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Tyrannei und Philosophie

Welches Kraut ist gegen Tyrannen gewachsen? Diese Frage trieb schon die griechische Philosophie um. Auf welche Antworten sie kam, zeigen mehrere öffentliche Veranstaltungen an der UZH.
David Werner
Spezialistin für griechische Philosophie: Gastprofessorin Anna Schriefl.

 

Das Phänomen des Populismus beschäftigt die Sozialwissenschaften derzeit intensiv. Der Populismus gilt als eine Begleiterscheinung moderner Demokratien, doch seine Wurzeln reichen bis zurück in die Antike. Bereits im alten Athen gab es Populisten, die es verstanden, mit markiger Rhetorik grosse Bevölkerungsteile für sich gewinnen. Zugleich traten auch Populismus-Kritiker auf den Plan: Das Gebaren der Demagogen und Volksverführer inspirierte Philosophen, Denker und Dichter zu Reflexionen über Herrschaftsgewinn, Manipulation und Machtmissbrauch.

Die bis heuten bekanntesten attischen Populismus-Kritiker sind Aristoteles und Platon. Den beiden Denkern ist ein öffentlicher Vortrag gewidmet, den Anna Schriefl am Mittwoch, 23. September im Rahmen ihrer Junior-Gastprofessur am Zentrum für Altertumswissenschaften Zürich hält. «Der Typus des Tyrannen, der Zwist und Misstrauen sät, um Macht zu gewinnen und zu erhalten, spielt in Platons politischem Denken eine zentrale Rolle», sagt Schriefl.

Das Thema «Demokratie und Populismus» steht dieses Jahr im Fokus des Zentrums für Altertumswissenschaften Zürich. In der ersten Jahreshälfte waren dem Thema eine Tagung und eine interdisziplinäre Ringvorlesung gewidmet (Podcasts dazu sind verfügbar). Im laufenden Herbstsemester  stehen mehrere öffentliche Lectures auf dem Programm. Neben dem prominenten amerikanischen Demokratieforscher Josiah Ober konnte Anna Schriefl als Referentin gewonnen werden. Die junge Wissenschaftlerin bekleidet die erste ZAZH-Junior-Gastprofessur. Die finanziellen Mittel dafür wurden von der UZH-Foundation eingeworben.

Gefahr für Stabilität und Zusammenhalt

Anna Schriefl stellt das Thema Reichtumsverteilung in den Mittelpunkt ihrer Lecture. Platon, sagt sie, habe den Besitzverhältnissen eine grosse Rolle in der politischen Dynamik zugeschrieben. «In extremen Vermögensunterschieden sah er eine Gefahr für Stabilität und den gesellschaftlichen Zusammenhalt, daher plädierte er in seiner Staatslehre für eine Grundversorgung aller Bürger», sagt sie.

Die Spezialistin für griechische Philosophie ist fasziniert davon, auf welchem Weg Platon zu seiner Empfehlung kam, die Schere zwischen Reich und Arm zu schliessen. Denn im Unterschied zur jüdischen und christlichen Denktradition argumentiere Platon nicht individualethisch, sondern politisch. «Platon setzt sich nicht aus moralischen, sondern aus staatspolitischen Gründen für die Armenhilfe ein – sie hatte für ihn die Funktion, die Radikalisierung der Politik und den Aufstieg von Tyrannen zu verhindern», sagt sie. Anna Schriefl warnt davor, Platons und Aristoteles‘ Empfehlungen unmittelbar auf heutige Verhältnisse zu übertragen. «Dennoch lohnt sich die Auseinandersetzung mit den beiden Philosophen beim gemeinsamen Nachdenken über Politik», sagt sie.

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