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Die Krise ist noch nicht ausgestanden

Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann nahm gestern in einem Vortrag an der Universität Zürich Stellung zur aktuellen Krise auf dem amerikanischen Immobilien- und Finanzmarkt. Er betonte die stützende Rolle der Schwellenländer im globalisierten Markt.
Marita Fuchs

Der Politologe Professor Dieter Ruloff begrüsste Josef Ackermann gestern an der Universität Zürich: «Schön, Herr Ackermann, dass Sie das jüngste Stellenangebot der CitiGroup abgelehnt haben und zu uns gekommen sind». Der Bankenchef und Vorsitzende des Vorstands der Deutschen Bank, Josef Ackermann, war der Einladung des Europa-Instituts und des Instituts für Auslandsforschung gefolgt, um ihm Rahmen der Reihe «Afrika, Probleme und Perspektiven» über die Bedeutung von Schwellenländern in der Strategie der Deutschen Bank zu sprechen.

Statt Afrika stand jedoch aus aktuellem Anlass Amerika und die so genannte Subprime-Krise im Zentrum von Ackermanns Vortrag. Zur Subprime-Krise kam es im Sommer 2007, nachdem die bis dato steigenden Immobilienpreise in den USA stagnierten bzw. fielen, und gleichzeitig immer mehr Kreditnehmer ihre Kreditraten nicht bedienen konnten. Ackermann sagte, dass er nach den jüngsten Ankündigungen weiterer Abschreibungen von US-Banken und einiger europäischer Adressen eine merklich erhöhte Nervosität beobachte: Die Krise sei noch nicht ausgestanden.

Kein Wechsel in der Chefetage: Josef Ackermann lehnte jüngst das Angebot der Citigroup ab und bleibt der Deutschen Bank treu.

Noch im Juni dieses Jahres hätten selbst Experten nicht voraussagen können, dass sich kurze Zeit später eine solche Finanzkrise entwickeln würde. «Man ist immer von einer grossen Liquidität der Märkte ausgegangen», berichtete Ackermann. Niemand hätte die Krise im Juli und August erwartet.

Streik der Investoren

Die plötzliche Marktverunsicherung im Sommer habe nicht bloss zu einer Liquiditätskrise, sondern zu einem eigentlichen «Streik der Investoren» geführt. Das System sei zusammengebrochen, weil plötzlich keine Käufer mehr da gewesen seien. «Sie können auch einen Picasso nicht zu einem hohen Preis verkaufen, wenn nur noch Verkäufer auf dem Markt sind.» Die Krise habe auch gezeigt, dass die «commercial papers» nicht weltweit funktionieren würden, wie dies vor der Krise alle glaubten.

Durch den Streik der Investoren wäre das funktionierende System von Angebot und Nachfrage durcheinander geraten. Noch vor zwanzig Jahren, so Ackermann, hätte es sich um ein lokales Problem der USA gehandelt, heute jedoch seien die Finanzmärkte globalisiert und so sei die Krise nach Europa übergeschwappt.

Moderates Wachstum in USA und Europa

Die Gefahr für die Weltkonjunktur schätze er jedoch gering ein und eine globale Rezession hält Ackermann für nicht wahrscheinlich. Die langfristige Wirkung sei aber bis heute noch nicht absehbar. In den USA werde sich die reale Wirtschaft verlangsamen, die Konsumausgaben würden zurückgehen, wahrscheinlich käme es nur zu einem moderaten Wachstum. In Europa werde die Verlangsamung der Wirtschaft ebenfalls moderat erfolgen.

Sichere Häfen in Übersee

Der Schweizer Banker verwies als Stütze des Systems auf den Weltmarkt und dessen gute Unternehmenserträge. Das solide Wachstum in vielen Schwellenländern und den Öl exportierenden Staaten, insbesondere in China und Indien böten gute Voraussetzungen, um die hohen Wachstumsraten beizubehalten, sagte Ackermann.

Die Schwellen- und Entwicklungsländer hätten in den letzen Jahren einen fundamentalen Wandel erlebt. Sie seien die «new save havens», denn sie erwirtschafteten 50 Prozent des Weltsozialprodukts. Deshalb müssten die Strategien der Banken den Bedeutungswandel der Schwellenländer in Zukunft berücksichtigen. Die Deutsche Bank hätte stark in Indien investiert, mittlerweile seien dort zehn Filialen entstanden. Allein in China hätte die Deutsche Bank an einem Tag vier Milliarden Dollar in Fonds platzieren können. Allerdings erzeuge der schnelle Wachstum der Städte in Asien und die ungelösten sozialen Probleme Spannungsfelder, die aus Sicht der Banken Risiken berge.

Plädoyer für eine zentrale Aufsichtsbehörde

Sehr gut beurteile Ackermann im nach hinein das Krisenmanagement der Notenbanken, das die schlimmsten Folgen der Finanzkrise verhindert hätten. Auch die Hedge-Funds, spezielle Investmentfonds, hätten schneller reagiert und besser gearbeitet als die Banken, meinte er. Damit hätten gerade die Hedge-Funds zur Stabilisierung der Lage beigetragen. Schwierig sei jedoch die Zusammenarbeit der Banken-Aufsichtsbehörden gewesen. Deshalb plädiere er in Zukunft für eine zentrale Aufsichtsbehörde, auch wenn sie politisch schwer durchsetzbar sein werde.

An der aktuellen Krise sei für ihn jedoch klar geworden, so bilanzierte Ackermann, dass die Wirtschaft nicht nur nach mathematisch berechenbaren Modellen funktioniere. Veränderungen in der Finanzwirtschaft setzen sich schlagartig durch, «Anpassungsprozesse geschehen plötzlich und radikal». Zudem müsste jederzeit berücksichtigt werden, dass gesellschaftspolitische Umstände, wie zum Beispiel die Wahlen in den USA, ebenfalls einen grossen Einfluss auf die Finanzmärkte nehmen könnten.

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