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Leadership

Führen – wie geht das?

Nicole Ochsenbein, UZH-Professorin für Geburtshilfe und Klinikdirektorin, hat als Erste das Leadership-Programm für Professor:innen an der UZH absolviert. Wie man gut führt und woran Führung scheitern kann, diskutiert sie im Gespräch mit Klaus Jonas, emeritierter Professor für Sozial- und Wirtschaftspsychologie und Direktor der UZH Leadership and Governance Academy.
Marita Fuchs
Erfolgreiche Erste Absolventin: Klaus Jonas gratuliert Nicole Ochsenbein zum Abschluss des Leadership-Programms.

Frau Ochsenbein, Sie leiten seit 2010 die Klinik für Geburtshilfe am Universitätsspital mit etwa 70 Mitarbeitenden. In der vergangenen Woche haben Sie als erste Teilnehmerin das neue Leadership-Programm für Professor:innen erfolgreich absolviert. Herzliche Gratulation! Was haben Sie gelernt, was Sie vorher nicht wussten?

Nicole Ochsenbein: Für mich war die Weiterbildung neben den vielen praktischen Inputs, die wir bekamen, auch eine Zeit des Innehaltens und Reflektierens. Diese Zeit habe ich mir genommen, – trotz Termindrucks. Besonders Module, die Konfliktsituationen und den Umgang mit Mitarbeitenden thematisierten, waren für mich interessant. Es war anregend zu überlegen, was ich anders oder besser machen könnte. Führungskräfte müssen ihre Mitarbeitenden unterstützen, Impulse setzen, aber sich auch zurücknehmen. Entscheidend ist eine klare Kommunikation. Wenn die oder der Vorgesetzte eindeutige Anweisungen gibt und Zuständigkeiten deutlich benennt, kann jeder seinen Platz in der Gruppe schneller finden. Diese Ansprüche am eigenen Verhalten zu überprüfen und neue Anregungen zu bekommen, waren für mich sehr wertvoll.

Herr Jonas, haben alle Professor:innen das Zeug zur Führungskraft?
Klaus Jonas: Man kann Führung lernen; dem einen fällt es vielleicht leichter als dem anderen. Es gibt Metaanalysen, die Führungserfolg untersucht haben. Zum Beispiel zeichnen sich erfolgreiche Führungspersönlichkeiten dadurch aus, dass sie offen gegenüber unterschiedlichen Menschen sind und eher extravertiert, d.h. auch Spass daran haben, mit anderen Menschen zusammenzuarbeiten. Es sind auch diejenigen, die mal «alle Fünfe grade sein» lassen können.

 

Klaus Jonas

Führungskräfte sollten als Vorbild fungieren, sie sollen motivieren, intellektuell anregen und individuell unterstützen.

Klaus Jonas
Direktor der UZH Leadership and Governance Academy

Von welchem Führungsverständnis gehen Sie und Ihr Team in der Leadership-Weiterbildung aus?

Jonas: Im Gegensatz zu einem direktiven Führungsstil, bei dem feste Vorgaben und Disziplin im Zentrum stehen, favorisieren wir einen transformationalen Führungsstil. Diese Führungsverhaltensweisen sind besonders in einem dynamischen Arbeitsumfeld erfolgreich, wie es an Hochschulen der Fall ist. Zu den wichtigsten transformationalen Führungsverhaltensweisen gehört: Führungskräfte sollten als Vorbild fungieren, sie sollen motivieren, intellektuell anregen und individuell unterstützen. Eine gute Führung motiviert Mitarbeitende, Eigeninitiative zu entwickeln, aber es sollten auch Erwartungen geklärt und Ziele vereinbart werden. Die Forschung über Führungsverhalten zeigt deutlich eine Korrelation der oben genannten Merkmale mit der Zufriedenheit der Mitarbeitenden und deren Leistungsbereitschaft.

Dass an der UZH im Bereich Führung zum Teil noch Verbesserungspotenzial besteht, hat die Mitarbeitenden-Befragung im Sommer 2022 ergeben. Was müssten aufgrund der Befragung Führungspersonen an der UZH verbessern?
Jonas: Ich habe an einer Arbeitsgruppe teilgenommen, die die Mitarbeitenden-Befragung ausgewertet hat. Es gab einen eindeutigen Befund: Die Mitarbeitenden kritisierten diejenigen Führungskräfte, die nicht genügend Ziele setzen, keine klaren Erwartungen formulieren und zu wenig Feedback geben. Laissez-faire wird nicht geschätzt. Auch die Forschung zeigt, dass Laissez-faire zu Problemen führt, zum Beispiel. zu mehr Teamkonflikten.

 

Ochsenbein

Als Führungsperson ist es auch wichtig, individuell auf den Einzelnen einzugehen. Was für den einen stimmt, muss nicht automatisch für den anderen gut sein.

Nicole Ochsenbein
Professorin für Geburtshilfe und Klinikdirektorin USZ

Frau Ochsenbein, Sie leiten ein grosses Team. Geben Sie klare Ziele vor?
Ochsenbein: Ich bin sehr zielorientiert. In meiner Forschungsgruppe zum Beispiel mache ich meinen Doktorierenden klare Vorgaben und setzte Deadlines. In diesem Vorgehen fühle ich mich durch die Rückmeldungen meiner Mitarbeitenden sehr bestätigt. Als Führungsperson ist es aber auch wichtig, individuell auf den Einzelnen einzugehen. Was für den einen stimmt, muss nicht automatisch für den anderen gut sein. Ich muss spüren, was in dem Moment das richtige Vorgehen ist. Fingerspitzengefühl ist gefragt.

Was hat Sie dazu bewogen, Führungsverantwortung zu übernehmen?
Ochsenbein: Ich hatte gute Vorbilder. So etwa meine Doktormutter, die mich auch für die Forschung begeistert hat, – ich wollte ursprünglich nur klinisch arbeiten. Sie war eine hervorragende Medizinerin und auch noch ein Rollenvorbild als Mutter, sie hatte fünf Kinder. Auch in der Klinik gab es gute Mentoren, die mit ihrem Führungsstil ein Vorbild waren. Sie konnten gut motivieren. Das alles hat mich davon überzeugt, dass auch ich eine Führungsrolle übernehmen kann. 

War es dann so, wie Sie sich das vorgestellt haben?
Die Führungsrolle ist gerade in der Medizin sehr ressourcenraubend. Ich arbeite sowohl in der Klinik als auch in Forschung und Lehre, bin für meine Ärzt:innen, Pflegefachpersonen und administrativen Mitarbeitenden verantwortlich. Dieses Zusammenspiel unterschiedlicher Bereiche ist anspruchsvoll und mit viel Stress verbunden. In der Klinik gibt es immer wieder Notfälle, es gilt, sofort Entscheide zu treffen, hinzu kommt die Nachtarbeit, das sind hohe Anforderungen – auch an das Mitarbeitenden Profil. Ich muss zusätzlich das Budget im Auge behalten und ökonomisch-rechtliche Aspekte.

Haben Sie gelernt, diesem Druck etwas entgegenzusetzen?
Ich habe eine Familie, die mich unterstützt und mich stärkt. Ausserdem bin ich sehr gut organisiert. Was ich mir – in Bezug auf die Weiterbildung – noch wünschen würde, wäre ein auf die Mediziner:innen ausgerichtetes Coaching, das uns hilft, gute Strategien zu entwickeln, um diesem Stress und Druck etwas entgegenzusetzen, damit man selbst nicht untergeht.

Herr Jonas, gehören zum Weiterbildungsangebot für Professor:innen auch fakultätsspezifische Weiterbildungen für Führungspersonen?
Jonas: Das Leadership-Programm zielt darauf, ein für alle Fakultäten gemeinsames Führungsverständnis aufzubauen, im Sinne von den Merkmalen, die ich am Anfang aufgezählt habe: Vorbild sein, integer sein, aber auch Ziele setzen. Die Mediziner:innen bilden aber dennoch eine besondere Gruppe, aufgrund der zusätzlichen Belastungen durch den klinischen Alltag. In der Zusammenarbeit mit der Medizinischen Fakultät bieten wir daher auf Mediziner:innen ausgerichtete Konflikt- und Stressmanagementkurse an, die als Ergänzungskurse im Rahmen des Leadership-Programms besucht werden können.

Ich entnehme unserem Gespräch, dass es für Professor:innen eine enorme Herausforderung ist, ein Team gut zu führen. Könnten Manager:innen, die keine Professur innehaben, nicht Entlastung schaffen?
Jonas: Wir haben ja jetzt schon in den Dekanaten und Instituten Geschäftsführer:innen, also Management-Fachpersonen, die gute Arbeit leisten, und in der Universitätsleitung und den einzelnen Abteilungen gibt es ausgewiesene Manager:innen, zum Beispiel für Finanzen. Eine gute Zusammenarbeit der verschiedenen Führungsfunktionen ist unabdingbar.

Ochsenbein: Ich habe einen Klinikmanager an meiner Seite, das ist extrem wertvoll. Aber wenn jetzt einer käme, ohne medizinisch-geburtshilfliches Fachwissen, der disruptiv agieren und anfangen würde, neue Dinge zu designen, das wäre nicht hilfreich. Medizinisches Fachwissen ist in unserem Bereich dringend nötig, um Dinge voranzutreiben.

Das Leadership-Programm startete im März 2023. Welche Erfahrungen ziehen Sie aus dem ersten Durchlauf? Gibt es Verbesserungspotential?
Jonas: Im Programm 2023 haben 24 Personen teilgenommen. Alle Kurse werden evaluiert, und sie sind bisher gut beurteilt worden. Die Teilnehmenden schätzen insbesondere den fachlichen Input, aber auch den Austausch mit den Peers. Ich möchte auch betonen, dass wir in Konzeption und Durchführung enorm von der Erfahrung und Fachexpertise der Abteilung Weiterbildung profitiert haben, die bereits seit 2015 im Rahmen des Kursangebots «Hochschul- und Wissenschaftsmanagement» Kurse für Führungskräfte anbietet.