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Globuli zwischen Glaube und Beweiszwang

Evaluationen der Komplementärmedizin sind schwierig: Das zeigte sich am Donnerstag letzter Woche an einem Symposium an der Universität Zürich. Experten erläuterten, wie komplex die Messung alternativer Heilungsmethoden ist.
Marita Fuchs

Im Sommer dieses Jahres beschloss Bundesrat Pascal Couchepin, alle komplementärmedizinischen Behandlungsmethoden aus der Grundversicherung zu streichen. Dies geschah vor dem offiziellen Abschluss des «Programms Evaluation Komplementärmedizin» (PEK), das seit 1998 die fünf komplementärmedizinischen Verfahren – anthroposophische Medizin, Homöopathie, Neuraltherapie, Phytotherapie und die traditionelle chinesische Medizin – untersucht. In ihrem vorläufigen Schlussbericht hatte das PEK vorgeschlagen, drei der Methoden in der Grundversicherung zu belassen.

Vor diesem Hintergrund fand am 8. Dezember unter Leitung von Professor Reinhard Saller, Leiter der Abteilung Naturheilkunde am UniversitätsSpital Zürich, das Symposium zum Thema «Probleme der Evaluation in der Komplementärmedizin» statt. Teilnehmer waren Pedro Koch, ehemaliger Präsident des Stiftungsrates des PEK, Klaus Linde vom Zentrum für naturheilkundliche Forschung der TU München, Harald Walach, deutsches Beiratsmitglied des PEK, und Dieter Melchart, Mitglied des Lenkungsausschusses des PEK. 

Die weltweit umfassendste Bewertung der fünf wichtigsten komplementärmedizinischen Methoden sollte der Öffentlichkeit nicht vorenthalten bleiben, so Pedro Koch, ehemaliger Präsident des Stifungsrates des PEK.

Pedro Koch erläuterte auf dem Symposium, wie die Evaluation der komplementärmedizinischen Methoden erfolgte, und zeichnete zu diesem Zweck die sechsjährige Arbeit nach, deren Resultate nun allerdings aufgrund des Entscheids des Bundesrates unter Verschluss bleiben.

Ermittelte Daten publizieren und nutzen

Die unabhängige Institution PEK, so Koch, hatte sich zum Ziel gesetzt, diejenigen Therapien unter den komplementärmedizinischen herauszufiltern, die nachweisen können, «dass die eingesetzten Mittel effizient Gesundheit erzeugen». Basis für solche Entscheidungen sei die evidenzbasierte Medizin (Evidence Based Medicine, EBM). So sollten alle Therapieformen, die mit hieb- und stichfesten Studien ihre Wirksamkeit statistisch belegen können, eruiert werden.

Neben der EBM wurden aber auch die ärztliche Erfahrung, die Kasuistik und die Patientenerfahrung in die Untersuchungsergebnisse einbezogen. «Wir wollten den Besonderheiten der Komplementärmedizin Rechnung tragen», sagte Koch, «und dennoch Komplementär- und Schulmedizin gleichermassen berücksichtigen.» Ende 2001 seien die am Programm Beteiligten nach intensiver Arbeit soweit gewesen, dass die praktischen Studien beginnen konnten. Von 2002 bis 2003 wurden in komplementärmedizinischen und in schulmedizinischen Praxen Daten gesammelt. Ergebnis der Arbeit sei die weltweit umfassendste Bewertung der fünf wichtigsten komplementärmedizinischen Methoden, so Koch. Diese Grundlagenarbeit, die übrigens von den Steuerzahlern mit fünf Millionen Franken bezahlt worden sei, müsse unbedingt berücksichtigt werden. Deshalb richte er seinen dringenden Appell an die Behörden, die grossen Datenmengen, die jetzt gesammelt worden seien, auszunutzen und die Ergebnisse zu veröffentlichen. Zudem vermisse er die Transparenz in der Entscheidung, alle fünf Methoden aus dem Leistungskatalog der Grundversicherung zu streichen.

Klaus Linde vom Zentrum für naturheilkundliche Forschung an der TU München sagte, dass die Homöophatie durchaus Effekte erziele, die Interpretation der Ergebnisse jedoch schwierig sei.

Homöopathie aus methodischer Sicht

Klaus Linde vom Zentrum für naturheilkundliche Forschung der TU München erläuterte in seinem Vortrag, dass er in seinen Studien zeigen konnte, dass Homöopathie gegenüber Placebos leicht im Vorteil sei. Allerdings stellte sich heraus, dass der Effekt der Homöopathika umso magerer ausfiel, je umfangreicher die untersuchte Studie war. Persönlich sei er etwas verunsichert. Die Homöophatie habe aber sicher einen Effekt und scheine in der Versorgung zu funktionieren. Die Interpretation der Ergebnisse sei allerdings schwierig.

Erwartungshaltung des Patienten beeinflusst die Wirkung

Harald Walach von der University of Northhampton und deutsches Beiratsmitglied des PEK forderte in seinem Referat, das Schwergewicht der Doppelblind- und placebokontrollierten klinischen Studie (RCT) nicht unhinterfragt hinzunehmen. Diese Studienform stehe an der Spitze der Methodenhierarchie. Das damit verbundene hierarchische Denken solle aber besser von einem zirkulären Modell abgelöst werden. So sei die Erwartungshaltung an ein Medikament von grosser Bedeutung und müsse in die Untersuchung mit einfliessen. Je nach Erwartung können Arzneien beispielsweise besser oder schlechter wirken als ein Plazebo.

Harald Walach von der University of Northhampton und deutsches Beiratsmitglied des PEK betonte den Einfluss, den die Erwartungshaltung der Patienten auf die Wirkung eines Medikaments hat.

Der Konflikt zwischen konventioneller und alternativer Medizin zeigt sich in diesem Punkt besonders klar: Pochen die einen auf einen wissenschaftlich verbürgten Nutzen einer Therapie, stehen auf der anderen Seite viele Patienten und einige Ärzte, die diesen Nachweis schwer erbringen können, vom Nutzen aber trotzdem überzeugt sind.

Dieter Melchart, Schulmediziner, Dozent für Naturheilkunde in Zürich und Mitglied des PEK-Lenkungsausschusses: Der Mensch muss «subjektiviert» betrachtet werden können.

Fehlende Hochschultradition

Dieter Melchart, Schulmediziner und Dozent für Naturheilkunde in Zürich und Mitglied des PEK-Lenkungsausschusses, sieht darin ein grosses Problem. Er plädierte dafür, verstärkt andere Verhaltens- und Handlungstheorien in die Auswertung mit einzubeziehen. Der Mensch müsse «subjektiviert» betrachtet werden können. Obwohl die komplementärmedizinischen Verfahren in der Regel auf eine lange Tradition mit einem grossen Erfahrungshintergrund ihrer Anwendung zurückblicken können, fehle es ihnen häufig an wissenschaftlich anerkannten Nachweisen ihres Nutzens, ihrer Verträglichkeit oder ihrer Kosten reduzierenden Effekte. Das liege nicht zuletzt an der fehlenden Hochschultradition der Komplementärmedizin und am damit zusammenhängenden Mangel an organisatorischen und finanziellen Ressourcen. Es sei wichtig, die Determinanten der Gesunderhaltung und Selbstheilung, die die Komplementärmedizin mit sich bringe, zu betonen und zu untersuchen. Ausserdem dürften so hocheffiziente Therapien wie die Akupunktur den Patienten nicht vorenthalten werden.

 

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