Zusammen mehr erreichen
Seraina Eisele

Möchte Studierende ermutigen, sich aktiv einzubringen: Seraina Eisele mit Studienkolleg:innen. Sie ist Masterstudierende und engagiert sich vielfältig in der Uni-Politik. (Bild: Sophie Stieger)
«Als Bachelor-Studentin gab ich einmal einem Mitstudenten im Lichthof Nachhilfe in Physik. Später fragten mich mehrere Personen, die uns gesehen hatten, für welches Modul ich Nachhilfe in Anspruch nehme. Alle sind automatisch davon ausgegangen, dass ich – die Frau – diejenige sei, die Nachhilfe benötige. Derartige Erfahrungen gaben den Ausschlag, dass ich mich bei der Gleichstellungskommission des Verbands der Studierenden der Universität Zürich (VSUZH) meldete und so in der Uni-Politik aktiv wurde.
Gleichstellung geht für mich aber über die Geschlechterfrage hinaus. Bildung für alle, unabhängig vom jeweiligen Hintergrund, ist mir ein grosses Anliegen. Dafür setze ich mich als studentische Delegierte in der Erweiterten Universitätsleitung (EUL), im Senat, im Steuerungsausschuss UZH Accessible sowie in verschiedenen Gremien des VSUZH ein. Ausserdem habe ich das feministische Philosophie-Kollektiv in Zürich mitgegründet und bin Co-Präsidentin der Society for Women* in Philosophy Switzerland (SW*IP CH). Dabei ist es mir besonders wichtig, Gleichstellung intersektional – also auf mehreren Achsen wie beispielsweise auch in Bezug auf Behinderung oder sozialer Herkunft – zu denken.
Hürden abbauen
Ich habe einen Bachelor in englischer und deutscher Sprache und Literaturwissenschaft absolviert und einen zweiten Bachelor in Physik und Philosophie. Jetzt bin ich im Masterstudium in Philosophie und Gender Studies. Dass ich heute an diesem Punkt stehe, ist keine Selbstverständlichkeit. Als ehemaliges Heim- und Pflegekind (Careleaverin) gehöre ich zu einer Personengruppe, von denen gerade einmal ein Prozent eine höhere Ausbildung schafft. Wir Careleaverinnen und Careleaver begegnen strukturellen Hürden, kämpfen mit gesellschaftlicher Stigmatisierung und bleiben im System meist unsichtbar. Ich setze mich dafür ein, dass sich dies ändert.
Allzu leicht vergessen wir im universitären Alltagsleben, dass unsere Strukturen nicht neutral sind und darin nicht alle die gleichen Chancen haben. Dies merke ich insbesondere, wenn ich mich für die Rechte von Studierenden mit Behinderungen einsetze. Wenn ich konkrete Vorschläge mache, welche die Bildungsgerechtigkeit hier an der UZH erhöhen könnten, stösst dies oft auf Widerstand. Regelmässig sagen Dozierende dann, dass etwas schon immer so gemacht worden sei und deshalb nicht geändert werden sollte. Dies ist ein logischer Fehlschluss – in der Philosophie bezeichnet als argumentum ad antiquitatem –, denn die Dauer einer Praxis sagt nicht zwingend etwas über deren Qualität aus.
Eine Bildungspolitik, die niemanden vergisst
Zu Beginn habe ich mich bei meinem Einsatz in der Unipolitik oft deplatziert gefühlt. Die Anliegen, die ich einbrachte, waren vielen fremd und die Art, wie ich mich ausdrückte, wurde mehrfach kritisiert. Sicherlich hatte dies viel zu tun mit der Position, von der aus ich sprach: als Frau, Careleaverin, Person mit Beeinträchtigung. Es war kein einfacher Weg, aber ich bin froh, dass ich trotzdem drangeblieben bin und in den vergangenen Jahren zu vielen wichtigen Veränderungen beitragen konnte. Kritik habe ich immer ernst genommen, aber ich habe mich auch bewusst dazu entschieden, mit meiner eigenen Stimme zu sprechen und mich in einigen Punkten nicht anzupassen. Ich möchte alle Studierenden, deren Stimmen aktuell noch zu wenig gehört werden, ermutigen, sichtbar zu werden und sich aktiv einzubringen – ihre Perspektive ist wichtig.»
Andrea Farnham

Berät UZH-Angehörige im Umgang mit Daten: Andrea Farnham (rechts). Sie ist Data Steward und wissenschaftliche Leiterin der Swiss-PrEPared-Studie am Institut für Epidemiologie, Biostatistik und Prävention. (Bild: Diana Ulrich)
«Schon seit meinem PhD ist mir die Zugänglichkeit der Wissenschaft ein grosses Anliegen. Ein Prinzip, das mir besonders am Herzen liegt, sind offene Daten. Das heisst, Daten, welche für die Forschung erhoben werden, sollten möglichst frei verfügbar und nutzbar sein. Aus diesem Grund engagiere ich mich im Netzwerk der Data Stewards. Als Data Steward bringe ich verschiedene Teams miteinander in Kontakt und unterstütze sie dabei, Daten so aufzubereiten und abzulegen, dass man sie in unterschiedlichen Disziplinen nutzen kann.
Daten über Daten
Meine eigene Forschung ist ein interessantes Beispiel, denn sie zeigt, dass Dinge, die in der Theorie gut klingen, in der praktischen Umsetzung eine Herausforderung sein können. Ich bin verantwortlich für den wissenschaftlichen Teil des SwissPrEPared-Programms, in welchem insgesamt rund 9000 Personen das Medikament PrEP erhalten. Dieses beugt Ansteckungen mit dem HI-Virus vor. Das Programm wird von einer Studie begleitet, in der wir unter anderem Gesundheitsdaten der Teilnehmenden auswerten.
Diese Daten sind sehr sensibel und müssen entsprechend geschützt werden. Deshalb sind die Möglichkeiten, die Daten zu teilen, stark eingeschränkt. Im Netzwerk der Data Stewards habe ich gelernt, dass ich statt der Daten beschreibende Angaben dazu, so genannte Meta-Informationen, aufbereiten und teilen kann. So erfahren andere Forschende zumindest, welche Daten wir haben und sie können bei uns ein Gesuch einreichen, wenn sie sie nutzen möchten. Die Kontakte im Netzwerk der Data Stewards haben mir sehr geholfen, zu verstehen, wie Meta-Daten strukturiert sein müssen.
Know-how-Transfer
Meine eigene Rolle als Data Steward sehe ich pragmatisch: Wenn ich im Austausch bin mit anderen Gruppen, dann weise ich sie auf die Unterstützungsangebote hin. Viele wissen zum Beispiel nicht, dass die Abteilung Science IT in der Zentralen Informatik kostenlose Beratungen zum Umgang mit Daten anbietet.
Ursprünglich trafen wir uns im Netzwerk jeden Monat. Dabei ging es vor allem darum, unser gegenseitiges Wissen auszutauschen, welche Ressourcen und Hilfsmittel wo vorhanden sind. Inzwischen treffen wir uns vierteljährlich, abwechselnd online und live. Ich mag die persönlichen Treffen, denn sie bieten eine gute Gelegenheit, die Beziehungen zu vertiefen. Normalerweise bewegen wir uns als Forschende ja vor allem im eigenen Umfeld. Durch mein Engagement als Data Steward habe ich Einblick in viele Bereiche der Universität erhalten, die ich vorher nicht gekannt habe.
Effizienzgewinn
Für mich ist das Engagement auch insofern ein Gewinn, als es die Arbeit unserer Gruppe effizienter gemacht hat. Wir mussten nicht mehr alles selber neu erfinden, sondern konnten von den Erfahrungen und dem Wissen anderer profitieren. Das ist mein Hauptargument, wenn ich andere Gruppen überzeugen möchte, ihre Daten offen und zugänglich zu machen. Am Anfang ist der Aufwand vielleicht gross, aber auf die Dauer macht es die Arbeit effizienter.»