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Digitalisierung im Gesundheitswesen

«Meine Daten für die Medizin? Eindeutig, ja!»

Gesundheitsdaten spielen eine immer wichtigere Rolle in der modernen Medizin. Doch was motiviert Patient:innen dazu, ihre medizinischen Daten der Forschung zur Verfügung zu stellen? Über diese Fragen diskutierten im Rahmen des Wissenschaftsfestivals Scientifica ausgewiesene Expert:innen mit dem Publikum.
Marita Fuchs
Auf dem Podium (v.l.n.r.): Catherine Jutzeler, Leiterin Biomedizinisches Datenwissenschaften Lab, ETH Zürich, Michael Krauthammer, Professor für Medizininformatik, UZH, Beatrice Beck Schimmer, Direktorin Universitäre Medizin Zürich, UZH, Elisabeth Stark, Prorektorin Forschung UZH, Harald Gall, Dekan Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät, UZH, Katrin Crameri, Direktorin Datenkoordinationszentrum SPHN, Basel, Beat Glogger, Moderator (Bild: Frank Brüderli)

Wer in ein Spital eintritt oder ärztlich behandelt wird, wird immer häufiger gefragt, ob die persönlichen medizinischen Daten für die Forschung genutzt werden dürfen. Vielen Patient:innen kommen Bedenken: Warum soll ich das tun? Sind die Daten geschützt? Wem kommt das Wissen zugute?

Diese Fragen wurden am vergangenen Sonntag an einer Podiumsveranstaltung mit Scientifica-Besuchenden diskutiert. Am Podium anwesend: Beatrice Beck Schimmer, Direktorin Universitäre Medizin Zürich, UZH, Elisabeth Stark, Prorektorin Forschung UZH, Katrin Crameri, Direktorin Datenkoordinationszentrum SPHN, Basel, Harald Gall, Dekan Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät, UZH, Catherine Jutzeler, Leiterin Biomedizinisches Datenwissenschaften Lab, ETH Zürich, Michael Krauthammer, Professor für Medizininformatik, Institut für Quantitative Biomedizin, UZH. Die Veranstaltung wurde moderiert von Beat Glogger, freischaffender Wissenschaftsjournalist.

Warum soll ich meine Daten zur Verfügung stellen und wie werden sie verwaltet?

Die Besucher:innen in der Aula der UZH wurden zu Beginn der Veranstaltung aufgefordert, einen Online-Fragebogen auszufüllen. Die Hälfte der Anwesenden gab an, dass sie schon einmal Blut gespendet hätten. Zwei Drittel hatten biologisches Material – wie zum Beispiel Gewebeproben – zur Verfügung gestellt. Katrin Crameri sagte, dass entspreche auch ihren Erhebungen. Zwischen 60 bis 80 Prozent der Schweizer:innen, die gefragt werden, unterschreiben einen sogenannten Generalkonsent. Damit geben sie ihr Einverständnis, schon vorhandene wie auch zukünftig erhobene Daten und Proben der Forschung zu spenden. «Es ist wichtig, die Patient:innen gut zu informieren, sie müssen darüber aufgeklärt werden, wie wertvoll die Daten für die Forschung sind, und dass sie nicht missbraucht werden», betonte Beatrice Beck Schimmer.

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Ich stelle meine Daten gerne zur Verfügung, um damit neue Studien zu ermöglichen und die Medizin zu verbessern.

Raphael Stark
Veranstaltungsteilnehmer

Daten sind aber nur dann aussagekräftig, wenn viele davon in einheitlicher Qualität vorhanden sind. Ein Garant für diese Datenqualität und Sicherheit ist die von der Universitären Medizin Zürich lancierte «Biomedizinische Informatikplattform» (BMIP). «Diese Plattform wird in den kommenden Jahren für einen Qualitätssprung in der biomedizinischen Forschung am Standort Zürich sorgen», sagte Elisabeth Stark. Die beteiligten vier universitären Spitäler werden ihre erhobenen und nach den geltenden rechtlichen und ethischen Richtlinien anonymisierten Daten auf der neuen Plattform unter sicheren Bedingungen für einzelne Forschungsprojekte zur Verfügung stellen können. Voraussetzung dafür ist ein einheitliches Datenmanagement. Solche Projekte seien mit hohen Kosten verbunden, so Stark. Die BMIP wird mit acht Millionen Franken finanziert. Integriert in die Plattform werden auch die bestehenden Biobanken mit wertvollen Patientendaten unter anderem aus Gewebeproben.

Schweizweit gesehen sind bisher die Datensammlungen nicht immer kompatibel und können nicht ohne Weiteres zwischen den Spitälern ausgetauscht und für Forschungsprojekte genutzt werden, sagte Katrin Crameri. Die SPHN-Initiative arbeite deshalb an einer gesamtschweizerischen digitalen Infrastruktur.

Warum sind die Gesundheitsdaten wichtig?

Catherine Jutzeler analysiert Daten von Patientinnen und Patienten mit Rückenmarksverletzungen. Es sind zum Beispiel Blutwerte, Herzfrequenzen, Vorerkrankungen, aber auch mit medikamentöser Behandlung. «Wir arbeiten auf sicheren Plattformen, die speziell für hochsensitive Daten konzipiert wurden», sagte sie. Da Rückenmarksverletzungen zu den seltenen Erkrankungen gehören, sei sie in ihrer Forschung darauf angewiesen, viele Daten zu bekommen, nur so liessen sich besser Zusammenhänge herstellen, die letztlich wieder den Patientinnen und Patienten zugutekommen könnten.

Auch Michael Krauthammer sammelt Daten aus der Klinik. Es sind Daten über onkologische Erkrankungen wie die Art des Krebses, welche Medikamente genommen werden oder welche Therapien zum Tragen kommen. Die vielen Daten, die sich daraus ergäben, würden von künstlicher Intelligenz mittels Algorithmen analysiert. Daraus können sich neue Muster herauskristallisieren, die bisher noch nicht bekannt waren. Solche Analysen würden zum Beispiel im Tumor-Profiler-Projekt durchgeführt, das Tumoren in noch nie dagewesener Detailtreue analysiere. Das sei ein wichtiger Schritt hin zu einer personalisierten Krebstherapie.

Mit vielen Daten und der Hilfe künstlicher Intelligenz würden Dinge erkennbar, die zu neuen Erkenntnissen in der Medizin führen könnten, sagte Harald Gall. Potential sehe er auch in den Daten aus persönlichen Fitnessgeräten, wie etwa Schrittzählern oder Schlaftrackern, auch sie könnten wertvolle Informationen liefern und der Prävention bestimmter Krankheiten dienen. «Die Digitalisierung wird die Medizin voranbringen», zeigte er sich überzeugt.

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Meine Daten und die Forschung? Eindeutig ja – für eine bessere, effizientere Medizin.

Laura Sirucek
Veranstaltungsteilnehmerin

Sind die Daten geschützt?

Fragen zum Datenschutz treiben viele Menschen um. Auf die Frage, was die Hauptbedenken gegen Datenspenden in der Medizin seien, gab das Publikum an erster Stelle ungenügenden Datenschutz an. An zweiter Stelle wurden Ängste geäussert, dass man wegen der gespendeten Daten diskriminiert werden könne, etwa durch Versicherungen. An dritter Stelle standen Bedenken wegen einer möglichen Kommerzialisierung der Daten.

Die Expert:innen auf dem Podium relativierten. «Die Herausgabe von Gewebeproben erfolgt nach einem standardisierten Prozess, bei dem wissenschaftliche, rechtliche und ethische Aspekte berücksichtigt werden», sagte Krauthammer. «Bei anonymisierten Daten sind keine Rückschlüsse auf den Spender oder die Spenderin möglich.» Für die Datenverarbeitung benutze man eine sichere Computer-Infrastruktur, die den Datenzugang streng reguliere und damit erfolgreiche Hackerangriffe unwahrscheinlich mache.