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Zur Ökonomie der Geschlechterverhältnisse

Die internationale Gender-Studies-Tagung «Genus oeconomicum» – zur Ökonomie der Geschlechterverhältnisse» behandelte Inhalte und Disziplinen, die den Gender-Aspekt lange Zeit ausgeblendet hatten. Unter anderem wurde klar, dass die ökonomische Theorie noch kaum tragfähige Konzepte entwickelt hat, mit denen die Diskriminierung (von Frauen) theoretisch sinnvoll zu fassen wäre.
Béatrice Ziegler

Die zweitägige internationale Tagung «Genus oeconomicum» fand an der Universität Zürich statt.

Die dritte internationale Tagung des Kompetenzzentrums Gender Studies der Universität Zürich und des Frauenrats der Universität Konstanz fand am 24./25 Februar 2005 an der Universität Zürich statt. Dieses Mal sprach der Anlass Disziplinen und Inhalte an, die sich lange einer geschlechtersensiblen Auseinandersetzung versperrt haben, in denen aber in den letzten Jahren verstärkt theoretisch gearbeitetworden ist. Diese Themensetzung erschien als um so sinnvoller, als im Zusammenhang mit der Ökonomisierung der Gesellschaft und mit den Globalisierungsprozessen die Geschlechterverhältnisse Verschiebungen erfahren.

Alternative Interpretationen von Befunden

Fabienne Peter eröffnete einen Block, der sich mit Rationalitätskonzepten jenseits des Homo oeconomicus beschäftigte. Die Referentin diskutierte die Möglichkeiten, die sich im Zusammenhang mit der zunehmenden empirischen Forschung in den Wirtschaftswissenschaften für alternative Interpretationen von Befunden ergeben. Solche Interpretationen könnten geeignet sein, in der bisherigen Theorie als «irrational» taxiertes, das heisst nicht eigener Optimierung verpflichtetes Verhalten theoretisch zu fassen – auch wenn sich daraus bislang viele Probleme auf dem Weg zu einer kohärenten, anschlussfähigen Theorie ergeben. Gerade solche Interpretationen könnten den Zugang zur Interpretation sozialer Diversität öffnen und damit die theoretische Verbindung zwischen Ökonomie und Sozialwissenschaften angehen.

Untersuchte Einladungen zum Bewerbungsgespräch geschlechtsspezifisch: Doris Weichselbaumer, Barcelona.

In der Folge wurde als ein wichtiger Bereich die ungleiche Stellung von Frauen im formellen Arbeitsmarkt bzw. im ökonomischen Geschehen diskutiert. In ihrem Referat verwies Doris Weichselbaumer darauf hin, dass die Ökonomie häufig «nicht-rationales» Verhalten als Erklärung für Zeichen der Diskriminierung von Frauen beizieht. Sie stellte ihre Studie vor, die Einladungen von Unternehmungen aufgrund von Bewerbungsschreiben von Männern und Frauen diskutierte.

Diskriminierung theoretisch nicht erfasst

Dem «glass ceiling»-Phänomen widmete sich Reinhard Kreckel. Er erklärte das Phänomen, dass Frauen immer nur bis zu einem bestimmten Niveau aufsteigen und dann an eine «gläserne Decke» stossen, damit, dass Wissenschafterinnen erheblich stärker als Wissenschafter von Überlegungen und Massnahmen der Familienplanung beeinflusst sind. Die Reproduktion beziehungsweise die Familienarbeit sei für die Ungleichheit in den Hierarchien verantwortlich. Er illustrierte damit die von den Hauptreferentinnen und in den Workshops thematisierte These, dass die ökonomische Theorie noch kaum tragfähige Konzepte entwickelt hat, um die Diskriminierung (von Frauen) theoretisch sinnvoll zu fassen und bearbeitbar zu machen.

Beschäftigt sich mit den Risiken und Chancen der postnationalen Demokratie aus geschlechtersensibler Sicht: Prof. Sibylle Hardmeier, Universität Zürich.

Output-Orientierung als Nachteil für Frauenarbeit

Sibylle Hardmeier warf die Frage nach der Demokratie in der postnationalen Gesellschaft auf. Sie gab insbesondere zu bedenken, dass der informelle Sektor in der Wirtschaft und informelle Entscheidungsformen in der Politik die Möglichkeiten demokratischer Teilhabe eines grossen Teiles der Bevölkerung und insbesondere der Frauen verändern und erschweren. Es sind vor allem Frauen, die in den informellen Wirtschaftsbereich abgedrängt werden. Dort schwächen nicht transparente Entscheidungsabläufe die Möglichkeiten der Einflussnahme. Es werde weniger die Beteiligung beurteilt als Lösungen und Effizienz der getroffenen Massnahmen. Das Prinzip der Output-Orientierung birgt als Konzept für die gesellschaftliche Verortung von Frauen grosse Probleme, indem sich ihre Zuständigkeiten in der Reproduktion bzw. im informellen Sektor der theoretischen Bearbeitung durch Output-Konzepte bislang versperren. So erscheint die ökonomische Schwäche dieser «weiblichen» Handlungsfelder neuerlich begründet. Gleichzeitig fördert die Output-Orientierung als neuer Modus der Ökonomie auch im formellen Sektor eine Privatisierung sozialer Rahmenbedingungen von Erwerbsarbeit, was wiederum jene benachteiligt, die ausserhalb derselben gefordert sind.

Béatrice Ziegler, Historikerin und Mitorganisatorin der Tagung «Genus oeconomicum».

Stellung der Frauen in ihrer Komplexität erfassen

Gudrun Lachenmann beschloss die Tagung damit, dass sie erneut einforderte, dass die Stellung von Frauen nicht sektoral gesehen und analysiert werden dürfe. Es müssten die Handlungs-, Institutionen- und gesamtwirtschaftliche Ebene in einem relationalen, dynamischen Verhältnis gesehen werden. Gerade die Neuanordnung von formalem Wirtschaftssektor und Reproduktionsbereich sowie die Zunahme des informellen Sektors, in dem Frauen und ihre Arbeit, ihre Netzwerktätigkeit und Infrastrukturleistungen eine grosse Bedeutung haben, verweisen darauf, dass die Erklärungskraft von Theorien, die sich ausschliesslich im formellen Sektor bewegen oder auf individueller Ebene «Bargaining»-Prozesse analysieren, nur von begrenzter Reichweite sind.

Béatrice Ziegler ist Historikerin und hat die Tagung «Genus oeconomicum» mit organisiert.

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