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Hochschulmanagment

Die entzauberte Universität

Die Hochschulen wandeln sich vom humboldtschen Ideal der Bildungsinstitution zur unternehmerischen Wissensorganisation. Barbara Sporn, Professorin für Hochschulmanagment und Antonio Loprieno, ehemaliger Rektor der Universität Basel, äusserten sich zu dieser Entwicklung.
Stefan Stöcklin
Loprieno, Sporn und Jarren
Wohin steuern die Universitäten? Von links: Antonio Loprieno (Unibas), Barbara Sporn (WU Wien) und Otfried Jarren (UZH). (Bild: sts)

Die Wahl der Referentin und des Referenten war ein Glücksfall: Für die Vorlesung über die Universität zwischen Wirtschaftsrelevanz und Gesellschaftskritik konnte das Kompetenzzentrum CHESS zwei kluge Köpfe gewinnen, die aufgrund ihrer Erfahrungen viel zu sagen haben und mit unterschiedlichen Meinungen ein sperriges Thema – «Die Universität zwischen Wirtschaftsrelevanz und Gesellschaftskritik: Erfahrungen aus Theorie und Praxis» – unterhaltsam präsentierten.

So entwickelte sich unter der Leitung von Otfried Jarren (CHESS Leitungsausschuss) ein interessanter Dialog zwischen Barbara Sporn, Professorin für Hochschulmanagment und ehemalige Vizerektorin an der Wirtschaftsuniversität Wien, und Antonio Loprieno, der zwischen 2006 und 2014 als Rektor der Universität Basel amtierte. Beide sind übrigens der UZH verbunden, Barbara Sporn als Gastwissenschaftlerin am Institut für Betriebswirtschaft und der Ägyptologe Antonio Loprieno als Mitglied des Universitätsrates.

Relevanz und Unternehmertum

Gleich zu Beginn machte Barbara Sporn ihre positive Haltung zur unternehmerischen Universität deutlich: «Ich bin der Meinung, dass die Universität sowohl unternehmerisch als auch kritisch und relevant sein kann.» In ihrem Referat skizzierte sie die letzten zwei, drei Jahrzehnte der europäischen Universitätsentwicklung.

Während dieser Zeit wurden viele Hochschulen in die Autonomie entlassen und durchliefen eine grundlegende Veränderung. Zusätzlich zum Bildungs- und Forschungsauftrag kam als «dritter Raum» die Interaktion mit Politik und Gesellschaft hinzu: Die Universitäten waren aufgrund ihrer Selbständigkeit gefordert, sich selbst zu verwalten und brauchten für die Finanzierung Rückhalt bei der Politik.

Universitäten waren deshalb gezwungen, sich Managementkenntnisse anzueignen. Parallel dazu entwickelte sich im Zuge der Globalisierung ein verschärfter Wettbewerb, man denke an die Rankings. Die Zahl der Studierenden stieg markant und die Ansprüche an die Absolventen hinsichtlich ihren praktischen Anwendungskenntnissen ebenso.

Ausverkauf der akademischen Freiheit?

Diese Expansion und der allumfassende Bildungsanspruch riefen Kritiker auf den Plan, die von Kommerzialisierung, Ausverkauf der akademischen Freiheit oder Bürokratisierung sprachen. Trotz diesen Spannungsfeldern, in denen sich die Hochschulen bewegen, beurteilt Barbara Sporn den aktuellen Wandel hin zur unternehmerischen Universität als überwiegend positiv.

Sporn
«Am schwierigsten ist die Schaffung einer neuen institutionellen Identität»: Barbara Sporn, Gastprofessorin an der UZH und ehemalige Vizerektorin der Wirtschaftsuniversität Wien. (Bild: sts)

«Unternehmerische Universität und stimulierende akademische Institution schliessen sich gegenseitig nicht aus», sagte sie. Voraussetzung dafür sei, dass es den Universitätsleitungen gelinge, in partizipatorischer Entscheidungsfindung eine Zielvorstellung zu entwickeln. «Es braucht eine gemeinsame Vorstellung, wo man hin will.»

Diese Transformation sei an der Wirtschaftsuniversität in Wien sehr gut gelungen, habe der Leitung aber auch einiges abverlangt, erklärte die Professorin für Hochschulmanagement. Am schwierigsten sei es gewesen, eine neue institutionelle Identität zu schaffen und die individuellen Ansprüche zurück zu stellen. «Wir haben viel diskutiert», sagte die ehemalige Vizerektorin (2002 – 2015).

Der Rektor als CXO

Antonio Loprieno setzte sein Referat unter den Titel «Unsere Universität zwischen zwei Narrativen – eine kulturwissenschaftliche Verortung». Augenzwinkernd referierte der ehemalige Rektor der Universität Basel über den gesellschaftlichen, institutionellen und administrativen Wandel, der mit Bologna einhergegangen ist und formulierte zum Beispiel die (über-)höhten Anforderungen an heutige Universitätsleitungen: Vom einstigen Primus inter Pares der Professorenschaft ist der Rektor zum CEO, CFO und CIO – kurz zum CXO – aufgestiegen und muss auf medialer, wissenschaftlicher und administrativer Ebene Höchstleistungen vollbringen.

Den Wandel der Universitäten sieht Loprieno in einer Dialektik zwischen der historischen Universität nach Humboldtschen Vorbild und der idealisierten unternehmerischen Universität. Während Barbara Sporn primär die Notwendigkeit und positiven Aspekte dieser Transformation betonte, legte Antonio Loprieno sein Augenmerk auf die Herausforderungen und problematischen Aspekte: «Die zentrale Schwierigkeit in der Steuerung des Wandels hat damit zu tun, dass wir zwischen zwei unterschiedlichen Modellen – der Universitashist und der Universitasglob operieren.»

Die «kulturwissenschaftliche Dichotomie» zwischen der historisch gewachsenen und der global hegemonischen Universität stellte Loprieno mit vier Begriffspaaren dar: So herrsche statt Eminenz vermehrt Evidenz, (z.B. Indikatoren bei akademischen Berufungen), die Kooptation ist vom Wettbewerb abgelöst worden, das fachliche Studium durch ein modulares und der Bildungsauftrag hat sich zum Leistungsauftrag gewandelt.

Der Prozess stottert

Doch so reiblungslos, wie sich das manche Bildungspolitiker vorstellten, verläuft der Transformationsprozess nicht. Auf dem Weg zur unternehmerischen Universität seien wir ins Stocken geraten, konstatierte Antonio Loprieno: «Wir haben das Narrativ der historischen Universität verloren, aber das neue noch nicht gefunden.» Denn die globalisierte World-Class-University sei nicht auf alle europäischen Universitäten übertragbar. «An der Basis der Universität besteht eine Sehnsucht nach dem alten Narrativ», meinte Loprieno, der zu diesem Thema soeben ein Buch mit dem Titel «Die entzauberte Universität» verfasst hat.

So waren sich die beiden Referenten in der Diagnose des Wandels und seinen Ursachen einig. Aber unterschiedlicher Meinung, wohin die Reise gehen sollte:

«Ich bin mir nicht sicher, ob die unternehmerische Universität nachhaltig für unsere Gesellschaft ist,» resümierte Antonio Loprieno. Dagegen sieht Barbara Sporn diesen Weg primär als Chance: «Die unternehmerische Universität nimmt ihr Schicksal in die eigenen Hände.» Die differenzierten Voten boten reichlich Diskussionsstoff für den Schlussteil der Veranstaltung.