden Formulierungen kommen knapp und punktgenau, so bleibt Raum für illustrative Ausführungen. Geistesgegenwärtig, aus ruhender Mitte heraus, beantwortet sie Fragen, geht auf Einwände ein, spielt den Studierenden Bälle zu. Im Saal wird nicht nur zugehört und mitgeschrieben, sondern auch mitgedacht und mitgeredet.

Topfit, sobald es konkret wird

«Strafrecht, Besonderer Teil 3»: So prosaisch lautet der Titel der Vorlesung aus dem Herbstsemester 2008, der mit dem diesjährigen Lehrpreis der UZH ausgezeichnet wurde. Dass unter ihren Lehrveranstaltungen gerade diese ausgewählt wurde, freut Brigitte Tag: «Ich fand sie selbst besonders gelungen, weil sie so viele Anknüpfungspunkte für interessante Diskussionen bot.»

Es ging um Fälle, die mit der Verletzung und dem Missbrauch von Staatsgewalt zu tun hatten. Zum Beispiel: Darf man sich gegen Polizisten zur Wehr setzen, die ihre Kompetenzen überschreiten? Oder: Sind Amtsgeheimnisverletzungen auch dann zu ahnden, wenn sie offenkundig dem allgemeinen Wohl dienen? Themen, die auch nach der Vorlesung unter den Studierenden debattiert wurden.

Brigitte Tag nimmt in ihren Strafrechtsvorlesungen gern auf Fälle Bezug, die aus den Medien bekannt sind, um die Brisanz und Aktualität rechtlicher Problemlagen zu veranschaulichen. Und gelegentlich auch mal auf den Fernsehkrimi vom Vorabend. Sie weiss aus Erfahrung: «Sobald Rechtsfragen konkret werden, sind die Studierenden topfit. Manchmal weisen sie mich dann auf Aspekte hin, auf die ich selbst nicht gekommen wäre.» Für Brigitte Tag sind das die besten Momente.

Authentische Einblicke

Das Recht durchdringt jeden Lebensbereich, und damit natürlich auch die Universität. Brigitte Tag, die seit 2002 in Zürich lehrt, bekleidet an der UZH verschiedene Ämter, in denen es auch um juristische Fragen geht. Sie ist Vorsitzende der Gleichstellungskommission und Delegierte der Professorenschaft im Universitätsrat.

Wenn es sich ergibt – wie etwa beim neuen Humanforschungsgesetz –, flicht sie ihre hochschulpolitischen Erfahrungen gern in ihre Vorlesungen ein.  Nicht um ihre Person in den Vordergrund zu stellen, sondern um lebendige Bezüge zur juristischen Praxis herzustellen. Eine Form von Authentizität, die ankommt.

Reichlich Anschauungsmaterial bezieht  sie auch aus ihrer Forschungsarbeit. Zu ihren Spezialgebieten gehört unter anderem Medizinrecht und Umgang mit dem menschlichen Körper. Brigitte Tag möchte in ihren Vorlesungen nicht nur Lehrstoff, sondern auch eine bestimmte Haltung gegenüber dem Recht vermitteln: Die Studierenden sollen merken, dass Gesetze nichts Statisches, nichts ein für alle mal Gegebenes sind. «Recht», sagt sie, «ist formbar und hinterfragbar, jeder kann beitragen, es moderner und offener zu gestalten.»

Seminar in Istanbul

Für das kommende Herbstsemester hat sich Brigitte Tag etwas Besonderes ausgedacht, um Studierenden diese forschende, reflektierende Haltung nahezubringen: Sie plant ein Blockseminar in Istanbul. Zur dortigen Yeditiepe-Universität pflegt sie seit längerem Kontakte. Sie schätzt die Offenheit, die Neugier, den Modernisierungswillen, der ihr in der Türkei begegnet.

Die Idee des Seminars ist es, Jus-Studierende aus der Schweiz und der Türkei paarweise bestimmte Aspekte des Strafrechts ihrer Länder vergleichen zu lassen. Zusätzlich wird ein Forschungssymposium veranstaltet, in welches die Studierenden ebenfalls einbezogen werden.

Sie verhehlt es nicht: Ein wichtiger Hintergedanke bei ihrem Engagement in der Lehre sei es, Studierende für die juristische Forschung zu gewinnen. Das, sagt sie, sei nicht immer einfach, da Jus-Studierenden ein breites Feld an attraktiven Karrieremöglichkeiten offensteht. Umso mehr freut sie sich, wenn begabte Studierende nach dem Abschluss mit dem Wunsch bei ihr vorsprechen, eine Doktorarbeit zu schreiben: «Für mich», sagt sie, «ist das jeweils die schönste Bestätigung als Dozentin.»

Weiterführende Informationen

Links

Die ungekürzte Version dieses Artikels ist im unijournal 3/09 zu finden.