Begründer der modernen Neurochirurgie
Am 10. Juni 2025 verstarb Professor M. Gazi Yaşargil, kurz vor seinem 100. Geburtstag. Mit ihm verliert die Medizin eine prägende Persönlichkeit der Neurochirurgie – einen Pionier, Lehrer und Mentor, der weltweit Massstäbe setzte.
Geboren 1925 in Lice, Türkei, studierte Yaşargil Medizin in Deutschland und der Schweiz, wo er 1950 seinen Abschluss machte. Seine Laufbahn begann mit einer breiten Ausbildung in verschiedenen Fachbereichen, bevor er sich ab 1953 ganz der Neurochirurgie widmete – zunächst unter Professor Hugo Krayenbühl in Zürich.
Ein zentraler Wendepunkt war ein Forschungsaufenthalt in den USA (1965 bis 1967), wo er die Mikrochirurgie erlernte. Beim Üben von mikrochirurgischen Verbindungen und Bypässen an haarfeinen Gefässen erlangte Yaşargil jene aussergewöhnlich präzise Fingerfertigkeit, die später sein Markenzeichen wurde. Noch bedeutender aber war, dass sich ihm in dieser Zeit eine völlig neue Sichtweise auf das Gehirn eröffnete – und damit ein neues Verständnis seiner Struktur und Funktion.
Ein neue Ära der Neurochirurgie
Der Einsatz des Operationsmikroskops eröffnete neue Wege: Die Anatomie des Gehirns wurde zugänglich, Operationen präziser und gewebeschonender. Diese mikrochirurgische Technik entwickelte er konsequent weiter und prägte damit massgeblich eine neue Ära der Neurochirurgie.

Yaşargils Herangehensweise war geprägt von grossem Respekt vor der natürlichen Anatomie des Gehirns. Er sprach oft von einer «Unterhaltung mit der Natur» und forderte seine Studierenden auf, dieser aufmerksam zu folgen.
Beobachtung, Interpretation und das Folgen natürlicher Wege – etwa durch die Liquorräume, das Hohlraumsystem des Gehirns – wurden zum Kern seiner chirurgischen Philosophie. So gelang es ihm, tief liegende Läsionen zu erreichen, ohne gesundes Hirngewebe unnötig zu schädigen.
Meilensteine und internationale Strahlkraft

Zu seinen vielen Meilensteinen zählen der erste zerebrale Bypass 1967 in Zürich, neue Verfahren zur Behandlung von Aneurysmen und Gefässmissbildungen sowie Techniken für Tumoroperationen im tiefen Hirngewebe. 1973 wurde er Professor und Direktor der Klinik für Neurochirurgie in Zürich, wo er bis 1992 wirkte. In dieser Zeit bildete er über 3’000 internationale Fachärzt:innen aus. Seine Erkenntnisse, Beobachtungen und Gedanken hielt er im mehrbändigen Standardwerk «Microneurosurgery» fest.
Nach seiner Emeritierung arbeitete Yaşargil in den USA und ab 2013 in Istanbul. 2024 kehrte er in die Schweiz zurück, wo er im Juni 2025 im Kreis seiner Familie verstarb.
Professor Yaşargils Werk lebt in den von ihm entwickelten chirurgischen Werkzeugen und Techniken weiter. Als Lehrer, Mentor und Freund prägte er Generationen von Neurochirurginnen und -chirurgen. Die Universität Zürich und die Klinik für Neurochirurgie bewahren sein Andenken in tiefer Dankbarkeit.