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Stellenmarkt-Monitor Schweiz

Teamfähig und digital versiert

Welche Skills sind heute auf dem Arbeitsmarkt besonders gefragt? Der Stellenmarkt-Monitor Schweiz (SMM) am Soziologischen Institut der UZH analysiert Stelleninserate und kennt aktuelle Trends: Vor allem digitale und kognitive Skills sind wichtiger geworden.
Nicole Bruggmann
Informatikstudierende sollen flexibel sein und wissen, was morgen gefragt ist. (Bild: iStock, metamorworks)
Für die heutige Arbeitswelt sollten Informatikstudierende flexibel sein und wissen, was morgen gefragt ist. (Bild: iStock, metamorworks)

Die UZH-Studentin Mia schliesst diesen Sommer ihren Bachelor in Informatik ab. Angesichts dieses ersten Erfolgs treiben sie vermehrt Fragen um, wie sie ihre berufliche Zukunft am besten gestaltet. Soll sie ein Zwischenjahr einlegen, Berufserfahrung sammeln und dabei in ihrer Freizeit eine weitere Programmiersprache lernen, um nach dem Master bessere Chancen beim Einstieg ins Berufsleben zu haben? Wie sieht der Arbeitsmarkt für Informatiker:innen überhaupt aus, welche Fähigkeiten sind momentan gefragt? 

Der Politologe und Volkswirtschaftler Yanik Kipfer vom Stellenmarkt-Monitor Schweiz ist diesen Fragen nachgegangen. Für UZH News hat er Berufsgruppen unter die Lupe genommen, die für UZH-Abgänger:innen und Studierende wie Mia relevant sein dürften.

Stelleninserate, Machine Learning und Skillspiders

In welchen Berufsgruppen braucht es welche Kenntnisse, Fähigkeiten und Qualifikationen? Um das herauszufinden, hat Kipfer Stelleninserate aus dem Zeitraum von 2000 bis 2022 im Detail ausgewertet. Die Stellenausschreibungen stammen von den zwölf grössten Schweizer Stellenbörsen, einer repräsentativen Stichprobe von Unternehmenswebseiten sowie von Presseinseraten. Dabei wurde untersucht, welche spezifischen Qualifikationen und Fähigkeiten Arbeitgeber für die ausgeschriebenen Stellen verlangten.

Hierzu mussten die genannten Fähigkeiten zunächst aus den Inseraten extrahiert und klassifiziert werden, weshalb eigens von Computerlinguist:innen im Stellenmarkt-Monitor Team entwickelte Machine-Learning-Modelle eingesetzt wurden. Die klassifizierten Fähigkeiten wurden anschliessend für einzelne Berufsgruppen ausgewertet und in sogenannten «Skillspiders» dargestellt. Die Skillspiders zeigen auf, welche Fähigkeiten (Skills) in den jeweiligen Berufsgruppen verlangt werden. 

«Solche detaillierten Arbeitsmarktanalysen sind nur dank unserer einzigartigen Dateninfrastruktur möglich», sagt Kipfer. «Unseres Wissens gibt es kein anderes wissenschaftliches Projekt, das seit 2002 eine kontinuierlich durchgeführte, repräsentative Dauerbeobachtung eines nationalen Stellenmarktes realisiert und dabei die gesamte Pipeline von der Datenerhebung über die Extraktion bis hin zur Analyse in einem einzigen Forschungsprojekt integriert.»

Gestiegene Anforderungen an Arbeitnehmende

Beim Vergleich der Zeiträume von 2000 bis 2010 mit jenem von 2011 bis 2022 deuten die Auswertungen auf einen allgemeinen Trend hin: «Die Bandbreite an Skills, die man heutzutage beherrschen muss, ist grösser als früher. Die Anforderungen sind höher, und man muss heute viel wandlungsfähiger und vielfältiger sein. Man sollte verschiedene Fähigkeiten beherrschen und sich nicht nur in einem Bereich spezialisieren», fasst Kipfer die Berufsanforderungen von heute zusammen. Dies liege daran, dass vieles in den letzten Jahren komplexer geworden sei und dass man heute vermehrt in interdisziplinären Teams zusammenarbeiten müsse.

«Besonders gefragt sind heute in vielen unterschiedlichen Berufsgruppen Fähigkeiten aus dem Bereich der digitalen, aber auch der kognitiven Skills», führt Kipfer aus. Neben diesen Fähigkeiten spielen Kommunikation und Teamwork mittlerweile in vielen Berufen eine ebenso wichtige Rolle. 

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Die Lösung komplexer Probleme erfordert, dass Experten aus verschiedenen Fachbereichen zusammenarbeiten – deshalb sind neben digitalen und kognitiven Skills auch Teamarbeit und effektive Kommunikation heute wichtiger denn je.

Yanik Kipfer
Politologe

Welche Skills für Universitätsabgänger:innen von Bedeutung sind, soll anhand dreier Berufsgruppen – Führungskräfte, Entwickler:innen und Analytiker:innen von Software und IT-Anwendungen sowie Berufe in den Naturwissenschaften, der Mathematik und dem Ingenieurswesen – genauer betrachtet werden. 

Die ideale Führungskraft meistert komplexe Probleme

Eine gute Führungskraft muss mit ihrem Team zusammenarbeiten und komplexe Probleme lösen können. (Bild: SMM)
Die Skillspider zu den Führungskräften zeigt: Eine gute Führungskraft muss mit ihrem Team zusammenarbeiten und komplexe Probleme lösen können. (Bild: SMM)

Wer an der Universität studiert hat, strebt nicht selten eine Führungsposition an. Spezifische Tipps an Abgänger:innen mit Führungsambitionen sind allerdings nicht so einfach zu geben. Denn: Die Berufsgruppe der Führungskräfte ist laut Kipfer sehr heterogen. Führungskräfte braucht es in den verschiedensten beruflichen Bereichen, womit sich zum Teil auch die Aufgaben und die benötigten Fähigkeiten voneinander unterscheiden.

Einige Tendenzen lassen sich dennoch beobachten. Auffällig ist insbesondere die gestiegene Nachfrage nach digitalen Skills. Zudem sind auch Teamwork und Kommunikation wichtiger geworden. Eine Führungskraft muss heute gut im Team arbeiten und mit den Mitarbeitenden kommunizieren können. «Es ist nicht mehr so, dass die Führungskraft kommandiert und die Mitarbeiter:innen die Befehle ausführen. Aus dieser Ära sind wir raus», meint der Politologe. Generell haben hierarchische Strukturen an Bedeutung verloren; das könnte am Homeoffice liegen, das seit Corona häufiger genutzt wird, vermutet Kipfer. «Die Verantwortung aufseiten der Mitarbeiter:innen ist gestiegen.» 

Die Führungskräfte von heute brauchen auch gute kognitive Skills. Sie müssen in der Lage sein, komplexe Probleme zu lösen, mit verschiedenen Kulturen und Wertevorstellungen zu interagieren und passende Strategien für ihr Unternehmen entwickeln zu können.

Schaut man sich genauer an, welche spezifischen Fähigkeiten in den Stelleninseraten überdurchschnittlich oft genannt werden, fällt auf, dass die beiden wichtigsten Fähigkeiten einer Führungskraft gute Personalführung und gute betriebliche Leitung sind. Gesucht sind Führungskräfte, die Mitarbeiter:innen nicht nur anleiten, sondern sie auch inspirieren und motivieren können, auf ein bestimmtes Ziel hinzuarbeiten. Gleichzeitig sollen sie aber auch eine Ahnung von den operativen Tätigkeiten des Betriebs haben und ein ausgeprägtes unternehmerisches Gespür besitzen.

IT-Spezialist:innen, die ihre Nutzer:innen verstehen

Die Berufsgruppe der Entwickler:innen und Analytiker:innen von Software und IT-Anwendungen müssen digitale Skills beherrschen und mit dem Team und den Kund:innen kommunizieren können. (Bild: SMM)
Die Berufsgruppe der Entwickler:innen und Analytiker:innen von Software und IT-Anwendungen müssen vor allem digitale Skills beherrschen, aber auch gut mit ihrem Team und den Kund:innen kommunizieren können. (Bild: SMM)

In der Berufsgruppe der Entwickler:innen und Analytiker:innen von Software und IT-Anwendungen  sind die digitalen Skills nach wie vor am wichtigsten. Gute Chancen auf dem Arbeitsmarkt hat, wer zusätzlich Kenntnisse im Design von Nutzeroberflächen besitzt, wer also weiss, wie man ein Programm für die Endnutzer:innen ansprechend macht; ebenfalls gefragt sind Kenntnisse in Requirement Engineering, einem Prozess, bei welchem herausgefunden wird, was eine Software können muss, um die Wünsche und Bedürfnisse der Nutzer:innen zu befriedigen. 

Die sozialen Skills bei dieser Berufsgruppe stechen nicht heraus. Trotzdem sind – entgegen dem Klischee von Programmierer:innen, die ganz allein bis tief in die Nacht im Büro an der neuen Software feilen – kommunikative Skills sehr gefragt. «Denn um zu verstehen, was die Endnutzer:innen sich wünschen, müssen Softwareentwickler:innen mit den Anwendenden ihrer Programme kommunizieren können. Dies ist entscheidend, um die Spezifikationen für die Entwicklung einer neuen Anwendung festzulegen», so Kipfer. 

Technologien kommen und gehen

Im Bereich Programmiersprachen besteht vor allem eine Nachfrage nach den Programmiersprachen Java, Java Script und Python. «Wer nach dem Studium einen Beruf als Programmierer:in anstrebt, sollte in diesen Programmiersprachen sattelfest sein. Dieses Berufsfeld ist aber auch sehr dynamisch und ändert sich schnell», fügt Kipfer an, «neue Technologien kommen hinzu, bisherige sind schnell veraltet.» Deswegen sollen sich die Studierenden immer auch überlegen, was morgen gefragt ist. Kipfer rät: «Studienabgänger:innen müssen den Blick auch auf die nahe Zukunft richten. Die Programmiersprache, die heute beliebt ist, wird morgen vielleicht von kaum jemandem mehr gebraucht.» Um in diesem Berufsfeld Fuss zu fassen, muss man flexibel sein und bereit, immer wieder Neues dazuzulernen. 

Die Nachfrage nach Leuten mit Kenntnissen im Umgang mit KI wird sicher ansteigen.

Yanik Kipfer
Politologe

Eine nächste grosse Veränderung in dieser Berufsgruppe ist mit dem Aufkommen der KI zu erwarten. «Momentan überlegen sich vermutlich viele Unternehmen noch, wie und wo sie KI einsetzen können; die Nachfrage nach Leuten mit Kenntnissen im Umgang mit KI wird aber sicher kommen», ist Kipfer überzeugt. 

Naturwissenschaftler:innen mit digitalen Skills

In den MINT-Berufen fällt die gestiegene Nachfrage nach digitalen und kognitiven Skills auf. (Bild: SMM)

Die Universität Zürich bildet jedes Jahr auch zahlreiche Studierende in MINT-Berufen aus. In dieser Berufsgruppe der Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik stechen die gestiegenen Anforderungen an die digitalen und die kognitiven Skills und punktuell auch an die sozialen Skills heraus.

Am wichtigsten im Bereich der digitalen Skills sind Kenntnisse von CAD-Softwares, die es beispielsweise Ingenieur:innen erlauben, Maschinen am Computer zu modellieren. «Kenntnisse in CAD-Software sind für diese Berufsgruppe unerlässlich, da ein Grossteil ihrer Arbeit in der Entwicklung oder Verbesserung von Produkten besteht und diese Tätigkeiten hauptsächlich mithilfe solcher Programme durchgeführt werden», meint Kipfer, «zudem sollte man in dieser Berufsgruppe auch etwas von Software-Entwicklung verstehen. Diese wird beispielswiese dafür benötigt, um Aufgaben oder Prozesse zu automatisieren oder Daten zu analysieren.» Das Verständnis von Simulationssoftware ist ebenfalls nützlich, um zu testen, wie sich eine neu entworfene Maschine oder ein Produkt unter verschiedenen Bedingungen verhält.

Trotzt den hohen Anforderungen seitens der Arbeitgeber werden Fachkräfte aus der Berufsgruppe der Naturwissenschaften, Mathematik und Ingenieurswesen dringend gesucht, sagt Kipfer. Die Schweiz leidet nach wie vor unter einem grossen Fachkräftemangel in diesem Berufsbereich. «Die Aussichten für Studierende der MINT-Fächer sind deshalb nach wie vor sehr gut und sollten es auch in Zukunft bleiben», so Kipfer. 

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