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Mentoring

Kompass für die medizinische Karriere

Wie gelingt der Balanceakt zwischen Patientenversorgung und wissenschaftlicher Forschung? Für viele Mediziner:innen ist Mentoring der entscheidende Faktor, um diesen Drahtseilakt erfolgreich zu meistern.
Marita Fuchs
Eine Ärztin und Pflegefachfrauen auf einem Spitalflur
Zwischen Visite und Wissenschaft: Clinician Scientists verbinden Praxisnähe mit Forschungskompetenz. (Symbolbild: USZ/Daniel Winkler)

Zwei Tage in der Woche gehören der Wissenschaft. Zeit für vertiefte Studien, Datenauswertung, Schreiben von Anträgen. So zumindest sieht es der Plan vor, den Clinician Scientists anstreben, also jene Mediziner:innen, die klinische Tätigkeit und wissenschaftliche Forschung vereinen möchten. Doch oft klingelt das Telefon. Ein Kollege ist krank, auf der Station wird dringend jemand gebraucht. Ob nicht kurz eingesprungen werden könne? Der Schreibtisch bleibt leer, das Labor still. Wer beides will – heilen und forschen –, braucht nicht nur Fachwissen, sondern auch Geduld, Durchhaltevermögen und ein Umfeld, das diesen Spagat mitträgt.

«In diesem Spannungsfeld können akademische Mentor:innen eine entscheidende Rolle spielen», sagt Professor Thomas M. Kessler, Chefarzt Neuro-Urologie an der Universitätsklinik Balgrist. Er leitet zusammen mit Hanna Janssen das Mentoring-Programm an der medizinischen Fakultät der UZH.

Win-Win-Situation

«Besonders für junge Mediziner:innen sind erfahrene Wegbegleiter:innen von unschätzbarem Wert», so Kessler. Mentoring sei idealerweise eine Win-Win-Beziehung: Mentees profitierten von den Erfahrungen der Mentor:innen, während diese wiederum durch den Austausch mit dem Nachwuchs auf dem Laufenden blieben.

Mentorschaft bereichert den Mentor genauso wie den Mentee.

Thomas M. Kessler
Chefarzt Neuro-Urologie an der Universitätsklinik Balgrist

Forschung und Klinik miteinander zu verbinden, stellt Mediziner:innen vor zahlreiche Fragen: Wie lässt sich der hohe klinische Arbeitsaufwand mit den Anforderungen der Forschung in Einklang bringen? Wann ist der richtige Zeitpunkt, ein eigenes Forschungsprojekt zu starten? Welche institutionellen Hürden müssen überwunden werden? Wann ist ein Auslandaufenthalt sinnvoll? Wie kann man Karriere und Familie unter einen Hut bringen?

Auch Eleonora Picotti, Fellow in der pädiatrischen Hämatologie am Universitäts-Kinderspital Zürich, kennt diese Fragen. Sie arbeitet aktuell in verschiedenen Stationen am Kinderspital. Eine intensive Zeit. Von ihrer Mentorin Professorin Ana Guerreiro Stücklin, die als Onkologin am Kinderspital Zürich arbeitet, wurde sie auf das Mentoring-Programm der UZH aufmerksam gemacht – ein Angebot, das sie nicht nur fachlich, sondern auch persönlich weitergebracht hat.

Für mich als Mutter einer kleinen Tochter ist Vereinbarkeit von Beruf und Familie ein wichtiges Thema.

Eleonora Picotti
Fellow in der pädiatrischen Hämatologie am Universitäts-Kinderspital Zürich

«Wenn man Karriere machen möchte, kann man vom Mentoring-Programm nur profitieren», sagt Picotti. Besonders schätzte sie die Workshops zu Themen wie Vereinbarkeit von Familie und Beruf; für sie – Mutter einer kleinen Tochter – ein zentrales Thema. Der Austausch mit anderen jungen Ärzt:innen habe ihr gezeigt, wie individuell Karrieren verlaufen: «Es gibt keinen Weg, der immer gleich ist, man muss letztlich seinen eigenen Weg finden.»

Karriere planen und kommunizieren

Die erfahrene Onkologin und Forscherin Ana Guerreiro Stücklin, die junge Kolleg:innen wie Eleonora Picotti betreut, schätzt am Mentoring-Programm besonders die Unabhängigkeit. Denn Mentees sind nie in einem direkten Abhängigkeitsverhältnis zu Mentor:innen. «Man muss über Selbstzweifel und persönliche Fragen sprechen können – dafür braucht es einen geschützten Rahmen.»

Verständnis entsteht, wenn sichtbar wird, woran wir forschen.

Ana Guerreiro Stücklin
Neuroonkologin und Oberärztin am Universitäts-Kinderspital Zürich

Was rät Ana Guerreiro Stücklin ihren Mentees? Klare Absprachen mit dem klinischen Team, feste Forschungstage und vor allem: Kommunikation. «Nur wenn sichtbar wird, woran man arbeitet, entsteht Verständnis bei den Kolleginnen und Kollegen, die ausschliesslich in der Klink arbeiten – und die Erkenntnis, dass Forschung langfristig auch den Patient:innen zugutekommt.»

Die richtigen Partner zusammenbringen

Eine Mentoring-Vereinbarung werde in der Regel für 12 Monate geschlossen, erklärt Hanna Janssen von der Abteilung Nachwuchsförderung und Chancengleichheit der Medizinischen Fakultät. Zusammen mit Thomas Kessler stellt sie die Mentoring-Tandems zusammen, wobei eine fachliche Nähe durchaus erwünscht ist. So kamen auch Reto Sutter und Cyrill Huber zusammen.

Ich verstehe mich als Begleiter, nicht als Richtungsgeber.

Reto Sutter
Chefarzt Radiologie an der Universitätsklinik Balgrist

UZH-Professor Reto Sutter, Chefarzt Radiologie an der Universitätsklinik Balgrist, betreut aktuell seinen Mentee, Cyrill Huber, der ebenfalls in der Radiologie gearbeitet hat und vor einer wegweisenden Entscheidung stand: PhD oder Habilitation als nächsten Schritt? «Wir haben gemeinsam Vor- und Nachteile abgewogen», sagt Sutter. «Besonders wertvoll war der Austausch mit einem Kollegen aus meiner Abteilung, der kürzlich erfolgreich einen PhD abgeschlossen hat. Cyrill konnte direkt von dessen Erfahrungen profitieren.» Die Zusammenarbeit zwischen ihm und seinem Mentee sei schnell vertrauensvoll geworden, erzählt Sutter. Dabei verstehe er sich als Begleiter, aber nicht als Richtungsgeber: «Ich gebe Impulse, aber die Entscheidung muss beim Mentee liegen.»

Einem Mentor darf man auch mal unkonventionelle Fragen stellen – genau das macht Mentoring für mich so wertvoll.

Cyrill Huber
Assistenzarzt in der Neurologie am Universitätsspital Zürich

Für den Mentee Cyrill Huber, Assistenzarzt in der Neurologie am Universitätsspital Zürich, begann das Interesse an Forschung während seiner Masterarbeit in der Psychiatrie. «Damals habe ich untersucht, ob Doxycyclin einen Einfluss auf posttraumatische Belastungsstörungen hat – das war mein Einstieg in die Wissenschaft.» Seitdem fasziniere ihn besonders die Verbindung von Klinik und akademischer Arbeit. Über eine Rundmail der medizinischen Fakultät wurde er auf das Mentoring-Programm aufmerksam. Die angebotenen Online-Formate, etwa zur Vereinbarkeit von Forschung und Klinik, überzeugten ihn. «Es wurde immer wieder betont, wie hilfreich ein unabhängiger Mentor sein kann – besonders, wenn man auch mal unkonventionelle Fragen stellen möchte. Ich kann nur allen Kolleg:innen raten, dieses Angebot der UZH anzunehmen.»

Und Thomas Kessler betont: «Mentoring in der Medizin ist mehr als nur eine berufliche Unterstützung – es ist eine langfristige Begleitung, die den Mentees hilft, die Balance zwischen Klinik und Forschung erfolgreich zu meistern.»