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The LOOP Zurich – Jahresanlass

Daten für die Medizin der Zukunft

Um Durchbrüche zu erzielen, benötigt die medizinische Forschung enorme Datenmengen. More is more, so das Motto. Hohe Rechnerkapazitäten und vielen Daten können helfen, neue Diagnosen und Behandlungsverfahren zu entwickeln. The LOOP Zurich spielt hier eine Vorreiterrolle, wie am Jahresanlass deutlich wurde.
Marita Fuchs
Die Auswertung grosser Datenmengen in der Medizin ist eines der dominierenden Themen in der Gesundheitsforschung. Seit 2020 forschen die Wissenschaftler:innen von The LOOP Zurich zu Präzisions- und datengetriebener Medizin.

Im Gesundheitssystem fallen jeden Tag viele Daten an: Blutwerte oder Ergebnisse von Gewebeproben, Ultraschall- oder MRT-Aufnahmen. Sie dienen der Diagnose und werden anschliessend archiviert. Doch was wäre, wenn Computersysteme eigenständig, mit Hilfe der künstlichen Intelligenz, aus den gesammelten Daten der Patient:innen lernen und sogar neue Diagnosen und Behandlungen entwickeln würden? Die Auswertung grosser Datenmengen in der Medizin ist eines der dominierenden Themen in der Gesundheitsforschung. Wo stehen wir heute – und welche Perspektiven gibt es? Das waren die Fragen, die am Jahresanlass von The LOOP Zurich, im Zentrum standen. THE LOOP Zurich ist ein translationales Forschungszentrum mit Ausrichtung auf die Präzisionsmedizin. Die Veranstaltung fand letzte Woche an der UZH statt.

Seit 2020 forschen die Wissenschaftler:innen von The LOOP Zurich zu Präzisions- und datengetriebener Medizin. Es ist Spitzenforschung, die hier unter Beteiligung von UZH, ETH und den vier universitären Spitälern geleistet wird, – auch dank der Unterstützung von Stiftungen. «Forschung kostet, – gibt aber der Gesellschaft viel zurück», betonte Beatrice Beck Schimmer, Direktorin Universitäre Medizin Zürich, in ihrer Eröffnungsrede.

Erheben, erhalten, austauschen

Für Big Data gilt: «more is more», sagte Prof. Beatrice Beck Schimmer, Direktorin Universitäre Medizin Zürich, in ihrer Eröffnungsrede.

Ein wichtiges Projekt von The LOOP Zurich ist der Aufbau der Biomedizininformatik-Plattform (BMIP), die Daten nach dem FAIR-Prinzip für Forschungsprojekte zu Verfügung stellt. «FAIR» steht für Findable (auffindbar), Accessible (zugänglich), Interoperable (interoperabel), Reusable (wiederverwendbar). Bis 2025 will The LOOP Zurich die BMIP für den Austausch von Forschungs- und Gesundheitsdaten aufbauen. Den Auftrag dazu hat die Universitäre Medizin Zürich erteilt, die Regierung des Kantons Zürich hat die notwendigen Mittel gesprochen.

Wissenschaftler:innen, die für ihre Studien auf gesammelte Gesundheitsdaten zugreifen möchten, werden bei ihren Anträgen unterstützt, wie etwa beim Datenmanagementkonzept oder datenschutzrechtlichen und ethischen Vorgaben. Innerhalb von wenigen Wochen könnte so der Weg vom Forschungsantrag bis zur Analyse der Daten durchlaufen werden, sagte Gunnar Rätsch, ETH-Professor für Biomedizininformatik.

Christian Wolfrum, ETH-Vizepräsident für Forschung, betonte den Mehrwert, der für die Patient:innen aus der Biomedizininformatik-Plattform erwachsen wird. In Zukunft müsse man auch andere Spitäler und weitere Daten aus dem Bereich Public Health einbinden, wie etwa Gesundheits-Trackingdaten, so Wolfrum.

Loop von der Forschung bis zum Patienten

Markus Rudin, emeritierter Professor für Molecular Imaging und funktionelle Pharmakologie, betonte die klinische Translation, die für die The LOOP Zurich-Projekte bezeichnend sind. «Der Loop besteht darauf, dass Forschungsergebnisse zurück zu den Patient:innen gehen», sagte er und unterstrich das Gesagte anhand von zwei Projekten, die er in kurzen Video-Sequenzen vorstellte. «INTeRCePT» – erforscht Blutkrebs und Lymphdrüsenkrebs bei Kindern und Erwachsenen. «StimuLOOP» wiederum hat sich zum Ziel gesetzt, bei Parkinson- oder Schlaganfall-Patient:innen einhergehende Gehstörungen zu therapieren und so die Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern. Beide Projekte ermöglichen durch ihren präzsisionsmedizinischen Ansatz die gezielte, erfolgreiche und schonende Behandlung von Patientinnen und Patienten.

Überwachtes und unüberwachtes Lernen

Wie Computersysteme eigenständig Gesundheitsdaten analysieren und sogar Therapieempfehlungen herleiten können, erklärte Fabian Theis, Professor für Mathematische Modellierung biologischer Systeme an der TU München.

Computersysteme können bereits heute eigenständig Gesundheitsdaten analysieren, daraus lernen und sogar Therapieempfehlungen herleiten. Welche Chancen das für die Patient:innen bedeutet und wie künstliche Intelligenz in der Praxis eingesetzt wird, berichtete Fabian Theis, Professor für Mathematische Modellierung biologischer Systeme an der TU München und Direktor des Instituts für Computational Biology am Helmholtz Zentrum München, der als Gastreferent zum Jahresanlass geladen war.

Künstliche Intelligenz beschreibt die Lernfähigkeit von Computerprogrammen. Für dieses Lernen gibt es zwei Wege, sagte Theis. Der erste Weg beschreibt das überwachte Lernen: Forschende zeigen dem Rechner eine grosse Zahl ähnlicher Dinge und vermitteln ihm dabei je nach Fragestellung, was richtig oder falsch ist, gesund oder krank. Die Idee dahinter: Wenn der Computer genügend Input bekommt, kann sein Algorithmus irgendwann selbst die Unterscheidung treffen. Auf diese Weise kann er den Mediziner:innen eine Menge Arbeit abnehmen. Doch es gibt noch einen zweiten Weg, um künstliche Intelligenz anzuwenden: Hier bekommt der Rechner möglichst wenig Hilfestellung, er soll ohne Überwachung lernfähig sein. Der Mathematiker Fabian Theis wendet diese Methode beispielsweise bei der sogenannten Einzelzellanalyse an: Der Computer erhält Daten über einzelne Zellen und ihren Stoffwechsel – und muss darin Muster finden. So lassen sich neue Zusammenhänge aufspüren.

Zwei Siegerprojekte ausgezeichnet

Jens Selige, Geschäftsführer von The LOOP Zurich, stellte zwei Siegerprojekte vor, die jeweils am Jahresanlass gekürt werden. Die jungen Forschenden hatten sich bei der Ausschreibung beworben und sich gegen andere Projekte durchgesetzt. Damit verbunden ist eine grosszügige finanzielle Unterstützung für ihre Plattform-Projekte.

Sebastiano Caprara, stellte das erste Sieger-Projekt «Biomedical Informatics Imaging Platform» (BMI2) vor. BMI2 besteht aus einem Konsortium von verschiedenen Spitälern. Caprara arbeitet an der Universitätsklinik Balgrist und leitet derzeit die Digital Medicine Unit dort. Das Projekt BMI2 sammelt Bilddaten, zum Beispiel aus dem MRI und analysiert sie mit der sogenannten Segmentierung, einem Teilgebiet der digitalen Bildverarbeitung und des Computer-Sehens. «Die Analyse der Ergebnisse führt zu genaueren Diagnosen, zum Beispiel bei Schäden an einzelnen Wirbeln», so Caprara.

Lymphom bekämpfen

Das zweite Siegerprojekt wurde von Marco Bühler vorgestellt. Er arbeitet als Pathologe am Universitätsspital Zürich. Unter dem Namen «POLAR» wollen die Forschenden des Konsortiums, Daten von Patienten mit einem Lymphom zusammentragen. Dazu gehören Anamnesedaten, Daten aus der Bildgebung, Proteinanalytik und Pathologie wie auch genetische Daten. All diese Daten, die im Moment noch in unterschiedlichen Datenbanken erfasst werden, sollen in eine einzige Datenbank einfliessen. «Wir wollen den grössten Datensatz weltweit über Lymphome zusammentragen, mit dem Ziel, das Wissen in die Klinik zu den Patient:innen zurückzubringen und zur Heilung beizutragen», sagte Bühler.

Koordination der kantonalen Datenschutzgesetze als Herausforderung

Beleuchteten das Thema medizinische Forschung und Datenschutz aus verschiedenen Perspektiven: Fabian Theis, Kerstin Vokinger, Michael Krauthammer, Gunnar Rätsch, Emanuela Keller und Markus Rudin (v.l.n.r.)

Abgerundet wurde das Programm mit einer Expert:innenrunde, die die Bedeutung von Daten für die Zukunft der medizinischen Forschung diskutierten, und zwar aus verschiedenen Perspektiven. Die UZH-Professorin für Neurointensivmedizin und leitende Ärztin der Neurointensivstation des USZ, Emanuela Keller, beschrieb, wie Künstliche Intelligenz (KI) in der Intensivmedizin Entscheidungshilfen zur Behandlung von Patient:innen liefern könne, aber auch wie potenzielle Konflikte entstehen können, wenn die Empfehlungen der KI nicht mit dem Erfahrungswissen der Ärzt:innen übereinstimme. Gunnar Rätsch, Fabian Theis und Michael Krauthammer, Professor für Medizininformatik an der UZH, erläuterten, wie mittels moderner Prozessierungsmethoden Daten für Forschungszwecke genutzt werden könnten und welche datenschutzrechtlichen Aspekte dabei zu beachten sind. Die UZH-Juristin und Medizinerin Kerstin Vokinger, sprach darüber, mit welchen datenschutzrechtlichen Herausforderungen wir in Zukunft konfrontiert sein werden, besonders in der Schweiz, mit ihrem föderalistischen Rechtssystem, – denn nach wie vor gibt es in der Schweiz mehrere kantonale Datenschutzgesetze.