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Lehrpreis

Mit dem fliegenden Carl im Einsatz

Für seinen interaktiv aufgebauten Unterricht wurde Marc Thommen am Dies academicus mit dem Lehrpreis 2024 ausgezeichnet. Dem Strafrechtsexperten gelingt es, auch in Grossveranstaltungen eine angenehme Atmosphäre zu schaffen, die zum Fragestellen, Mitdiskutieren und kritischem Hinterfragen anregt.
Nathalie Huber
Mit «Carl, der Catchbox», lädt Marc Thommen die Studierenden dazu ein, sich aktiv am Unterricht zu beteiligen. (Videostill: MELS UZH)

Bis zu 400 Studierende nehmen regelmässig an der Vorlesung von Marc Thommen zum schweizerischen Strafrecht teil. Angesichts der schieren Grösse dieser Veranstaltung könnte man annehmen, dass der Dozent im Monolog komplexes juristisches Wissen vermittelt. Doch dem ist nicht so: «Ich will mit dem Vorurteil aufräumen, dass die Kommunikation mit einer grossen Anzahl von Studierenden unmöglich ist», sagt der Professor für Schweizerisches Straf- und Prozessrecht. Und er hat damit Erfolg.

Thommens kommunikativer Vorlesungsstil wird von den Studierenden geschätzt. Sie haben ihn deshalb zum Lehrpreisträger 2024 gewählt. «Professor Thommen gestaltet seinen Unterricht unglaublich interaktiv» und «er fördert die Beteiligung der Studierenden und schafft eine unterstützende Lernumgebung» lauteten die Studierendenvoten. Der Lehrpreis dieses Jahres zeichnet insbesondere diese Fähigkeit des Dozenten zum Dialog aus.

Hemmschwelle senken

Für Marc Thommen ist klar, dass Interaktion kein Selbstzweck ist, sondern tatsächlich etwas bringt. Davon versucht er seine Studierenden gleich zu Semesterbeginn zu überzeugen. «Wer engagiert teilnimmt, lernt auch mehr», erklärt er. Um die Scheu der Studierenden vor Wortmeldungen zu verringern und eine Kultur der Offenheit zu fördern, bildet der Strafrechtsexperte sogenannte «Buzz-Groups». Darin diskutieren sie jeweils eine juristische Frage oder einen konkreten Fall mit ihren Sitznachbar:innen.

«Durch den Austausch mit ihren Nachbarn gewinnen die Studierenden an Sicherheit, ob ihre Überlegungen völlig abwegig sind oder nicht. Danach sind sie deutlich eher geneigt, sich im Plenum zu äussern, als wenn ich die Frage direkt an alle richte», begründet der Rechtswissenschaftler. Als weiteres Beispiel nennt er regelmässig durchgeführte Online-Quizze auf der Lernplattform «Kahoot», die es den Studierenden ermöglichen, spielerisch ihr Verständnis des Vorlesungsstoffs zu überprüfen. Jeden Monat wird ein Gewinner als «The Student of the Month» ausgezeichnet.

Rechtsprofessor Marc Thommen im Video-Porträt zu seiner Auszeichnung mit dem Lehrpreis 2024.

Auf Augenhöhe diskutieren

Neben Kleingruppendiskussionen setzt der Rechtswissenschaftler auch auf kreative pädagogische Werkzeuge, um die Interaktion zu fördern. Dazu gehört «Carl, die Catchbox», ein Mikrofon in einem Schaumstoffwürfel, das im Hörsaal herumgeworfen werden kann und dadurch den Austausch dynamisiert. Der Name bezieht sich auf Carl Stooss, den Vater des Schweizerischen Strafgesetzbuchs. Ebenso verwendet der Strafrechtsexperte ein Wandermikrofon, das er zu Vorlesungsbeginn im Hörsaal platziert, um sequenziell Gespräche mit den Studierenden zu initiieren.

Natürlich respektiere er, wenn jemand nichts beitragen wolle. «Ich dränge niemanden, aber ich ermutige zur Beteiligung.» Dabei stellt Thommen selten Wissensfragen, sondern fragt nach einer Meinung oder einer Einschätzung, damit man sich intuitiv an ein Problem herantasten kann. Diesen Ansatz wissen die Studierenden besonders zu schätzen: «Professor Thommen erzeugt keine Angst mitzumachen. Er nimmt jede Antwort respektvoll und auf Augenhöhe an», so das Feedback eines Studenten.

Zum Nachdenken anregen

Auch der parallel zu den Vorlesungen produzierte Podcast trägt zum interaktiven Unterricht bei. «Ich mache den Studierenden klar, dass der Podcast besonders wertvoll ist, wenn er echten Dialog wiedergibt – also nicht nur meine eigenen Ansichten, sondern auch ihre Meinungen zum Ausdruck bringt. Diese Einsicht motiviert die Studierenden, sich zu beteiligen», so Thommen. Der Podcast ist auch für diejenigen Studierenden eine Bereicherung, die nicht persönlich an den Vorlesungen teilnehmen können. Sie werden dazu angeregt, sich zu überlegen, wie sie in den besprochenen Situationen gehandelt hätten. Dies kann inspirierend und lehrreich sein. «Damit ist ein wesentliches didaktisches Ziel erreicht: die Studierenden zum Nachdenken anzuregen.»

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Wer engagiert am Unterricht teilnimmt, lernt auch mehr.

Marc Thommen
Professor für Schweizerisches Straf- und Prozessrecht

Methodik, Analytik und Rhetorik

Marc Thommen ist es wichtig, seine Studierenden zu einer strukturierten Vorgehensweise zu befähigen. Es ist ihm ein Anliegen, dass sie beim Lösen von Fällen Fakten sorgfältig ordnen und nicht übereilt Schlüsse ziehen. Insbesondere Studienanfänger:innen neigten dazu, Gerichtsentscheidungen lediglich wiederzugeben, statt sie kritisch zu hinterfragen, sagt er. Thommen strebt jedoch nach einer tieferen Auseinandersetzung: «Mir geht es um den Denkprozess, um das Erkennen relevanter Delikte und möglicher Rechtfertigungsgründe.»

Mit seinem Ansatz will er nicht nur die analytischen Fähigkeiten der Studierenden fördern, sondern sie auch dazu anregen, sich eine eigene Meinung zu bilden. Besonders schätzt Thommen, wenn Studierende sich aktiv an Gedankenexperimenten beteiligen. «Wenn sie anfangen, mir kritische Fragen zu aktuellen Fällen aus der Presse zu stellen, weiss ich, dass der Funke gesprungen ist.»

Neben dem Reflexionsvermögen seien rhetorische Fertigkeiten für Rechtswissenschaftler:innen wichtig, unterstreicht Marc Thommen. «Juristische Arbeit vollzieht sich kaum im Stillen. Die Fähigkeit, überzeugend zu argumentieren und zu verhandeln, ist grundlegend.» Durch die Diskussion aktueller Rechtsfälle bieten seine Lehrveranstaltungen Studierenden die Möglichkeit, diese essenziellen Fähigkeiten zu üben.

Bereichernde aktuelle Rechtsfälle

Das Strafrecht eignet sich besonders gut, um Themen zu behandeln, die im täglichen Leben der Menschen eine Rolle spielen – sei es bei antisemitischen Attentaten oder Betrugsfällen wie dem Enkeltrick. «Die Studierenden bringen ihre eigenen Perspektiven ein, was wiederum bereichernde Diskussionen ermöglicht», hält der Lehrpreisträger fest. Diese methodische Herangehensweise fördert nicht nur die Motivation der Studierenden, sondern erleichtert ihnen auch das Verständnis neuer Konzepte.

Allerdings haben die Aufbereitung und die intensive Auseinandersetzung mit aktuellen und lebensnahen Fällen auch ihren Preis. «Zusammen mit meinem Team investiere ich sehr viel Zeit in die Lehre.» Daher schätzt er die Anerkennung seiner Bemühungen umso mehr. «Der Lehrpreis ist nicht nur eine Bestätigung meiner Arbeit, sondern auch ein Ansporn, auf diesem Weg weiterzugehen.»